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The Father - Anthony Hopkins

The Father | Interview

Into the Dark

| Marietta Steinhart :: Dieter Oßwald |
Florian Zellers Drama „The Father“ mit Anthony Hopkins als demenzkrankem Senior, der zunehmend den Kontakt zur Realität verliert.

Es ist zum Klischee geworden, schauspielerische Kraftakte als „Tour de Force“ zu beschreiben, aber The Father ist buchstäblich so etwas für Anthony Hopkins. Er war großartig als Hannibal the Cannibal in The Silence of the Lambs und gewann einen wohlverdienten Oscar. Er war auch großartig als sich aufopfernder Butler in The Remains of the Day und in vielen anderen Filmen. Aber bei The Father stellt man sich die Frage, ob Sir Anthony jemals besser gewesen ist. In einem Moment ist er leutselig und freundlich, im nächsten wütend, danach herzbewegend sensibel und dann regelrecht herrisch – und das oft im Verlauf von nur ein oder zwei Sätzen.

Er spielt den Titelhelden Anthony, einen 80-jährigen Londoner, der an Demenz leidet und in die Dunkelheit hineinrutscht, und auch wir erleben das am eigenen Körper, sodass die Dunkelheit in uns hineinrutscht. Wir fühlen, wie es ist, er zu sein und wie es ist, mit ihm zusammen zu sein. Der Trick des französischen Dramatikers Florian Zeller in seinem Kino-Regiedebüt ist, dass sich die Realität des Films, der auf seinem Erfolgsstück „Le Père“ beruht, wie die von Anthony immer wieder verschiebt. Menschen und Orte verändern sich. Die Zeit verdichtet sich und dehnt sich aus. Ist die Tochter, gespielt von Olivia Colman, die er Anne nennt, wirklich Anne? Oder ist es eine ganz andere Frau, gespielt von Olivia Williams? Ist Rufus Sewell Annes Ehemann oder der Mann, der in seinem Wohnzimmer hockt und von Mark Gatiss gespielt wird?

Ehrlich gesagt ist das Ganze ziemlich gruselig und menschlich zugleich. Hopkins ist so gut darin, einen Mann zu spielen, der gegen das Ausgehen des Lichts tobt, dass es zutiefst schmerzlich ist, ihm dabei zuzusehen, wie er im Dunst der Demenz versinkt. Es ist eine Darbietung, die nur schwer zu vergessen ist.

 


Schauspielerei ist wie Tischtennis spielen

Anthony Hopkins reflektiert über „The Father“, die wilde Schönheit des Lebens und die relative Bedeutung von Preisen.

Sir Anthony, in Deutschland avancierte das Demenz-Drama „Honig im Kopf“ zu einem großen Kassenerfolg. Gibt es ein Bedürfnis beim Publikum nach vermeintlich schwierigen Themen?
Anthony Hopkins:
Ich habe den Film leider nicht gesehen und kann dazu nichts sagen. Ich kann auch nicht beurteilen, welche Bedürfnisse das Publikum hat. Darüber mache ich mir keine Gedanken, wenn ich eine Rolle übernehme. Das gehört nicht zu meinem Job, sonst wäre ich in der Marketingabteilung besser aufgehoben. Man kann ohnehin nicht in die Zukunft blicken, niemand kann vorhersagen, ob ein Film ein Knüller oder ein kompletter Flop wird.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet? Kennen Sie Menschen, die unter Demenz leiden oder haben Sie sich ganz auf das Drehbuch verlassen?
Anthony Hopkins: Nein, ich kenne persönlich niemanden, der unter Demenz leidet. Das finde ich auch gar nicht notwendig. Für mich verhält es sich mit der Schauspielerei wie mit Tennis oder Tischtennis: Man denkt nicht darüber nach. Sobald man beginnt nachzudenken, kann man nicht mehr spielen. Das ist, als frage man einen Tausendfüßler, wie er läuft. Es mag herablassend klingen, aber schauspielern ist einfach. Glauben Sie mir, ich mache das schon ziemlich lange, und es ist einfach.

Welche persönlichen Gefühle löst solch eine Geschichte bei Ihnen aus?
Anthony Hopkins: Das Leben ist ein schönes Geschenk und hat eine wilde Schönheit. Wenn man dann den Bezug zur Wirklichkeit, sein klares Denken und die Erinnerung verliert, ist das eine ganz große Tragödie. Man weiß nicht mehr, wer man ist. Für mich hat das auf gewisse Weise durchaus Parallelen zu unser aller Situation im Lockdown, wo jeder isoliert lebt. Die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen verblassen, das ständige Abstandhalten wirkt wie eine völlig neue Welt. Es wird Jahre brauchen, bis all das wieder in ein Gleichgewicht kommt, ganz besonders für Kinder und Jugendliche.

In welcher Form könnte das passieren?
Anthony Hopkins: Es bedarf einer ganz neuen Wertschätzung für die Dinge, die möglich sind. Wir müssen erkennen, weshalb wir im Leben so viel Zeit für derart blödes Zeug sinnlos verschwendet haben. Die Welt ist voller Hass, Gewalt und Schuldzuweisungen. All das braucht wirklich niemand, das sind ernsthaft pathologische Verhältnisse, die wir endlich überwinden müssen. Der Mensch gilt als intelligentes Tier, aber so besonders intelligent scheinen wir nicht zu sein. Unsere Geschichte ist eine Geschichte von Kriegen. Die großartigen Potenziale von Philosophie, Wissenschaft oder Kunst kommen hingegen kaum zur Geltung. Meine Katze weiß nicht, dass sie einmal sterben wird. Wir sollten so smart sein, das wirklich wertzuschätzen, was wir genau in diesem Augenblick haben.   

Was hat die Arbeit an „The Father“ bei Ihnen ausgelöst?
Anthony Hopkins: Die Arbeit an diesem Film hat mich an meine eigene Sterblichkeit erinnert. In gewisser Weise habe ich das Gefühl, dass ich durch die Arbeit an diesem Film vielleicht nicht an Demenz erkranke! Wir hatten eine Menge Spaß am Set, als wir versuchten, Florians Dialogstil auswendig zu lernen. Als die Kameras auf mich gerichtet waren, war in gewisser Weise keine Schauspielerei mehr nötig!

Sie haben alle wichtigen Preise im Schauspieler-Leben erreicht und gelten erneut als Favorit für den Oscar. Welche Bedeutung hat das noch für Sie?
Anthony Hopkins: Ich sehe das mit philosophischer Gleichmut, ohne es zynisch zu meinen. Unser Unterbewusstsein entscheidet darüber, was gut und was schlecht ist. Natürlich wollen wir alle, dass uns nur gute Dinge widerfahren. Aber das ist eben relativ. Wenn mich jemanden loben möchte, ist das schön. Wenn mich jemand kritisiert, ist das deren Sache. Ich habe darauf keinen Einfluss, und es verändert mich als Person nicht. Wenn meine Arbeit nicht mit einem Preis ausgezeichnet wird, dann ist das eben so. Das hat mit mir selbst nichts zu tun, ich mache ja nur meinen Job. Wenn ich einen Preis bekomme, bin ich froh und sage „Thank you“. Zu dankbar bin ich jedoch nicht. Preise sind wichtig – und sie sind zugleich nicht wichtig.

Denken Sie mit 83 Jahren bisweilen an den Ruhestand?
Anthony Hopkins: Ich würde sterben, wenn ich das Geschäft jemals aufgäbe. Ich muss ein alter Kämpfer sein! Ein Überlebender!