„Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe“ von Philipp Hartmann
„Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe, pflegte meine Großmutter immer zu sagen.“ So beginnt Philipp Hartmann das Intro zu seinem Film, dem er diesen Spruch als Titel gegeben hat. Erst nach der Fertigstellung habe er herausgefunden, dass dieser „brüllende Löwe“ ein biblisches Synonym für den Teufel sei und somit die Bedeutung des Spruchs erst im Nachhinein verstanden, sagt er. In exakt 76,5 Minuten erzählt Hartmann sein Leben. Jedem Jahr widmet er eine Minute, basierend auf dem Durchschnittsalter eines Mannes seines Geburtsjahrganges.
Angefangen mit Bildern aus seiner Kindheit, erzählt er von verschiedensten Wegen, um Zeit zu messen. Sei es eine Atomuhr, oder einfach nur das menschliche Gefühl. Er offenbart mehrere Blickwinkel, ein Leben zu sehen, nimmt den Zuseher mit auf eine Reise durch die Welt und regt zum Denken an.
Der Film baut sich jeweils aus den vorhergehenden Minuten auf und überrascht immer wieder mit neuen interessanten Elementen. Hartmanns Debütfilm entstand in einer Schaffens- und Lebenskrise, wie er selbst sagt. Tatsächlich hat er Angst vor dem Vergehen der Zeit. Medizinisch diagnostiziert mit Chronophobie, beschäftigt es ihn stärker, dass mehr als die Hälfte seines errechneten Lebens schon vorbei ist. Was wird der Rest bringen? Und wird es nach 76,5 Jahren wirklich vorbei sein?
Als tiefer gehende Botschaft könnte man verstehen, im Hier und Jetzt zu leben, der Vergangenheit nicht nachzutrauern und die Zukunft nicht vorauszuplanen. Doch in diesem Fall ist jeder Einzelne auf seine Phantasie und Vorstellungskraft angewiesen, und Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe gibt viel Raum zum Interpretieren.
Es ist faszinierend, wie Philipp Hartmann es schafft, einen fast schon philosophischen Film über das Leben und die Zeit zu machen. Er holt den Zuseher dort ab, wo man persönlich steht, überfordert nicht mit zu viel Information und langweilt nicht mit leeren Worten.