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Niki-de-Saint-Phalles

Filmstart

Niki de Saint Phalle

| Kirsten Liese |
Biopic über die bekannte Malerin und Bildhauerin

Céline Sallete hat einen ungewöhnlichen Ansatz für ihren Debütfilm gewählt: ein Porträt über eine berühmte Künstlerin ohne deren Kunst. Das war zwar keine freie Entscheidung, insofern sie aus Lizenzgründen nichts von Niki de Saint Phalles Werken zeigen durfte. Dennoch erstaunt es, dass die Regisseurin dieser absurden Sachlage zum Trotz an einem fiktionalisierten Porträt über die französische Malerin und Bildhauerin festgehalten hat. Zumal ein zeitloser aufschlussreicher Dokumentarfilm über die 2002 verstorbene Künstlerin von Peter Schamoni existiert, der sie zu ihren Lebzeiten 1995 noch vor die Kamera holen und sie selbst ihren Werdegang reflektieren lassen konnte. Dem gegenüber beschert Sallettes Film keinen biografischen Mehrwert. Aber damit ist nichts über die Qualitäten einer Geschichte gesagt, die für sich genommen allemal berührend und packend von einer Befreiung mit Hilfe der Kunst erzählt.

Diese setzt Anfang der fünfziger Jahre ein, als Niki den Lebensunterhalt für sich, ihren ersten Mann Harry Matthews und ihre kleine Tochter als Model verdient, nachdem die Familie von den Vereinigten Staaten nach Frankreich übersiedelt ist. Mehr und mehr bringen Depressionen sie aus dem Gleichgewicht, ihre stark belastete Kindheit überwältigt die junge Frau, ihr Mann weist sie in die Psychiatrie ein. Dort wird alles schlimmer, behandelt ihr Arzt sie mit Elektroschocks und vernichtet das Geständnis ihres Vaters, sie im Alter von elf Jahren sexuell missbraucht zu haben, das so wichtig ist, weil es der einzige Beleg für das Vergehen ist und ihr niemand glauben will. Wut und Schmerz ergreifen Besitz von der Traumatisierten. Einzig ihre Kreativität gibt ihr Halt: Mit bescheidenen Materialien, die Niki im Garten findet, bastelt sie Collagen. Es ist der Anfang eines längeren, schmerzreichen Heilungsprozesses, den Charlotte Le Bon, selbst nebenher als Illustratorin und Streetart-Künstlerin tätig, in der Titelrolle überzeugend durchlebt. Sehr genau und feinfühlig zeichnet Sallette diese Selbstfindung einer außergewöhnlichen Frau nach, die trotz anfänglich ausbleibender Anerkennung unbeirrt ihren Weg geht, sich emanzipiert, schließlich mit aggressiven „Schießbildern“ gegen das Patriarchat aufbegehrt. Zu den bunten, voluminösen, lebensfrohen Nanas der Kunst-Aktivistin aus den sechziger Jahren, für die sie weltberühmt wurde, schlägt das dichte, intime Drama keinen Bogen. Aber die Anfänge eines Werdegangs sind bisweilen ja auch interessanter.