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I’m Still Here

Filmkritk

I’m Still Here

| Jörg Schiffauer |

Mockumentary über das vermeintliche Karriere-Ende von Joaquin Phoenix

Helmut Qualtinger war – was man unlängst anhand der zahlreicher Dokumentationen anlässlich seines 25. Todestages wieder amüsiert Revue passieren lassen konnte – berüchtigt dafür, Medien und prominente Zeitgenossen mit seinen practical jokes auf geniale Weise zu narren. Zahlreiche Journalisten fielen etwa auf seine Ankündigung, der weltbekannte Eskimodichter Kobuk würde zwecks Lesung Wien besuchen, herein, der renommierte Psychoanalytiker und Aggressionsforscher Friedrich Hacker hielt sich nach einem von Qualtingers Scherzen schon bereit, um einen angeblich außer Kontrolle geratenen Präsidenten namens Ronald Reagan davon abzuhalten, den Dritten Weltkrieg auszulösen.

Joaquin Phoenix und Casey Affleck werden vermutlich nicht mit dem Wirken Qualtingers vertraut sein, doch ihr Projekt I’m Still Here trägt von der Konzeption her zumindest Züge des Humors des großen österreichischen Schauspielers und Autors. Denn I’m Still Here ist eigentlich nichts anderes als ein – zugestandenermaßen im großen Stil angelegter – practical joke, der etwa so verläuft: Joaquin Phoenix, einer der gefragtesten Schauspieler Hollywoods, verkündete Ende 2008 im Alter von gerade einmal 34 Jahren, dass er die Schauspielerei aufgeben wolle, um sich fortan dem Hip-Hop zu widmen. Schauspielkollege Casey Affleck (nebenbei auch noch Joaquins Schwager) begleitet ihn mit der Kamera, um den neuen Karriereweg für einen Dokumentarfilm festzuhalten. Die erstaunte Öffentlichkeit nimmt die Ankündigung von Joaquin Phoenix zunächst nicht recht ernst, doch seine Absicht scheint sich im Lauf des Films zu verfestigen. Seine Auftritte werden jedoch immer bizarrer und sein Aussehen – struppiger Bart und zerzauste Haare – erscheint immer mehr als Spiegelbild für einen Selbstfindungstrip, der zusehends außer Kontrolle gerät.

Mittlerweile dürfte sich ja herumgesprochen haben, dass Joaquin Phoenix und Casey Affleck all das sehr sorgfältig geplant hatten, um ihre Mockumentary I’m Still Here effektvoll in Szene setzen zu können. Doch bis zur Premiere des Films beim Festival in Venedig 2010 hielten beide die Legende aufrecht, dies sei ein realer Abschnitt in Phoenix’ Leben. Und nicht wenige Vertreter der Medien- und Unterhaltungsindustrie haben den Köder auch allzu begierig geschluckt und die vermeintliche Geschichte des gefallenen Stars, der mit aller Macht am eigenen Abstieg arbeitet, über Monate hinweg begeistert mitgetragen – was I’m Still Here dann auch genüsslich reflektiert.

Das Wissen um den Fake macht die Konsequenz, mit der Joaquin Phoenix zwei Jahre lang die Rolle des mental etwas derangierten Hollywood-Stars verkörperte – von seinen erbärmlich schlechten Versuchen, sich als Rapper zu etablieren bis hin zu einem reichlich skurrilen Auftritt bei David Letterman – nur noch beeindruckender. Dass der Mann mit der Rolle eines Schauspielers, der seines Berufs überdrüssig zu sein scheint, beweist, welch großes Talent er als Darsteller besitzt, ist dann so etwas wie der ironische Subtext der Mockumentary.

Man kann durchaus darüber streiten, ob der Aufwand, den Joaquin Phoenix und Casey Affleck betrieben haben, nicht ein wenig überzogen für einen practical joke ist. Doch I’m Still Here ist nicht nur eine über weite Strecken ziemlich witzige Mockumentary, der Film zeigt auch, welcher Irrsinn im mediale Umfeld der Unterhaltungsindustrie zwischen Sein und Schein mittlerweile möglich ist – und nicht nur dort. Die Pointe ist auf jeden Fall zielsicher aufgegangen.

Ab 11. November im Kino