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Army of the Dead

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Army of the Dead

| Manuel Simbürger |
Zack Snyder wendet sich von Superhelden ab und kehrt zu seinen Wurzeln zurück – mit einem Twist: Intelligente Zombies stellen sich Tresorräubern in den Weg.

Zuletzt hat Zack Snyder mit seinem von Fans laut geforderten (und dann umso enttäuschter aufgenommenen) Cut der Justice League auf sich aufmerksam gemacht, einem Mix aus verfilmtem Bubentraum, Akribie-Fetischismus und verletztem Stolz. Innerhalb nur weniger Wochen legt er nun seinen zweiten Film nach, diesmal aber für Netflix. Der ausufernden Laufzeit ist er treu geblieben (statt 240 sind es immerhin noch 148 Minuten), einer bunt gemischten Heldentruppe als Protagonisten auch, der Freude zur stilisierten Gewalt eben- und der krachenden Action im epischen Ausmaß sowieso.

Mit Army of the Dead kehrt Snyder jedoch zu seinen Wurzeln zurück: Nach Dawn of the Dead, nach wie vor der beste Film des Ego-geplagten Krawallmachers, schickt uns Snyder erneut in eine Welt, die von blutrünstigen Zombies beherrscht wird, der Horror ist also Stilmittel, ja vielleicht sogar Kunst. So weit, so bekannt? Nicht ganz: Snyder spielt mit Genre-Klischees, dekonstruiert sie, nur um sie mit verschmitztem Lausbuben-Grinsen wieder neu zusammenzubasteln. Vor allem aber scheint der Regisseur endlich wieder Freude an seinem Tun gefunden zu haben. Denn Army of the Dead ist genau jenes Produkt, das man sich von Synder erwartet, wenn er sich von den Fesseln großer Studios freimacht, sich ein erklärtes Herzensprojekt erfüllt und als Regisseur-Drehbuchautor-Kameramann-Personalunion einfach drauflosfeuert – und das ist durchaus nicht (nur) negativ gemeint.

Zombie-Action meets Ocean’s Eleven
Schon der Vorspann macht klar, was auf uns in den kommenden rund zweieinhalb Stunden zukommt und auf welche Tonalität wir uns einstellen dürfen/müssen: Zum Cover des unvermeidlichen „Viva las Vegas“ werden wir in ausufernden und gefährlich nahe an der Satire-Grenze befindlichen Slow-Motion-Sequenzen Zeuge davon, wie sich Las Vegas vom Hedonismus- zum Nihilismus-Zombie-Mekka wandelt. Das Blut fließt und spritzt in bester Tarantino-Manier, und man könnte hier den einen oder anderen gesellschaftskritischen Subtext zwischen all den Explosionen, den Leichen und dem Gemetzel erkennen, wenn man vom puristischen Eskapismus nicht schon längst gefangen genommen wäre. Etwas später lassen sich Anspielungen auf die Trump-Kritik in einzelne Szenen interpretieren, aber eigentlich möchte Snyder möglichst weit weg von der Realität und hin zu Neu-Erschaffenem. Also lassen wir das. Für Metaphorisch-Psychologisches á la The Walking Dead ist im Snyderverse kein Platz.

Bald ist von Las Vegas also nur noch Schutt und Asche übrig, die ehemalige Vergnügungs-Stadt per excellence ist vom Rest der Welt abgeschottet. Unter den Überlebenden befindet sich Scott Ward (Dave Bautista), ein ehemaliger Zombie-Kriegsheld, der nun am Stadtrand seines verwüsteten Heimatorts Hamburger grillt. Der Casino-Direktor Bly Tanaka (Hiroyuki Sanada) unterbreitet ihm jedoch ein lukrativeres Angebot: Er soll in die zombieverseuchte Quarantäne-Zone eindringen, um 200 Millionen Dollar aus einem Tresor unter dem Las Vegas Strip zu bergen, bevor die Stadt in 32 Stunden von der Regierung mit einem Atomschlag dem Erdboden gleichgemacht wird. Angetrieben von der Hoffnung, dass die Belohnung eine Versöhnung mit seiner entfremdeten Tochter Kate (Ella Purnell) ermöglichen könnte, nimmt Ward die Herausforderung an und stellt ein äußerst bunt gemischtes Team von Experten, darunter auch der brillante deutsche Safeknacker Dieter (Matthias Schweighöfer), für den Raub zusammen. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um den berüchtigten, einbruchsicheren Tresorraum zu knacken und einer vollkommen neuen Ära von Zombies (die ihren Ursprung in der Area 51 haben!) zu entkommen. Beim größten Raubüberfall aller Zeiten wird mit hohen Einsätzen gespielt und eines ist sicher: Nur der Gewinner überlebt …

Neues Genre-Blut
Army of the Dead ist gekonnter Mix aus Heist-, Action- und Zombiefilm, der allen voran von seiner rauschhaften Bildgewalt (im wahrsten Sinne!) und seinem hohen und vor allem adrenalingesättigten Spektakelfaktor lebt. Die Schauwerte sind hervorragend, das Tempo konstant hoch, das Blutvergießen samt Gore-Einlagen beinahe poetisch. Dazwischen sorgen lässig-hingerotzte und meist durchaus ins Schwarze treffende Gags für gute Laune. Kurz: Snyder macht das von ihm verehrte „Männer-Kino“, immer noch ist das Testosteron bis in den kleinsten Szenenwinkel zu spüren. Das Übertriebene wird zur Kunstform, die Zerstörungswut tänzelnd irgendwo zwischen Melancholie und purem Irrsinn. Und auch die betont diverse Söldner-Truppe macht Spaß, dem Cast ist die Spielfreude anzumerken, die Harmonie passt.

Wirklich bemerkenswert an Army of the Dead ist aber der offensichtliche Ehrgeiz, dem ausgelutschten Zombie-Genre – Achtung, Wortspiel! – neues Blut zu verleihen. Snyder wirft mit großem Genuss sämtliche Zombie-Klischees über den Haufen. Wir bekommen gleich verschiedene Arten von Untoten zu sehen, unter anderem einen weißen Zombie-Tiger (jener von Siegfried und Roy!) und vor allem intelligente und organisierte Alpha-Zombies, denen sogar ein tragischer (Charakter-)Hintergrund gegönnt ist. Martial Arts beherrschen die Zombies obendrein – und sie sehen tatsächlich furchterregend aus. Statt Genre-Satire versucht Snyder also eine Genre-Neu-Kreation. Das funktioniert auf weiten Strecken sogar.

Bei all dem Lob sollte man aber nicht zu sehr abheben, denn Army of the Dead ist am Ende immer noch ein Zombie-Action-Popcorn-Blockbuster und Crowdpleaser, allzu viel Tiefe sollte man sich also nicht erwarten. Das Drehbuch holpert öfters, die Dialoge zwischen den vor Klischees überlaufenden Charakteren sind oberflächlich, der Vater-Tochter-Konflikt allzu forciert, die Twists teils vorhersehbar. Bis der Film richtig an Fahrt aufnimmt, dauert es außerdem rund eine Stunde. Trotzdem: Snyder scheint mit Army of the Dead zu sich zurück gefunden zu haben. Und das ist vielleicht die größte und bemerkenswerte Innovation des Films.

Netflix scheint an den Erfolg von Army of the Dead schon vor seinem Release geglaubt zu haben: Das Prequel Army of Thieves mit Matthias Schweighöfer (der auch Regie führen wird!) ist fixiert. Auch die zugehörige Animations-Serie Army of the Dead: Lost Vegas soll sich bereits in Entwicklung befinden.