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Alex Rider

Serie | Interview

London Calling

| Roman Scheiber |
Der nächste österreichische Regisseur ist in der Europa League angekommen: Andreas Prochaska hat für Sony eine britische Jugendbuchreihe zur Fernsehserie geformt, die nun auf Amazon läuft. Anlass genug für ein Karrieregespräch.

Wer sehen möchte, wie ein im Grunde ganz normaler, wenngleich ziemlich cleverer Londoner Teenager, der bevorzugt mit dem Rad die Stadt durchstreift, zum verdeckten Ermittler für den britischen Geheimdienst MI6 avanciert, der sollte in „Alex Rider“ reinschauen. Da mischt sich ein visuell ausgefeilter Action-Stil in einem Guss mit einem neuen Blick auf London und mutiert eine seit 20 Jahren erfolgreiche Spionage-Romanreihe (von Anthony Horowitz) in ein fast schon kinotaugliches Serienformat. Verantwortlich als Executive Producer und Regisseur der ersten vier Folgen: der in Bad Ischl aufgewachsene Genre-Profi Andreas Prochaska (In 3 Tagen bist du tot, Das finstere Tal), der schon in den vergangenen Jahren mit immer größeren Produktionen, zum Beispiel der Serienadaption von Das Boot, betraut worden ist.

 

Herr Prochaska, wenn man in einer Interview-Reihe als Letzter dran ist, könnte die erste Frage sein: Was war denn die bislang beste Frage zur „Alex-Rider“-Promotion?
Andreas Prochaska: Oh Gott! Jessas! Das ist natürlich schwierig, meistens kommen immer die gleichen Fragen und man bekommt eine Idee davon, wie es den „wirklichen“ Stars gehen muss, wenn die eine Welttour machen.

Was war denn zum Beispiel eine überraschende Frage?
Andreas Prochaska: Ich muss ehrlich gestehen, es gab keine wahnsinnig überraschenden Fragen; es gab solche Fragen wie „warum schauen meine Filme anders aus als andere“ oder „was ist meine Handschrift“? Das sind Fragen, zu denen mir spontan keine Antwort einfällt.

Das sind grundsätzlich aber keine schlechten Fragen.
Andreas Prochaska: Ja. Für mich ist es allerdings merkwürdig, wenn Leute zwei Minuten lang in eine meiner Arbeiten hineinschauen und dann meine Handschrift erkennen. Ich denke mir dann, hoffentlich mache ich nichts falsch. Wenn man sofort merkt, wer den Film gemacht hat, finde ich das schwierig, weil jede Geschichte einen eigenen Stil erfordert und man ja versucht, dem Inhalt gerecht zu werden und eben nicht seinen eigenen Stil drüberstülpen will. Ich finde es auch schwierig, wenn man erkennt, wer die Kamera gemacht hat. Ich denke mir dann, der hat seine Hausaufgaben nicht gemacht und sozusagen seine eigene Eitelkeit über das Projekt gestellt.

Das ist ein gutes Stichwort – da fällt mir meine erste eigene Frage ein: Dieser Gegensatz von Haltung oder Stil, von welchem Department der auch immer ausgeht, und einer für eine Produktion in diesem Rahmen notwendigen Massentauglichkeit. Bislang war das für Sie nie wirklich ein Problem, oder?
Andreas Prochaska: Sagen wir es einmal so: ich liebe meine Arbeit und mache sie sehr gern. Aber ich mache sie, damit sie gesehen wird. Wenn ich nur tue, was mir selbst gefällt, dann bin ich nicht sicher, im richtigen Berufsfeld zu sein. Was wir machen, ist extrem geldintensiv, also muss ich darüber nachdenken, wie könnte ich dieses oder jenes tun, damit es dem Hansi Huber auch gefällt. Wenn ich eine Geschichte, speziell fürs Kino, angreife, dann überlege ich mir schon, ob der Stoff jemanden interessieren könnte. Und ich stelle mir selbst immer die Frage, würde ich zehn, zwölf Euro ausgeben, um ins Kino zu fahren um mir eine Geschichte anzuschauen? Wenn ich diese Frage für mich nicht positiv beantworten kann, würde ich so einen Kinofilm nicht machen.

Diese Aussage würde zum Beispiel auch Stefan Ruzowitzky oder Marvin Kren unterschreiben, denke ich.
Andreas Prochaska: Mag sein, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Wenn Sie dasselbe Drehbuch mir oder einem der genannten Kollegen in die Hand drücken, dann wird definitiv jeweils eine andere Geschichte herauskommen. Jeder Regisseur, jede Regisseurin versucht die richtigen Mittel für die Geschichte zu finden. Wenn man eine Szene zehn verschiedenen Regisseuren zur Umsetzung gibt, dann wird sie immer anders ausschauen. Jeder hat seinen eigenen Blick auf die Dinge, und jeder Blick erzeugt andere Reaktionen.

Das stimmt natürlich. Sind Sie eigentlich vor Ihrer filmischen Ausbildung mit dem österreichischen Kino in Berührung gekommen?
Andreas Prochaska: Ich muss gestehen, als Jugendlicher, der in Bad Ischl aufgewachsen ist, bin ich nicht oft an österreichischen Produktionen angestreift. Der erste österreichische Film, den ich halbwegs bewusst gesehen habe, war Exit. Aber meine ersten wirklich prägenden Kinoerlebnisse waren Filme wie Apocalypse Now oder Die Blechtrommel.

Da muss ich nachfragen: Welche Version von „Apocalypse Now“ halten Sie für die beste?
Andreas Prochaska: Die ich als erste gesehen hab im Jahr 1981. Der Film war wie ein Schlag in die Fresse!

So wie für Haneke Salò!
Andreas Prochaska: Kann sein. Ich war damals jedenfalls völlig hin und weg angesichts dessen, was ich da auf der Leinwand gesehen hatte. Weitere Versionen finde ich schwierig. Ich selbst habe nie so viel Material für meine Produktionen gedreht und hatte auch nie die Möglichkeit, einen Director’s Cut zu machen. Ich weiß auch nicht, wieviel Konzessionen damals gemacht werden mussten, um Apocalypse Now gewissermaßen auf Länge zu bringen. Wenn ich auf meine Filme schaue, sind diese ein Abbild von mir zu jenem Zeitpunkt, an dem sie entstanden sind. Mit meiner jetzigen Erkenntnis drei Jahre zurückzugehen und die Dinge zu verändern, finde ich persönlich nicht richtig. Ich würde wahrscheinlich alles anders machen, daher verstehe ich das Bedürfnis nicht so ganz.

Verstehen Sie das Bedürfnis nach radikaler künstlerischer Freiheit?
Andreas Prochaska: Ich würde mich davor fürchten! Es kommen so viele Faktoren zusammen, die eine Produktion ausmachen. Das fängt mit der Auswahl der Geschichte an, mit der Verfügbarkeit von Schauspielern. Du hast jemanden im Kopf, den du unbedingt haben willst, dann hat der keine Zeit, und dann engagiert man jemand anderen. Und plötzlich hast du einen völlig anderen Film gemacht. Auch der Produktionsdruck spielt eine Rolle. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte jahrelang Zeit, um mir den besten Film auszudenken, würde ich wahrscheinlich den Beruf aufgeben.

Wie ist es dann bei Ihnen weitergegangen? Bei Ruzowitzky etwa konnte man den Eindruck gewinnen, dass er gar nicht so viel überlegt hat, sondern immer nur weitergemacht und dann geschaut, was dabei herauskommt. Wie war das bei Ihnen?
Andreas Prochaska: Naja, Die 3 Posträuber als Debütfilm zu machen, war fast eine strategische Entscheidung. Ich habe damals das Buch von Christine Nöstlinger meinem ältesten Sohn vorgelesen und mir überlegt, welche Lücke könnte ich füllen? Wenn ich mit demselben Material wie alle anderen daherkäme, würde es noch schwieriger sein. Da ich selber Kinder hatte, war mir aufgefallen, dass es in Österreich keine Kinderfilme gibt, die auch Eltern mitunterhalten. Ich will mich nicht 90 Minuten lang fadisieren.

Sie gehören eher zur Toy Story-Fraktion.
Andreas Prochaska: Genau. Aber ich habe nicht bei Pixar angefangen, sondern in Österreich. Deswegen habe ich überlegt, welche Geschichte ich erzählen könnte, die sowohl Kinder als auch Eltern ins Kino bringt. Ich hatte den Stoff mehr oder weniger auf meinem Nachtkastl liegen und mir gedacht, das wäre ein cooler Family-Entertainment-Film. Etwas, das es bei uns in der Form noch nicht so oft gegeben hat. Und das hat dann auch funktioniert. Eines meiner Grundbedürfnisse war, meine österreichische Herkunft mit jenen Dingen zu verbinden, die mir am Kino Spaß machen.

Und das ist Ihnen zum Beispiel mit In 3 Tagen bist du tot ausgezeichnet gelungen! Oder gibt es etwas, das man im Nachhinein noch an dem Projekt bemäkeln kann?
Andreas Prochaska: Nein. Ich habe den Film vor drei, vier Jahren bei einer Retrospektive gesehen und mich nicht geniert dafür. Es war ok.

Es war damals frisch, regelrecht innovativ.
Andreas Prochaska: Ja, und es hat meinem Grundbedürfnis nach Genre und Identität entsprochen und ich habe mich wahnsinnig gefreut, dass es funktioniert hat. Mein erster Kurzfilm, lange vor den 3 Posträubern war übrigens ein Science-Fiction-Film. Der hieß Gute Nacht Johann.

Der ist mir entgangen.
Andreas Prochaska: Der ist auch nicht auf der IMDb. Weil eine Tante von mir, die verstorben ist, darin mitgespielt hat, wollte ich ihn der Familie zugänglich machen und habe den Film auf YouTube gestellt.

Danke für den Tipp! Den werde ich noch nachholen. Wie lang?
Andreas Prochaska: 20 Minuten.

So lang! Ich dachte wir reden von einem 5- oder 10-Minüter.
Andreas Prochaska: Nein. Ich bin damals auch völlig naiv an die Sache herangegangen: Ich habe soviel Drehbuch geschrieben, wie mir eingefallen ist und bin dann draufgekommen, wie vertrottelt das ist, weil viele Kurzfilmfestivals eine Limitierung mit 15 Minuten hatten. Danach hatte ich nie wieder das Bedürfnis, einen Kurzfilm zu machen, weil ich das Gefühl hatte, es ist viel zu schwierig, das ans Publikum zu bringen.

Ist es in gewisser Weise immer noch.
Andreas Prochaska: Ich war damals mit dem Film in Salzburg bei der Diagonale und bin mir wie ein Aussätziger vorgekommen. Das war 1993. Es gab mit mir einen Kollegen, der einen Serienmörder-Kurzfilm gemacht hat, und wir kamen uns wie Antichristen vor, weil wir Genrefilme gemacht hatten.

Ab dem Zeitpunkt wussten sie, dass Sie mehr Menschen erreichen wollen mit ihren Geschichten.
Andreas Prochaska: Naja, bei den Posträubern war dieses Bedürfnis auf jeden Fall da. Ich dachte mir, ich mache damit den größten Hit in Österreich – das hat leider nicht so ganz funktioniert.

Wieso nicht?
Andreas Prochaska: Es ging nicht so in die Höhen, die ich mir gewünscht habe, wir hatten vielleicht 40.000 Zuschauer. Danach ging es für mich ums Überleben, weil ich in Österreich keine Aufträge hatte. In Deutschland habe ich lange irgendwelchen Serien gedreht.

Welche zum Beispiel?
Andreas Prochaska: Die Krimiserie Der Unbestechliche mit Erol Sander. Wenn man Familie hat und nicht davon leben kann, alle fünf Jahre einen Kinofilm zu machen, dann muss man sich in die Untiefen der Fernsehunterhaltung begeben. Mir hat aber keine Produktion geschadet, weil ich bei jeder einzelnen neue Techniken ausprobiert oder Schauspieler kennengelernt habe. Ich war ja nie auf der Filmakademie. Fernsehen war für mich als Familienvater die einzige Möglichkeit um finanziell zu überleben.

Nachvollziehbar. Wie haben Sie die kreative Durststrecke überwunden?
Andreas Prochaska: Wenn du im Seriengeschäft arbeitest, musst du irgendwann eine Entscheidung treffen, weil man ja ganz gutes Geld verdienen kann. Dann musst du überlegen, will ich ein Ferienhaus auf Mallorca oder gute Filme machen. Ich habe jahrelang nach einem Stoff gesucht, der mich wieder ins Kino bringt. Für In 3 Tagen bist du tot haben Helmut Grasser und ich drei Jahre lang das Drehbuch entwickelt.

War das ein Punkt, an dem Sie sich gesagt haben: Damit probiere ich jetzt, ins Kino zurückzukommen und es muss funktionieren?
Andreas Prochaska: Wenn das ein völliger Flop gewesen wäre, dann weiß ich nicht, ob ich weitergemacht hätte… Aber es ist anfangs auch gleich abgelehnt worden.

Kein Wunder, denn es war wagemutig!
Andreas Prochaska: Möglicherweise. Ich muss aber dazusagen, dass es nur eine Institution abgelehnt hat, die damals bezweifelt hat, dass es mit dem vorhandenen Budget möglich wäre. Helmut Grasser hat damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Finanzierung zu schließen und wir haben den Wahrheitsbeweis angetreten, dass es geht! Ich wollte zeigen, dass es möglich ist, mit heimischen Mitteln Genre zu machen. Ich habe das bei uns im Dialekt versucht, denn das Projekt hat nur Sinn, wenn es authentisch ist. In Deutschland mögen sie das Prinzip copy & paste, quasi amerikanische Muster einfach zu übernehmen, ohne sie mit eigenem Leben zu erfüllen. Bei In 3 Tagen war aber genau das mein Antrieb.

Das haben Sie damit und später mit Das finstere Tal hinreichend bewiesen.
Andreas Prochaska: Ja, aber dazwischen gab es mit Die unabsichtliche Entführung der Frau Elfriede Ott mein „aufwändigstes“ Kino-Projekt. Eine Komödie zu machen ist schon die Königsdisziplin.

Haneke, mit dem Sie ja anfangs gearbeitet haben, hat nie eine Komödie gemacht.
Andreas Prochaska: Ich habe ihm einmal geraten, eine Komödie zu machen, weil er ja Humor hat. Aber er ist nicht darauf eingestiegen.

Nach dem Erfolg und dem Preisregen für Das finstere Tal war klar, dass Ihnen vieles offen steht, oder?
Andreas Prochaska: So empfinde ich das nicht. Die Challenge für mich ist, den nächsten guten Stoff zu finden. Es gibt eine lange Arbeitsbeziehung mit Martin Ambrosch, mit dem ich zusammen Das finstere Tal, Sarajevo, Maximilian und Spuren des Bösen gemacht habe. Er ist ein sehr guter Autor. Ich glaube, ich habe einen Instinkt für Stoffe, aber im Schreiben bin ich nicht die A-Liga. Da brauche ich jemanden, der mir das Material liefert.

Im Unterschied zur Tradition des Autorenregisseurs?
Andreas Prochaska: Drehbuchautor ist ein eigener Beruf. Ein Beruf, der bei uns fast stiefmütterlich behandelt wird. Im Arthouse-Kino schreibt jeder Regisseur selber, also kann sich der Drehbuchautor nur im Fernsehen entwickeln. Jeder Regisseur, der bei uns etwas auf sich hält, glaubt er sei auch als Autor brillant. Das wage ich manchmal anzuzweifeln, ob es wirklich die beste Entscheidung ist, alles selber zu machen. Ich brauche jedenfalls immer einen Partner im Schreibprozess.

Sprechen wir noch über ihre aktuelle Produktion Alex Rider, die in Österreich nun auf Amazon Prime läuft. Sie sind hier als Executive Producer aufgesetzt. Wie ist ihnen das zugefallen?
Andreas Prochaska: Das war sicher eine Konsequenz aus der Serie Das Boot, und die wiederum hat sich durch Das finstere Tal und Maximilian ergeben. Bei einem Gespräch mit den Boot-Produzenten habe ich erfahren, dass die Liste an Regisseuren aus dem deutschsprachigen Raum, die sie für Alex Rider ansprechen wollten, sehr kurz war. Das war ein tolles Kompliment für mich, in dieser Liga zu spielen.

Europa League.
Andreas Prochaska: Ja, wenn man so will. Und dann führte die Arbeit an Das Boot direkt zu Alex Rider. Das klingt jetzt vielleicht außergewöhnlich, dass man in England eine Serie für Sony dreht, aber es ist ja nicht Hollywood.

Das unterschätzt dennoch niemand, der davon eine Ahnung hat.
Andreas Prochaska: Es war toll, das machen zu können. Ich habe mir dann schon die Frage gestellt, warum die einen Österreicher holen, um eine sehr britische Story auf den Schirm zu bringen. Und ich habe mir gedacht, sie suchen wahrscheinlich jemanden, der in verschiedenen Genres Erfahrung und ein Durchhaltevermögen hat, denn acht Folgen beim Boot war, auf gut Wienerisch, kein Lercherlschas. Außerdem sollte ich wohl den Blick der großen weiten Welt auf die Geschichte werfen. Der Engländer schaut aus dem Fenster und sieht London. Ich komme von Wien hierher und sehe es mit meinen Augen, gleichzeitig möchte ich mir auch vorstellen, wie das jemand sieht, der etwa aus Südamerika kommt. Ohne dass es touristisch wirkt. Wenn es zum Beispiel um das Motiv eines Milliardärs ging, wollte ich etwas wie bei Downton Abbey, aber auf modern. Durch diesen Input glaube ich schon, dass das Projekt auf einem höheren Level gelandet ist. Sie haben zwar oft gestöhnt, weil das oft aufwändiger war als kalkuliert, aber das ist auch meine Aufgabe als Regisseur – soweit zu pushen, bis jemand sagt: „Nein, das können wir uns nicht leisten!“. Dann muss ich mir was anderes überlegen, aber ich muss immer bei 150 Prozent ansetzen, damit ich vielleicht 90 Prozent bekomme.

Das leuchtet alles sehr ein.
Andreas Prochaska: Dann war ich bei Alex Rider auch Executive Producer, wie beim Boot. Das hat aber nichts mit Geld oder Finanzierung zu tun, diesen Titel verdienst du dir dann, wenn du eine Serie künstlerisch prägst.

Aber Showrunner ist es nicht.
Andreas Prochaska: Nein, weil das viel mehr mit dem Schreibprozess zu tun hat.

Creator?
Andreas Prochaska: Creator Credit habe ich keinen, ein Viertel-Creator bin ich aber schon, weil ich sozusagen mit meiner Arbeit den visuellen Stil, das Casting und die Farbwelt geprägt habe. Das ist auch das einzige, was mich am internationalen Seriengeschäft interessiert. Du kannst auch drei Folgen von einer x-beliebigen großen Serie machen, aber da bist du eigentlich nur ein Dienstleister.

Das machen auch angesehene Kinoregisseure immer wieder.
Andreas Prochaska: Natürlich, das ist schnelles Geld. Wenn nichts anderes daherkommt, kann man sich das auch überlegen. Aber In dieser Serienwelt ist der Autor der Chef und die Produzenten, die alles zusammenstellen. Ich würde irgendwie den Spaß an meinem Beruf verlieren, wenn ich nur mehr ein ausführendes Organ wäre, das mit den Schauspielern inszenieren darf.

Einen Writers Room im weiteren Sinn braucht man sich da nicht vorstellen, oder?
Andreas Prochaska: Sie haben bei Alex Rider auch versucht, einen Writer’s Room zu machen, nur war der Hauptautor soviel besser als die anderen Autoren, dass er dann alle Bücher selbst geschrieben hat. Das war komplex für ihn. Beim Boot war es übrigens auch nicht ganz unkompliziert, weil es im deutschsprachigen Raum nicht so viel Erfahrung damit gibt. Dann war ich gemeinsam mit Martin Ambrosch gefordert, alle Fäden organisch zusammenzubringen.

Das beherrschen Sie offenbar. Ich möchte Ihnen zur Pilotfolge von Alex Rider gratulieren: Man sieht deutlich den production value und die geglückte Besetzung, und man kann sich vorstellen, wie das ein jüngeres Publikum zu fesseln vermag.
Andreas Prochaska: Danke. Es war eine tolle Herausforderung. Mir war anfangs nicht bewusst, wie populär diese Buchreihe ist, dadurch hatte ich einen unbefangeneren Zugang. Sony hat die Anforderung gestellt, dass diese Kinderbücher für eine Young Adult Audience aufbereitet werden. Da muss man eine ziemliche Grätsche leisten. Ich wollte das von vornhinein so kinomäßig wie möglich machen, ich wollte auf alles verzichten, was sozusagen klassische Fernsehauflösung ist. Es muss einen gewissen Style haben, weil das junge Publikum einfach total verwöhnt ist. Sony hat die Serie komplett ohne Sender oder Streamer finanziert. Mittlerweile ist sie in über hundert Länder verkauft. In England, Deutschland und Österreich läuft sie auf Amazon. In Amerika ist sie auf IMDb TV zu sehen.

Tja, die Big Player beherrschen nun auch die Serienwelt…
Andreas Prochaska: Mir ist im Flieger beim Pendeln zwischen Wien und London aufgefallen, dass die Leute links und rechts von einem auf ihr iPad starren und wahrscheinlich schauen alle Netflix oder Amazon. Da mache ich mir schon Gedanken darüber, ob das der weltweit kleinste gemeinsame ästhetische Nenner wird.

Das wäre natürlich Besorgnis erregend.
Andreas Prochaska: Ich fände das grauenhaft! Ich suche deswegen, auch für mich persönlich, nach einem Kinostoff, auch wenn das möglicherweise der völlig falsche Zeitpunkt ist.

Nein, überhaupt nicht. Wir vom „ray“ sind gespannt darauf. Vielen Dank für das Gespräch!