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Kleine Geheimnisse

| Michael Pekler |

Luxemburg, 1962. Während der 12-jährige Norbi glaubt, ein Familiengeheimnis zu entdecken, versucht er mit den Ängsten und Problemen seines Alters und seiner Zeit klarzukommen.

Esch sur Alzette bekommt man meist nur in einer Totalen zu sehen. Während die Schornsteine ihren Rauch über die Silhouette der Stahlstadt im Süden von Luxemburg blasen, vollzieht sich der Alltag des jungen Norbi in gewohnten Bahnen: Schläge vom Vater, der einen Kaufmannsladen betreibt, Sorgen von der Mutter, die sich wieder mal über sein zerrissenes Gewand beklagt, hilflose Anteilnahme von der älteren Schwester, die ihre eigenen Probleme mit dem Erwachsenwerden hat. In der Schule regiert der Lehrer mit strengem Scheitel noch mit ebensolcher Härte und fordert der Kaplan im Religionsunterricht die Jungen auf, für ein paar Franken ein „Heidenkindlein“ zu erlösen, während die Vorboten der Sechziger Jahre in Form von Mode und Musik bereits deutlich auf sich aufmerksam machen.

In dieses Potpourri aus zeithistorischen Anspielungen und Schauplätzen versetzt Pol Cruchten seinen jungen, schlaksigen Helden, der – noch dazu als Bettnässer – versucht, sich in dieser ihm meist feindlich gesinnten Welt einen Platz zu erkämpfen. Das funktioniert mal recht, mal schlecht, und Erfolg und Niederlage wechseln sich im Leben des 12-Jährigen beinahe täglich ab. Norbi wird von allen Seiten hart zugesetzt, doch bereits nach wenigen Minuten ist klar, dass dieser Junge Steherqualitäten mitbringt, die ihn am Ende ein großes Stück näher ans Ziel bringen werden.

Pol Cruchten erzählt die Geschichte Norbis, indem er verschiedene narrative Wege vorgibt, auf denen sich sein kleiner Held behaupten muss: Da gibt es einen Mord, der den Jungen zum Detektiv werden lässt, die ersten sexuellen Erfahrungen, geheimnisvolle Einträge des Vaters in das Kassabuch und nicht zuletzt die Frage nach der Rolle der Kollaborateure, die während der Nazi-Besatzung mit dem Feind gemeinsame Sache machten. Eine mit großen, gelben Buchstaben gemalte Denunziation wird eines Tages auf den Schaufenstern des väterlichen Geschäfts zu lesen sein.

Da all diese verschiedenen Geschichten sich letztlich in Andeutungen und Accessoires erschöpfen (ein Kennedy-Porträt am Nachtkästchen, ein Marlon-Brando-Film im Kino), verwundert es nicht weiter, dass auch Norbi beinahe en passant den Wandel der Zeit erlebt. So ist Kleine
Geheimnisse
einerseits sein Engagement anzumerken, einen blassen, unscheinbaren Jungen als kleinen Helden zu etablieren, im Vergleich zu manch anderen Filmen, die von einer Kindheit der Sechziger Jahre erzählen jedoch auch sein deutlicher Mangel an Präzision.