Verfilmungen von Spielen sind oftmals ein heikles Unterfangen und künstlerisch oftmals nur bedingt gelungen. Neben der kommerziell erfolgreichen „Resident Evil“-Reihe könnte nun jedoch „Assassin‘s Creed“ für Furore sorgen, bietet der Film bei aller digitalen Technik viele handgemachte Trickeffekte und echte Stunts sowie mit Michael Fassbender einen der vielseitigsten und charismatischsten Akteure der jüngeren Kinogeschichte auf.
Dabei kann die von Justin Kurzel inszenierte, gut 200 Millionen USD teure Produktion als eigenständiger Science-Fiction-Film betrachtet werden. So taucht die von Fassbender verkörperte Hauptfigur, der Kriminelle Callum Lynch, in den Ubisoft-Videospielen bisher gar nicht auf! Er wird in der nahen Zukunft vor einem Tribunal angeklagt, jedoch kurz vor seiner eigentlichen Hinrichtung von einer Firma namens Abstergo Industries, einer Inkarnation des Templerordens, gerettet. Die modernen Templer zwingen ihn zur Teilnahme am sogenannten Animus Projekt, welches ihn mittels eines Computerprogramms in die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar de Nerha eintauchen lässt. Besagter de Nerha war ein Auftragsmörder (ein sogenannter „Assassine“), welcher im 15. Jahrhundert zu Zeiten der Spanischen Inquisition lebte. Durch das virtuelle Erleben von dessen Alltag kann sich Lynch neue Kampftechniken aneignen. Mit Hilfe dieser Fähigkeiten nimmt er es schließlich, wieder im wirklichen Leben angelangt, mit den Mitgliedern des Templerordens auf, welche seit jeher die Feinde der Assassinen darstellen.
Michael Fassbender hatte bis kurz vor Beginn der Dreharbeiten noch nie etwas von „Assassin‘s Creed“ gehört. Dennoch haut er sich voll in die Rolle rein und glänzt auch bei den Martial-Arts-Einlagen. Gegen ihn bleibt Marion Cottilard als etwas zombiehaft aussehende Wissenschaftlerin und Tochter des Obersten Templers (Jeremy Irons) ungewohnt blass, obwohl sie ja schon ein Jahr zuvor mit Fassbinder, Kurzel und auch Kameramann Adam Arkapaw bei Macbeth zusammengearbeitet hatte. Auch die übrige Besetzungsliste weist für eine Spiele-Adaption ungewöhnlich viele Charakterdarsteller auf – vom wahrlich gewichtigen Brendan Gleeson bis zu Charlotte Rampling. Eigentlich beruhigend, dass der Computerzauber gegen sie den kürzeren zieht, zumal die Anfangssequenz mit dem Flug eines am Rechner erstellten Adlers wie aus der CGI-Steinzeit anmutet.
Assassin´s Creed ist immer dann stark, wenn der Mensch der Technik ein Schnippchen schlägt. Die Verfolgungsjagden sind besser als bei so manchen James-Bond-Filmen. So hat Damien Walters den höchsten freien Fall eines Stuntmans seit Jahrzehnten absolviert, als er aus 38 Metern in die Tiefe sprang. Der auf Malta, in Spanien sowie der „007 Stage“ der bei London gelegenen Pinewood Studios gedrehte Film überzeugt auch durch die authentisch ausgestatteten (historischen) Sets. Den pulsierenden Soundtrack zum philosophischen CGI-Action-Spektakel steuerte Justin Kurzels älterer Bruder Jed bei.
Vom Killer zum Opfer
Der deutsch-irische Filmstar Michael Fassbender, geboren 1977 in Heidelberg, über die Leinwandadaption des Computerspiels „Assassin’s Creed“, über Quentin Tarantino, gefährliche Stunts und die neue Ausländerfeindlichkeit.
Sie sind inzwischen weltweit einer der gefragtesten und beliebtesten Schauspieler. Doch aller Anfang ist bekanntlich schwer. Stimmt es, dass Sie in der irischen Kleinstadt Killarney, wo Sie aufgewachsen sind, mit 18 Jahren als bekennender Quentin-Tarantino-Fan eine Bühnenversion seines Filmdebüts Reservoir Dogs inszenierten und selbst die Rolle des Mr. Pink übernahmen?
Sie sind ja gut informiert! Es stimmt. Ich bin zwar im schönen Heidelberg als Sohn eines deutschen Vaters und einer irischen Mutter geboren, habe aber meine Kindheit und Jugend im südwestlichen Irland verbracht. Meine „Reservoir Dogs“-Variante im 13.000 Einwohner zählenden Städtchen Killarney geschah aus purer Naivität, ungebremstem Enthusiasmus und war eine nützliche Lehrstunde für mich als schauspielerischen Nobody. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, worauf ich mich da einließ und das sah man auch der recht kruden Inszenierung an. Zum Glück war Quentin nicht unter den Zuschauern, aber vielleicht hätte ihm sogar diese kreative Form des Dilettantismus sogar gefallen. Indirekt war es dennoch meine Bewerbung für das Mitwirken bei Inglourious Basterds.
Wie das?
Bei der Besetzung für Inglourious Basterds hatte er mich auf dem Schirm, weil ich ja inzwischen schon etwas bekannter war. Er suchte jemanden für die Rolle des Alliierten-Lieutenant Archie Hicox, der Deutsch sprechen musste, sich aber unter anderem durch seinen englischen Akzent bei den Nazis verrät. An sich war Simon Pegg vorgesehen, doch der war wegen eines anderen Films verhindert. Meine Chance! Ich habe mich gar nicht getraut, Quentin von meiner missratenen „Reservoir Dogs“-Inszenierung zu erzählen. Umso überraschter war ich, als er mir bei einer Drehpause sagte, dass er schon im Vorfeld über mehrere dunkle Kanäle davon erfahren hätte und dies sicher nicht zu meinem Nachteil gewesen sei. Ich glaube, ich bin rot geworden, was an sich nicht so leicht passiert.
Wir sprechen Englisch miteinander. Warum nicht Deutsch?
Weil ich die Sprache meines Vaters nur im betrunkenen Zustand fließend kann. Nein, Scherz beiseite. Mit einem meiner Cousins spreche ich Deutsch, aber wirklich mehr schlecht als recht. In Irland bemühten sich meine Eltern darum, dass ich es nicht verlerne, doch damals hatte ich andere Sachen im Kopf, wofür ich mich heute etwas schäme.
„Frank“, „Macbeth“ und „Steve Jobs“. Das allein sind nur die von Ihnen verkörperten ambivalenten Titelhelden der letzten zwei Jahre. Dazu gehobenes Popcorn-Kino als Mitstreiter der „X-Men“, anspruchsvolle Rollen bei Regisseur Steve McQueen bei „Hunger“, „Shame“ und „12 Years a Slave“ und eine phantastische Hommage an Peter O´Toole ausgerechnet als Androide in „Prometheus“. Wie gehen Sie mit ihrem mittlerweile zementierten Starstatus um?
Ich würde sagen, so normal wie möglich, denn es hat sich nicht wirklich etwas bei mir geändert. Ich will weiterhin soviel als Schauspieler lernen wie möglich und mit den besten Regisseuren arbeiten. Alles andere – von den besseren finanziellen Möglichkeiten bis zur Anerkennung durch das Publikum – ist angenehmes Beiwerk. Natürlich ist es auch ein Privileg, nicht mehr alles machen zu müssen, sondern sich die Angebote aussuchen zu können.
Und nun verkörpern Sie in der Videospielverfilmung „Assassin´s Creed“ eine Rolle, die extra für Sie erfunden wurde!
Ja, den Mörder Callum Lynch gibt es in der Ubisoft-Spielreihe gar nicht. Der Part ist absichtlich für das Medium Film entwickelt worden. So erreicht man Leute, die das Spiel lieben, aber auch solche, die es gar nicht kennen.
Sind Sie selbst ein Spieler und haben Sie „Assassin´s Creed“ zur besseren Vorbereitung auf Ihre Rolle gespielt?
Ich bin kein Spieler. Ich habe „Assassin’s Creed“ nur einmal gespielt, als ich frisch an Bord der Filmproduktion kam, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was die Jungs von Ubisoft für eine eigene virtuelle Welt damit kreiert haben, und auch deshalb, um zu verstehen, wie sich die Assassinen auf dem Parcours bewegen und wie sie töten. So: Yes, but not! (lacht)
Die meisten cineastischen Spiele-Adaptionen sind bisher bei Publikum und Kritik auf Ablehnung gestoßen, wenn man von rühmlichen Ausnahmen wie den im Inneren eines gigantischen Master-Control-Programms spielenden „Tron“ absieht, wo das Game aber erst lange nach dem Filmrelease auf den Markt gebracht wurde. Was hat Sie an dem Projekt gereizt?
Wie auch bei allen anderen Filmen zuvor das Drehbuch! Es bietet einen perfekter Mix aus Unterhaltung, Action-Szenen, wie gewisse Personen mit Macht umgehen oder sie gar manipulativ benutzen und dem ethischen Anliegen, den Menschen ihren freien Willen zu lassen. Es geht in den Film vor allem darum, wie man ein genetisches Gedächtnis aufbauen kann. Ich traf auch die Heads von Ubisoft, und sie erklärten mir dieses Anliegen wie eine wissenschaftlicher Theorie, die man zum Guten, aber auch leider auch zum Bösen nutzen kann. Bei „Assassin´s Creed“ gibt es die Templer, die sich für die Auserwählten halten, eine rigide Law-&Order-Politik praktizieren und die Wissenschaft für ihre Belange missbrauchen. Der kurz vor seiner Hinrichtung stehende Mörder Callum Lynch wird scheinbar von der Firma Abstergo Industries gerettet. Doch in Wirklichkeit trifft er kaum ein besseres Los. Mittels einer Maschine namens Animus durchlebt und durchleidet er die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar de Nerha, einem Mitglied der Assassinen zur Zeit der Spanischen Inquisition, um den sagenumwobenen Apfel aus dem Garten Eden zu finden, von dem sich die Templer Allmacht versprechen. Ein Killer, der zum Opfer wird – das war für mich die schauspielerische Herausforderung! Und es war natürlich auch schön, nach Macbeth erneut mit Regisseur Justin Kurzel und meiner sehr geschätzten Kollegin Marion Cottilard zusammenzuarbeiten.
Sie spielen sehr körperbetont und ließen Ihr Double nur in Ausnahmesituationen ran. Waren die Actionszenen manchmal gefährlich für Sie?
Trotz der CGI-Effekte legten wir wert darauf, dass großteils in Old-School-Manier gedreht wurde. Wir waren ja nicht nur im Londoner Studio, sondern ebenso an Originalschauplätzen auf Malta und in der spanischen Hafenstadt Almería, wo schon Sergio Leone seine Italo-Western inszenierte. Ich bin froh, dass der wirklich phantastische Damien Walters den sogenannten „Todessprung“ für mich übernommen hat. Es handelt sich hierbei um den höchsten freien Fall eines Stuntmans seit 35 Jahren. 38 Meter stürzte er in die Tiefe auf ein Luftkissen. Einmal kam er falsch auf und verletzte sich dabei leicht. Das hätte ich sicher nicht gepackt. Für mich war es nicht wirklich gefährlich. Es gibt natürlich immer ein minimales Restrisiko. Wir Schauspieler werden im Fitnessstudio gut präpariert, um die physischen Vorraussetzungen zu erhalten, um solche an Action reiche Dreharbeiten durchzustehen. Es wird alles nur Erdenkliche für unsere Sicherheit getan. Wir sind verkabelt, damit uns nichts passiert, wenn wir beispielsweise auf Hochhäusern herumturnen.
In dem Film reisen Sie in die Erinnerungen eines Ihrer Vorfahren zurück. Gibt es eine historische Figur oder ein bereits verstorbenes Familienmitglied, in dessen Erinnerungen Sie eintauchen möchten?
Jesus Christus! Er ist zwar kein Verwandter von mir, oder vielleicht doch, weil er ein Verwandter von uns allen sein könnte.
Bei „Assassin‘s Creed“ werden Attentäter zu Freiheitskämpfern. Unsere Welt wird vom globalen Terror determiniert. Dadurch entsteht in vielen westlichen Ländern, aber auch ehemaligen Ostblockstaaten eine neue Ausländerfeindlichkeit. Donald Trump hat als designierter US-Präsident angedroht, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko errichten zu lassen. Glauben Sie, das es für Sie als deutsch-irischer Schauspieler in Hollywood fortan schwerer wird?
Die sogenannte neue Ausländerfeindlichkeit gibt es ja nicht nur in den USA, sondern auch leider hier in Europa, wie Sie schon sagen. Traurig genug, dass einige von diesen Leuten, die Angst und den Hass benutzen, um Leute aufzuhetzen, jetzt sogar schon an der Macht sind. Das erinnert einen fatal daran, was bereits vor über 70 Jahren passiert ist. Als Künstler sollten wir immer für das Recht auf Selbstbestimmung eintreten, egal welche Regierung an der Macht ist. Die meisten von uns sind doch nicht vom Geld getrieben, sondern von Träumen, wie Kreativität uns aus der Dunkelheit führen kann.