Die normale Seltsamkeit des Alleinseins
Eine junge Frau zieht in ein Haus im Grünen. Nach und nach und mit den Tagen und Nächten erschließt sie sich dessen Innenleben und Einrichtung. Im nahezu quadratischen (1,33:1), farbenfroh körnigen Bild sind dabei hautnah ein leise neugieriger Kopf und mit Gegenständen hantierende Hände zu sehen. Das Haus, wir sehen es nie ganz, ja nicht einmal ein ganzes Zimmer ist zu durchblicken. Das erste gesprochene Wort kommt aus dem alten, aber funktionstüchtigen Fernsehgerät. Als die Zeit schon wie eingefroren scheint — trotz offensichtlich heißer, ermattender Sommertage —, kommt doch Bewegung in die Szenerie: Beatrix bekommt Besuch von einer Freundin. Dass der junge Mann an deren Seite eher nicht mit Begeisterung eingeladen worden ist, lässt ihn die Gastgeberin spüren. Bei Spaghetti am nächtlichen Gartentisch und bodenlosem Rotweingenuss wird aus anfänglich unangenehmster Stille rasch ein heiterer Abend — für zwei Drittel der Anwesenden zumindest.
Weiter geht es weniger unbeschwert; zwischen Hausarbeit und Telefonaten kriecht Leere ins Gemüt. Zwar bietet dann irgendwann eine neue Untermieterin Beatrix die Chance, sich zu öffnen, doch war sie überhaupt einsam gewesen? Das wird ebenso wenig beantwortet wie die Frage, wie(so) das Haus überhaupt nun ihres zu sein scheint. Vielmehr fangen Milena Czernovsky und Lilith Kraxner Dinge ein, die sich leicht einer einheitlichen Definition entziehen: das Nichts-Fühlen, das Unbeobachtete, die Depression. Anti-spektakulär, verschroben, punktgenau treffend und einem cineastischen Blick Freude bereitend, gelingt es den Filmemacherinnen, alltäglichste, scheinbar unwichtige Dinge faszinierend aussehen zu lassen. Gegen die Banalität dieser Dinge will Beatrix auch gar nicht argumentieren, im Gegenteil blüht in Ereignissen mit Toasterkabel und Staubsaugerbeutel das Schöne des Banalen regelrecht auf. Das ist auch deshalb nie langweilig, weil die Inszenierung und das sehr physische Spiel im Grunde mit einer klaren Logik vorwärts mäandern: Der Körper, der Neues entdeckt, nimmt das Unbekannte so lange ein, bis er, der Körper, sie, die Entdeckerin, selbst entdeckt werden kann.
Filmen mit klarer Ablehnung gegen visuelle und inhaltliche Fiktions-Konventionen, wie Beatrix einer ist, wird gerne schnell das Attribut der Radikalität verliehen. Auch, weil sie naturgemäß die Publikumsgemüter spalten; manche werden hier staunen, lachen und berührt sein, manche nur den Kopf schütteln. Bei aller Experimentierfreude ist Beatrix doch — und das im besten Sinne — „nur“ radikal darin, völlig unbeirrt einen klaren ästhetischen Weg zu finden und konsequent zu gehen, simultan elegant, leichtfüßig und streng. Will man für einen Augenblick den Jeanne–Dielman-Vergleich denken, erkennt man sofort: Ja; aber ganz anders und ohne tödliche Scherenstiche. Dafür mit Teletext im Vollbild und mit Plastikfoliengugelhupf.