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ALIEN: Covenant

Bad to the Bone

| Jörg Schiffauer |
Bevor Ridley Scott mit „Alien: Covenant“ alle offenen Fragen zu beantworten versucht, ein kleiner Rückblick auf die Geschichte des furchterregendsten Monsters der Filmgeschichte.

Wiederholt war in jüngerer Vergangenheit die Rede von einer schweren kreativen Krise, die in Hollywood Einzug gehalten hat. Eine Diagnose, die sich zu einem nicht geringen Teil auf jene Praxis bezieht, einmal erfolgreiche Filmstoffe in Form von Sequels, Prequels, Cross Overs oder Spin-offs weiterzuführen und so erprobte Inhalte schier endlos zu reproduzieren. Dass sich dabei Redundanzen und Einförmigkeiten breit machen, ist eine fast zwingende Folge einer Produktionspolitik, die immer weniger Spielräume für Kreativität, Originalität und „Auteurship“ lässt. Doch wie so oft findet sich auch dabei eine Ausnahme, die den unseligen Regeln des Franchise-Systems erstaunlich erfolgreich zu trotzen versteht – ein unheimliches Wesen aus einer fremden Welt, besser bekannt als Alien, hat sich mit seiner Filmreihe ein erstaunlich differenziertes Eigenleben zu bewahren verstanden.

Ruft man sich Filme aus vergangenen Zeiten ins Gedächtnis, sollte man mit der Verteilung von Attributen wie „bahnbrechend“ oder „stilbildend“ besser vorsichtig umgehen, kann doch die Erinnerung – Werner Herzog erklärt dies höchst anschaulich in Mein liebster Feind, mit dem er auf seine schwierige Arbeitsbeziehung mit Klaus Kinski zurückblickt – oft reichlich verklärend  wirken. Doch im Fall von Ridley Scotts Alien kann man auch nach erneutem Sichten unbesorgt zu jedweder Form von Superlativen greifen, hat doch der Spannungsklassiker auch fast vier Jahrzehnte nach der Premiere im Mai 1979 aber auch gar nichts an Qualität und Wirkung eingebüsst. Alien war aber auch in mehrfacher Hinsicht eine richtungsweisende Arbeit.

Grauen ad infinitum

Die Tagline „In space no one can hear you scream“, die es allein schon zum oft zitierten Klassiker gebracht hat, nimmt geradezu programmatisch die ungewöhnliche Ausrichtung vorweg. Denn ungeachtet des futuristischen Settings erweist sich der Plot um die Besatzung des Raumfrachters „Nostromo“, die bei einem Abstecher auf einen unbekannten Planeten einen fremdartigen Organismus an Bord bringen, der sich bald als äußerst feindselige Spezies herausstellen soll, keineswegs als Science-Fiction nach gängigen Mustern sondern als Horrorthriller, der die klaustrophobische Abgeschlossenheit eines Raumschiffs nutzt, um Hochspannung und Schrecken zu generieren, die immer noch ihresgleichen suchen. Ein zunächst durchaus gewagter dramaturgischer Ansatz, wenn man sich den Zeitgeist in Erinnerung ruft.

Plots von Sci-Fi-Filmen, die irgendwo im All angesiedelt sind, tendieren traditionell dazu eine ebenso fantastische wie zumeist perfekt funktionierende Technik zu präsentieren und zumindest dahingehend ein positives Bild der Zukunft mit all ihren Möglichkeiten zu zeichnen. Ein Trend, der Ende der sechziger Jahre durch die TV-Serie Star Trek und noch viel mehr durch George Lucas Star Wars (1977) erheblich verstärkt wurde. Im Gegensatz dazu ist das Raumschiff in Alien ein ziemlich altes, abgenütztes Gefährt, das wenig futuristischen Glamour versprüht. Regisseur Ridley Scott, der sich bis dahin vor allem mit Werbefilmen einen Namen gemacht hatte und vor Alien nur einen Spielfilm – das originell-extravagante Historiendrama The Duelists – in Szene gesetzt hatte, kreierte mit seinem Kameramann Derek Vanlint ein betont dunkles, düsteres Szenario, dass allein auf der visuellen Ebene einen starken Kontrast zu den im Sci-Fi-Genre vorherrschenden Bildern liefert. Dazu passte, dass die Protagonisten von Alien, die sieben Besatzungsmitglieder der „Nostromo“ keine flamboyanten Helden sind sondern vielmehr so etwas wie Fernfahrer der Zukunft repräsentieren – also eher Durchschnittstypen, die von der Bedrohung durch eine fremdartige Spezies überfordert sind und vornehmlich improvisierend – selbst die Waffen, recht altmodische Flammenwerfer, müssen sie erst zusammenbasteln – reagieren, was jedoch die psychologische Glaubwürdigkeit ungemein verstärkte. Zudem – auch hier erwies sich Alien durchaus als Vorreiter – ist die stärkste Figur, die schlussendlich die einzige Überlebende bleibt, mit Ellen Ripley eine Frau, was im Kino der siebziger Jahre eine ziemliche Ausnahme war. Sigourney Weavers Zeichnung ihrer Figur zwischen Sensibilität – unvergessen bleibt die Szene, in der sie sich in höchste Gefahr begibt, um das Schiffsmaskottchen, einen Kater, mit in die Rettungskapsel zu nehmen – und Durchsetzungskraft erwies sich ebenso trefflich für die Inszenierung wie auch als vorbildhaft für die zukünftige Gestaltung weiblicher Hauptrollen.

Das Grundmuster von Alien folgt jedoch bewährten Genretraditionen: eine unerwartet auftretende Bedrohung bricht über eine Gruppe reichlich unterschiedlicher Charaktere herein, die sich zusammenraufen müssen, um der lebensbedrohenden Situation entgegenzutreten. Entlang dieser ebenso einfachen wie effektiven dramaturgischen Struktur gelang es Ridley Scott einen furiose Symbiose aus Schockeffekten, unerwarteten Wendungen und jener Form von Grauen, die nur angedeutet wird und sich primär aus der Imagination des Zuschauers entwickelt, in Szene zu setzen, der Alien zu legendärem Status eingetragen hat.

Als bester Beweis dafür mag gelten, dass einige Szenen im Lauf der Zeit geradezu als ikonographische Momente in der Geschichte des (Spannungs)-Kinos gelten, wie etwa die Sequenz als das kleine Alien aus Brust des von John Hurt gespielten Kane herausbricht oder die bereits angesprochen Katzenrettung. Und nicht zuletzt das Alien selbst, kreiert vom schweizerischen Künstler H.R. Giger, das mittlerweile zu einer festen popkulturellen Größe mutiert ist – und kurioserweise in Ridley Scotts Inszenierungen kaum vollständig zu sehen ist und das bevorzugt nur schemenhaft präsentiert wird.

Neben seiner linearen Struktur, die sich übrigens durch alle vier Alien-Filmen zieht, finden sich aber schon in Ridley Scotts Regiearbeit auch Motive, die tief zurückliegende mythologische und kulturgeschichtliche Wurzeln haben. Das beginnt mit den Namen des Raumschiffs – „Nostromo“ ist der Titel eines Romans von Joseph Conrad – und reicht bis zu dem Alien selbst, das einem der alptraumhaften Bilder von Hieronymus Bosch entsprungen sein könnte. Zudem repräsentiert Alien aber auch so etwas wie die in theologischer und philosophischer Hinsicht oft diskutierte Existenz des absolut Bösen in seiner reinen Form, wie Ash (Ian Holm), das der geschockten Ripley anschaulich erklärt: „You still don’t understand what you’re dealing with, do you? Perfect organism. Its structural perfection is matched only by its hostility … A survivor… unclouded by conscience, remorse, or delusions of morality.“

Dass es zudem zumindest im ersten Film als nicht vernichtbar angesehen wird, machtes nicht nur erschreckender, sondern auch zu einer alptraumhaften Form des Traums vom ewigen Leben. Im Gegensatz zu manch anderen Produktionen bleiben solche Motive in der Alien-Reihe jedoch soweit im Hintergrund, um die narrative Struktur nicht zu überfrachten.

Vielfalt

Der große Erfolg, den Alien bei Kritik und Publikum einheimsen konnte, zog bald die Option einer Fortsetzung nach sich, doch sollte es sieben Jahre brauchen, bis mit Aliens 1986 diese ihre Premiere erfuhr. Üblicherweise zählt ja Homogenität, was Storylines, Charaktere, narrativen und visuellen Stil angeht, zu den konstituierenden Prinzipien von Sequels, doch auch hier erweist sich die Alien-Reihe als erfrischend nonkonformistisch. Jede der Fortsetzungen bringt einen eigenen, frischen Ansatz mit, wobei die verbindenden Elemente sich auf das Wiederauftauchen von Ellen Ripley und der Alien-Spezies respektive deren Konfrontation beschränken. Diese vor allem im narrativen Duktus unterschiedlichen Schwerpunkte liegen vor allem daran, dass bei der Alien immer Regisseure mit einer ausgeprägten eigenen Handschrift am Werk waren, die offensichtlich gewisse Freiräume – David Finchers Auseinadersetzungen mit 20th Century Fox im Verlauf der Produktion des dritten Teils wollen wir einmal ausklammern – zugestanden bekamen.

Hatte Ridley Scott, der sich mit Alien in der oberste Liga als Spielfilmregisseur etablieren konnte, die Spannungsbögen um die Abgeschiedenheit der Protagonisten, die der Alien-Kreatur in den Weiten des Alls weitgehend hilflos ausgeliefert sind, aufgebaut, entschied sich James Cameron für eine Inszenierung, die den Fokus deutlich mehr auf jene Action-Elemente legte, die Cameron bereits mit Terminator (1984) in Verbindung mit einem Sci-Fi-Plot erfolgreich einzusetzen verstanden hatte. In Aliens wird Ellen Ripley nach 57 Jahren Kältetiefschlaf – die großen Zeitsprünge innerhalb der Narration sind charakteristisch für die Alien-Reihe – gerettet und aufgrund ihrer Erfahrung mit der feindseligen Spezies flugs mit einer militärischen Spezialeinheit zu einer entlegenen Kolonie geschickt, die sich ausgerechnet auf jenem Planten befindet, auf dem die Mannschaft der „Nostromo“ die Alien-Eier gefunden haben, mit dem in Teil Eins das Unglück begonnen hat. Der als Rettungsaktion geplante Einsatz wird für die Truppe schon bald zu einem Kampf ums Überleben, den Ripley nur zu gut kennt. Dass es mit der vermeintlichen Unzerstörbarkeit der Aliens, die in Ridley Scotts Film noch postuliert wurde, doch nicht weit her ist, wird inmitten von Camerons ungemein dichter Inszenierung der Auseinandersetzung zwischen den Soldaten und einem ganzen Haufen der unheimlichen Wesen gar nicht mehr als narrative Diskontinuität empfunden.

Dafür tritt ein anders Motiv, dass in Scotts Alien bereits angerissen wurde, bei James Cameron in den Vordergrund: Die Begegnungen mit den Aliens sind nicht die üblichen Risiken, die mit ausgedehnten Touren in entfernte Galaxien verbunden sind, sondern das Resultat eines perfiden Plans eines multinationalen Konzerns, der die fremde Spezies zur Herstellung biologischer Waffen heranziehen möchte. Dass Menschleben dabei keine große Rolle spielen wird schon in Alien klar, als Ellen Ripley die geheime Nachricht im Schiffscomputer findet, die mit der knappen Bemerkung endet. „Crew expendable“. Die deutlich formulierte Kritik an Praktiken, die Profit über jede Moral stellen –die Charakterisierung der feindseligen Aliens, die vermeintlich „ keine Schuld oder Wahnvorstellungen ethischer Art kennen“ erscheint rückblickend als bittere Ironie – wird zu einem zentralen Motiv der Reihe, die dabei ein dystopisches Element bekommt.

Angesichts dessen, war es mehr als passend, dass Alien 3 (1992) von Kulturpessimist David Fincher in Szene gesetzt wurde. Ripley, wiederum die einzige Überlebende, findet sich nach einer Notlandung ihres Raumschiffs auf einem abgelegen Planeten wieder, der als Hochsicherheitsgefängnis für Schwerverbrecher dient. Die Handvoll dort verbliebener Insassen haben jedoch mittlerweile den Weg zu Gott gefunden um in Isolation wie in einer mönchsähnliche Bruderschaft leben. Da sich jedoch wieder einmal ein Alien an Bord von Ripleys Raumschiff eingeschlichen hat, kommt es in dem Gefängnis samt angeschlossener Fabriksanlage, die in ihrem desolaten Zustand allein schon Endzeitstimmung verbreiten, erneut zur Konfrontation Mensch versus Alien. Finchers Inszenierung ist schon von den Charakteren und dem Setting apokalyptisch, die für seine Arbeiten typische, betont düstere Grundstimmung, die wenig Hoffnung auf ein gutes Ende zulässt, wird noch verstärkt, als Ellen Ripley im Lauf der Handlung entdeckt, dass sie selbst ein Alien in sich trägt und sie dem Tod geweiht ist. Hier fügt David Fincher der Reihe ein der christlichen Tradition entlehntes Motiv, das der Selbstaufopferung, hinzu. Als sich Ripley vom Anführer der Häftlinge töten lassen möchte, um das Wesen in ihr nicht weiter zu verbreiten, steht sie mit weit ausgebreiteten Armen da, eine Pose, die nicht zufällig an die Kreuzigung Jesu erinnert. Noch wird ihr Opfer hier abgelehnt, doch die Häftlinge geben ihr Leben in der anschließenden Jagd nach dem bereits vorhandenen Alien hin, ehe Ellen Ripley in der finalen Szene schließlich in das flüssige Metall eines Schmelzofens eintaucht, um dem Schrecken endlich ein Ende zu bereiten.

Eine hehre Absicht, die jedoch von den finsteren Plänen des erwähnten Konzerns, der Weyland-Yutani Corporation, in Alien: Resurrection (1997) zunichte gemacht wird. 200 Jahre narrativer Zeit später wird nämlich an Bord einer Raumstation von einem unseligen Konglomerat aus Wissenschaft und Militär versucht, Aliens zu züchten und zu domestizieren – was natürlich nicht gut gehen kann. Mitten im Zentrum ist wiederum Ellen Ripley, die als Klon, der neben menschlicher auch Spuren von Alien-DNA in sich trägt, auftritt – eine bizarre Variante der Auferstehung nach dem Opfertod. Das konstituierende Grundmuster aller vier Filme ist bald etabliert, gemeinsam mit der Besatzung eines Frachtschiffs, einer reichlich wilden Truppe, versucht Ripley den sich auf der Raumstation ausbreitenden Aliens, die wie gewohnt sofort im Angriffsmodus sind, zu entkommen. Jean-Pierre Jeunet, dessen Arbeiten wie Delicatessen, La Cité des enfants perdus eher bizarr-märchenhafte oder später mit Le fabuleux destin d’Amélie Poulain romantische Züge aufweist, erscheint eine überraschende Wahl als Regisseur der Alien-Reihe. Jeunet setzt Alien: Resurrection auch mehr im Stil einer Comic-Book-Adaption denn als futuristischen Thriller oder Endzeitgefecht in Szene. Ein Richtungswechsel, der zu einem nicht unwesentlichen Teil auch auf Drehbuchautor Joss Whedon zurückzuführen sein dürfte, der mittlerweile als Autor und Regisseur von fantastischen Stoffen und Comic-Verfilmungen wie Marvel’s The Avengers und Avengers: Age of Ultron zu den kreativsten Köpfen Hollywoods zählt. Im Fall von Alien: Resurrection geht der Schwenk in der Tonalität nicht immer auf, manche Szenen – Ripleys zärtliche Annäherung an ihr Alien-„Kind“ etwa – muten eher bizarr an.

Das Cross-Over Alien vs. Predator (2004) kann man als harmlose Albernheit beiseite lassen, die ernsthafte Fortsetzung der Saga unternahm Ridley Scott mit Prometheus 2012 selbst. Erstmals ohne Ellen Ripley versuchte Scott mit einem Prequel die Vorgeschichte zu Alien zu erzählen, die vielschichtigen Handlungslinien versuchen nicht viel weniger als die Herkunft der Alien-Spezies mit der Entstehungsgeschichte der Menschheit zu verknüpfen. Ein im Gegensatz zu den ersten vier Filmen eher kompliziertes narratives Gerüst, dessen philosophischer und erkenntnistheoretischer Überbau auf den ersten Blick  ein wenig verwirrend erscheint und den Plot zu überfrachten droht, jedoch (hoffentlich) mit der nun anstehenden Fortsetzung aufgedröselt werden kann.