ray Filmmagazin » Themen » „Aufgeschlossener, offener, intelligenter“

Community TV – „Aufgeschlossener, offener, intelligenter“

„Aufgeschlossener, offener, intelligenter“

| Roman Scheiber |

gotv-Geschäftsführer Thomas Madersbacher im Gespräch über heimische Medien, den Flow von Musikformaten, Fernsehsprünge ins kalte Wasser und die jungen Leute im Land.

Thomas Madersbacher sieht fern. Welcher Sender?
90 Prozent gotv, also der eigene.

Und zehn Prozent?
Einerseits aktuelle Fernsehserien …

Lieblingsserie?
Nicht mehr CSI, weil das hat sich mittlerweile totgelaufen.

CSI New York oder CSI Miami?
New York auf keinen Fall, das fällt massiv ab im Vergleich zu den anderen. Generell ist das Genre TV-Serien momentan innovativer als ganz Hollywood.

Und außer Serien?
3Sat, arte, Dokumentationen zur Zeitgeschichte.

Hauptabend auf ORF 1?
Kommt nur dann in Frage, wenn dort werbeunterbrechungsfrei etwas gesendet wird, was woanders mit Werbung läuft. Das ist die größte Qualität des ORF.

Thomas Madersbacher geht ins Kino. Welches Genre?
Viel zu selten, aber wenn ja, dann ohne weiteres auch klassische Blockbuster, aufwändige Geschichten, vor allem die massiv beworbenen Dinger. Leider war da nicht viel Spannendes dabei in den letzten Jahren.

Phasen unterschiedlichen Filmkonsums?
Ich muss gestehen, seit wir gotv machen, ist der Unterhaltungs-Anteil schon massiv gewachsen, zu Ungunsten zum Beispiel meines News-Interesses.

Gibt es noch eine gedruckte Zeitung in deinem Tagesablauf?
Nein, ich informiere mich online. Grundsätzlich ist Wissen zu einer elektronisch verfügbaren Ware geworden. Ein wenig auf der Strecke bleiben dabei umfangreichere Analysen und Kommentare, die lese ich manchmal am Wochenende.

Thomas Madersbacher liest ein Buch. Von welchem Autor?
Alles von Stanislaw Lem, besonders die Sternentagebücher: eine intelligente, humorvolle, analytische Sicht menschlicher Verhaltensweisen und Strukturen.

Zurück zum Fernsehen. Schon Okto gesehen?
Ja, in Fetzen. Heute war ich überrascht, weil ich gesehen habe, dass da ein paar ansprechende Musikdinger gelaufen sind. Da könnten schon Communities aktiviert werden und ihre Plattform finden.

Kennst du die gesamte Unternehmung?
Eigentlich nur aus den Medien. Es ist ein öffentlich finanziertes Projekt, was den Vorteil einer gewissen Bestandsgarantie hat. Dadurch ist aber der Entwicklungsspielraum begrenzt, weil ja aus einer öffentlichen Einrichtung dann nicht plötzlich eine private Geschichte werden kann. Also zum Beispiel eine Art Fernsehpendant zum Falter kann sich aus einem Offenen Kanal nicht entwickeln.

Bei der Frage nach Zeitungen hast du den Falter nicht erwähnt. Findest du ihn zwar gut, liest ihn aber trotzdem nicht?
Leider muss ich das gestehen.

Das Unternehmen hinter gotv heißt noch immer TIV. Das hätte vor ein paar Jahren das Kürzel für den wahrhaftigsten und innovativsten Sender Wiens werden sollen. Was ist schief gelaufen?
Das war ein Fernsehexperiment, ein Sprung ins kalte Wasser. Nicht mehr und nicht weniger, als die Gelegenheit zu ergreifen, Fernsehen zu machen, Produktions- und Finanzierungsmöglichkeiten zu lernen.

Hatte sich das Bedürfnis danach aufgestaut, oder woraus ist das damals entstanden?
Das Fernsehen hat mich als ein sehr emotionales und auch sehr mächtiges Medium natürlich schon früher interessiert. Und dann war da eben die Möglichkeit, das selber zu probieren. Und wir haben ja unsere Seher gefunden und auch Werbeerlöse generiert.

Gibt es auch Parallelen von TIV zu Okto?
Nein, wie schon gesagt: Außer einer kleinen Startförderung haben wir uns zu 100 Prozent selbst finanzieren müssen. Das macht einen großen Unterschied in der Herangehensweise und Handhabung.

Gibt es aus der Sicht der Mitarbeiter Parallelen? Zwar nix verdienen, aber dafür Fernsehen machen lernen?
Mittelfristig konnte man bei TIV schon Geld verdienen. Die Leute in arbeitsintensiven Produktionsbereichen wurden auch sukzessive angestellt.

Woran ist TIV dann gescheitert?
Es hat mit einer neuen Option geendet. Für ein Fensterprogramm war es zu aufwändig und nicht dauerhaft zu finanzieren. Und vor allem nicht überführbar in einen professionellen Fernsehbetrieb.

Würde dich Herausgeberfernsehen interessieren?
Es gibt immer Dinge im Leben, die vielleicht auch noch lustig wären. Aber im Ernst: Natürlich gab es bei TIV enormes Kreativpotential. Wenn ich den Drehli Robnik her nehme, der hat als Entertainer mit Harald Schmidt vergleichbare Qualitäten. Auch die Moderatoren unseres damaligen Newsrooms haben gute journalistische Karrieren eingeschlagen. Aber ich bin mit der tatsächlichen Entwicklung sehr zufrieden.

Okay, reden wir über euren Sender. Was könnt ihr besser als MTViva?
Es wäre extrem überheblich zu sagen, wir machen es besser als der Konzern Viacom, der doch um einiges bedeutender ist als wir. Aber wir machen vieles richtig. Mitentscheidend ist, dass wir kein beliebiges Produkt machen. Wir machen ein progressives und intelligentes Musikformat, das halt etwas weniger abseits des Mainstreams passiert wie FM4, sondern auf den Flow und den Durchlaufeffekt Wert legt.

Aber doch durchaus näher beim Mainstream als an der Progression, oder?
Seit bald dreieinhalb Jahren wählen wir einfach die schönsten Titel aus. Für uns ist nicht maßgebend, wie weit vorn die Nummer in den Charts platziert ist.

Können PISA-Ergebnisse dein berufliches Selbstverständnis erschüttern?
Nein. Erstens sind wir keine Oberlehrer und zweitens finde ich die jungen Leute super: aufgeschlossener, offener und intelligenter als sie in diesem Land jemals waren!

Worin liegt für dich die Bedeutung von Musikvideos?
Musikvideos symbolisieren nicht nur trivial so etwas wie Lifestyle, sondern durchaus Lebensart und Lebensauffassung – Unzufriedenheit mit bestehenden Verhältnissen inkludiert. Und nicht zu vergessen ist die künstlerische Komponente.

Videos als Kunst: Bist du stolzer Besitzer der Directors Label-DVD-Edition?
Ich besitze überhaupt keine Sammlungen, auch keine elektronischen Galerien. Ich interessiere mich für die neuen, frischen Geschichten, Strömungen ohne große Namen.

Musik-DVDs können dem Musikfernsehen also nicht gefährlich werden. Wie siehts mit Clipdownloads aufs Handy aus?
Das ist kein Konkurrenzverhältnis, sondern wie schon beim Radio und der Schallplatte eine wechselseitige Belebung. Redaktionelle Auswahl und bewusste Auswahl des einzelnen Konsumenten ergänzen einander. Jemand, der viel downloadet, ist wahrscheinlich auch ein häufiger User unseres Programms.

Noch ein Themenwechsel am Ende: Was hat sich in deinen 15 Jahren in der österreichischen Medienlandschaft, vom Piraten-radiobetreiber bis zum gotv-Geschäftsführer, nachhaltig geändert?
Viel frischer Wind ist durchgeblasen, Strukturen wurden aufgebrochen. Ich denke, dass das wirtschaftliche Umfeld liberaler, aufgeschlossener und intelligenter geworden ist. Engstirnigkeit oder Präpotenz ist in einer Branche, die global zusehends vernetzter ist, nicht mehr angesagt.

Ist wirklich alles so super? Willst du gar nichts für die beliebte Rubrik „Schimpfen über den ORF“ beisteuern?
Damit ich hier nicht alles schön rede: Die Medienkonzentration ist natürlich eine Gefahr für die Meinungsvielfalt, gerade im Magazinbereich. Was spezifisch den ORF betrifft, da gibt es natürlich in der Führungsebene unterschiedliche Qualitäten. Wirtschaftlich wird eh fast alles rausgeholt, was geht. Aber programmlich, das muss man schon sagen, hat der Zeiler besseres geleistet als das, was jetzt passiert.

Die Zukunft des Fernsehens?
Sehr verkürzt: Fernsehen bleibt weiterhin Massenmedium Nummer eins, wird immer noch selektiver genutzt und dadurch auch vielfältiger.