Liebevolle Hommage an eine altehrwürdige, quicklebendige Institution
Tiere sehen dich an. Tote Tiere sehen dich aus Glasaugen an. Hunderte, die in den Vitrinen stehen, und nochmal Tausende im Lager, in Schränken, Schubladen, Kästen und Kisten. Eigentlich ist so ein Naturhistorisches Museum ein gigantischer Friedhof, ein einziges Mausoleum, das vom Jagdtrieb und von der Präpotenz des Menschen zeugt – aber eben auch von dessen Wissensdurst und Forscherfreude. Und im Naturhistorischen Museum an der Ringstraße in Wien gibt es nicht nur ausgestopfte Tiere wie den bereits etwas lädierten Schoßhund der Kaiserin Maria Theresia zu sehen (er steht auf halber Treppe im opulenten Aufgang), oder einen Tatzelwurm (er wurde für eine Ausstellung zur Flora und Fauna der Alpen geschaffen und ist möglicherweise zurück ins Reich der Fantasie entfleucht), sondern auch Gestein aus aller Welt und aus dem All, Knochen und Schädel, Muscheln und Pflanzen, Insekten, Vögel und Fische, prähistorische Alltagsgegenstände jeglicher Art sowie die Venus von Willendorf, die im Übrigen viel kleiner ist, als man denkt. Ohnehin ist die Schausammlung lediglich die Spitze eines Eisbergs, der aus 30 Millionen Objekten – von Fotos, Akten und Büchern bis hin zum Dinosaurier – besteht und also ziemlich riesig ist.
Es ist eines der bedeutendsten Naturmuseen der Welt, dem Joerg Burger mit Archiv der Zukunft einen so neugierigen wie zugewandten Dokumentarfilm widmet; er schließt uns das Museum auf, stellt uns Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor, zeigt uns Abteilungen und Außenstellen, Forschungsgebiete und ihre Methoden. Das ist rundum spannend, immer interessant und sehr oft auch anrührend oder lustig. Wenn zum Beispiel fünf Menschen mit einem Elefantenskelett um dessen korrekten Aufbau kämpfen oder das sehr alte Präparat eines Papageis für ein Porträtfoto fast zärtlich in Szene gesetzt wird. Wenn die alte Dame von ihrem Vergnügen an ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit des Muschel-ausklopfens berichtet und ein junger Forscher von den Erkenntnissen, die er aus mikroskopisch kleinen Sedimentpartikeln gewinnt. Man hört gerne hin, man schaut gerne zu, denn keiner nimmt hier irgendwas als selbstverständlich gegeben an. Allen ist bewusst, dass die Schätze, die sie hüten und nutzbar machen, nicht nur mannigfaltige Möglichkeiten der Erkenntnis bieten. Vor allem sind sie Zeugnisse der Erde, unserer Heimat, und als solche verdienen sie den größten Respekt. Zeit, wieder einmal hinzugehen.