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Der Krieg des Charlie Wilson

| Günter Pscheider |

Politsatire über den Mann, der entscheidend dazu beitrug, dass die Sowjets den Afghanistan-Krieg verloren.

Regieveteran Mike Nichols versucht sich an einer der größten kreativen Herausforderungen im Kinogeschäft: einen Film nach einer wahren Begebenheit zu drehen, während die maßgeblichen Protagonisten noch am Leben sind. Dabei klingt die Geschichte so, als wenn Monty Python die Mechanismen der (US-amerikanischen) Politik karikieren wollten: Der weithin unbekannte texanische Kongressabgeordnete Charlie Wilson erreicht als Mitglied eines Verteidigungsausschusses im Alleingang, dass die Mittel für die geheime Bekämpfung des russischen Feldzuges in Afghanistan von fünf auf 500 Millionen Dollar erhöht werden, um die widerständischen Mudjaheddin unter Zuhilfenahme eines israelischen Waffenhändlers mit modernsten Luftabwehrraketen auszurüsten. Und nach zahlreichen Abschüssen ihrer Flugzeuge und Hubschrauber zieht sich die Weltmacht UdSSR tatsächlich zurück, das Imperium beginnt zu bröckeln.

Dabei taugt Charlie Wilson am Anfang so gar nicht zum Helden, seine einzige Motivation ist es, den Russen, die kollektiv als gewissenlose Mörderbande dargestellt werden, eins auszuwischen. Erst als er sich durch die finanzielle und sexuelle Unterstützung einer ultrarechten, evangelikalen Fundamentalistin (Julia Roberts) in seiner Mission bestätigt sieht und ein afghanisches Flüchtlingslager besucht, entdeckt Charlie plötzlich die humanitäre Tragödie dieses Krieges. Genau mit dieser naiven und scheinheiligen Szene kippt der Film von einer beißenden Satire auf die geheimen, meist völlig zufälligen Entscheidungsfindungsprozesse in Washington in Richtung eines pseudomoralischen Rührstücks. Leider bleiben Charlie und die übrigen Charaktere völlig konturlos, seine schnelle Wandlung wirkt unglaubwürdig. Die rasanten und witzigen Dialoge treiben zwar die Handlung voran, Spannung will dabei aber nicht aufkommen. Für die absoluten Highlights des Films sorgt auch nicht ein routiniert agierender Tom Hanks in der Titelrolle, sondern einmal mehr Philip Seymour Hoffman als hemdsärmeliger, cholerischer CIA-Agent mit dem wunderbaren Namen Gust Avrokatos. Die Moral am Ende der Geschichte, dass die Aufrüstung der Mullahs den Terrorismus gestärkt hat, ist zumindest für die meisten Europäer wenig überraschend. Der Film unterhält zwar als Anhäufung absurder Anekdoten über ahnungslose amerikanische Politiker, die fehlende Charakterentwicklung und die nahezu völlige Abwesenheit von Konflikten verhindern aber jede emotionale Identifikation mit den Protagonisten.