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Filmstart

Alle reden übers Wetter

| Pamela Jahn |
Einfühlsames Drama um eine Frau auf der Suche nach Heimat und Selbstbestimmung

Mit „Du Ossi“, neckt sie ihr studentischer Liebhaber, als Clara (Anne Schäfer) nach dem Sex im Hotel die Minifläschchen Duschgel und Shampoo aus dem Bad mitgehen lässt. Und eigentlich hat er ja recht. Sie kommt aus dem Osten, auch wenn sie die mecklenburgische Provinz, aus der sie stammt, in ihrem Akademikerbekanntenkreis lieber verschweigt. Stattdessen muss ein erfundener Diplomatenvater herhalten, der sich, als die Lüge aufzufliegen droht, irgendwann selbst erschießt.

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Dabei hat Clara das Stehlen und Vertuschen eigentlich nicht nötig. Sie ist Ende dreißig, Philosophiedoktorandin und lebt in Berlin. Eine Tochter hat sie auch, nur die wohnt bei ihrem Ex. Alles gar nicht so schlecht, könnte man meinen, aber Clara will mehr. Oder etwas anderes? Nur was genau, das weiß sie nicht. Da kommt es ihr plötzlich ganz gelegen, dass am Wochenende der Geburtstag der Mutter (Anne-Kathrin Gummich) ansteht. Sie flüchtet aufs Land, um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen, und muss feststellen, dass sich dort seit ihrem Weggang auch nichts geändert hat. Niemals ändern wird. Und dass sie ihre eigenen Ansprüche ans Leben hat, die es zu verteidigen gilt. Die Heimat, die sie sucht, findet sie nicht.

Annika Pinskes dagegen findet in ihrem Regiedebüt oft die richtigen Bilder, Worte und Gesten, um der inneren Leere Ausdruck zu verleihen, die in Clara herrscht. Sie sehnt sich nach einer Nähe, einem Gefühl von Vertrautheit, das ihr weder ihre einfach gestrickte Mutter noch ihr Uni-Leben in der Großstadt bieten kann. Sie will reden, wenn um sie herum alle nur plaudern oder labern, weil sie sich in einer Oberflächlichkeit eingerichtet haben, die weniger Stress und Ärger macht. Immer scheint Clara der Welt, in der sie sich gerade befindet, außen vor oder konträr gegenüber zu stehen. Bis eine versoffene Nacht in der Dorfkneipe mit einer alten Jugendliebe (Max Riemelt) für einen Moment die Zeit stillstehen lässt.

Pinske, die Jahrgang 1982 ist und selbst aus Frankfurt/Oder kommt, hat ein gutes Auge und Gespür für die Menschen in der ostdeutschen Provinz, mehr als für Claras akademisches Umfeld, das bisweilen allzu hölzern und stumpf wirkt. Aber vielleicht funktioniert ihr Film genau deshalb so gut, weil sich darin auch die Widersprüche ihrer eigenen Biografie spiegeln. Alle reden übers Wetter fragt danach, was man für ein selbstbestimmtes Leben, insbesondere als Frau, hinter sich lassen muss. Es geht um Mütter und Töchter, um Geschlechterkämpfe, um Anerkennung, das ganze Programm. Vor allem aber zeigt sich darin, wie schwer es ist, sich von einer Heimat zu lösen und etwas Neues zu finden, das zu einem passt und ein Gefühl von Zugehörigkeit schafft.