Leslie O’Brien: Was hat sie an diesem Film besonders gereizt?
Sam Mendes: Nachdem ich bei meinen beiden ersten Filmen den Schwerpunkt besonders auf die formale Komposition gelegt hatte, entschied ich mich, bei Jarhead einen ganz anderen Zugang zu versuchen. Nach Road To Perdition habe ich zwei Jahre ausgesetzt und beschlossen, einen neuen Ansatz zu versuchen. Als ich das Buch las, war ich sofort begeistert. Ich kam bald zur Ansicht, dass die filmische Adaptierung am besten funktionieren könnte, wenn man nicht mit fixen Ideen und fertig entwickelten Konzepten an das Projekt heranginge. Der Film mit all seinen surrealen und komischen Elementen sollte sich nach und nach entwickeln können und nicht bereits im Planungsstadium bis ins Detail festgelegt sein. Ich habe mich vor allem an großen Kriegsfilmen, etwa Deer Hunter und anderen bekannten Vietnamfilmen, orientiert, weniger an der formalen und dramaturgischen Gestaltung dieser Filme, sondern vor allem im Hinblick auf Atmosphäre und das bestimmte Feeling, das diese Filme auszeichnet.
Legen Sie zwischen Ihren Filmen absichtlich längere Pausen ein?
Regisseure wie Spielberg und Soderbergh drehen Film auf Film, manchmal sogar zwei pro Jahr. Das kann ich nicht. Für Jarhead musste ich mich in eine Welt begeben, über die ich absolut nichts wusste. Ich musste sechs Monate an Recherchearbeit aufwenden, um die Gedankenwelt der Marines entsprechend zu erforschen. Auch die Dreharbeiten haben eine längere Zeit in Anspruch genommen. Das war alles ziemlich zeitaufwändig, also schien es mir vernünftig, vorher eine Pause einzulegen.
Wie haben Sie den militärischen Hintergrund recherchiert?
Ich habe mit einer Reihe von Marines ausführliche Gespräche geführt, auch während der Dreharbeiten habe ich mich von ehemaligen Marines beraten lassen, wobei mein Chefberater Jim Diva eine besonders wichtige Rolle gespielt hat. Einige dieser Leute fungieren regelmäßig als Militärberater für Hollywood, aber zumeist für historische Stoffe wie Saving Private Ryan oder Windtalkers. Diesmal sah die Sache etwas anders aus, denn Jarhead spielt in einem Krieg, an dem sie selbst teilgenommen hatten. Meine Militärberater hatten also nicht nur die Aufgabe, den Schauspielern beizubringen, sich wie Marines zu verhalten, sondern ich konnte sie auch jederzeit fragen, ob unsere Sets auch entsprechend authentisch wirkten.
Warum sehen wir keine Filme über den aktuellen Irak-Krieg?
Ich glaube, das hat etwas mit immer schneller um sich greifenden Veränderungen zu tun. So hat etwa die Produktion von Jarhead eineinhalb Jahre gedauert. In dem Zeitraum, den man braucht, um einen Film fertig zu stellen, hat sich die Weltlage schon wieder komplett verändert. Auch Apocalypse Now wurde erst Jahre nach Ende des Vietnamkrieges gedreht, ebenso Full Metal Jacket. Warum gab es 1969 keinen Film über Vietnam? Meiner Meinung nach braucht man einfach Zeit, um die Dinge zu verarbeiten und sie richtig einordnen zu können. Es ist schon schwierig, einen Film über den Golfkrieg von 1991 zu machen, weil über dessen Bewertung noch lange kein Konsens herrscht. Im Fall von Vietnam ist das anders, da herrscht im Großen und Ganzen Einigkeit darüber, dass das ein mieser Krieg war. Und es bilden sich natürlich auch Meinungen zum Irak-Krieg.
Wie ist Ihre Meinung dazu?
Ich denke, wir sollten nicht dort sein, aber das hat nichts mit meinem Film zu tun, denn Jarhead dreht sich um die „Operation Desert Storm“. Viele Menschen hoffen auf ein paar griffige Zitate meinerseits zum Thema Irak-Krieg, aber das würde Jarhead nicht gerecht werden. Die besten Kriegsfilme handeln von der Sinnlosigkeit des Krieges selbst, dieser Krieg ist so sinnlos wie ein Krieg nur sein kann, aber mir geht es vor allem um ein allgemeingültiges Statement, nicht um einen bestimmten Krieg an sich. Jarhead ist ein Film, der hoffentlich auch noch in 20 Jahren funktioniert, wenn kein Mensch mehr durch die aktuelle politische Stimmung beeinflusst sein wird. Alle wirklich bedeutenden Kriegsfilme haben ein eher offenes Ende.
Wie kam es zu dem spezifischen Blickwinkel, aus dem Jarhead erzählt wird?
Ich dachte von Anfang an, der Film könnte gut funktionieren, wenn man ihn aus einer sehr subjektiven Sicht erzählt, sich auf diese Perspektive beschränkt, auch, was das visuelle Konzept betrifft. Wenn man in großen, offenen Räumen wie der Wüste arbeitet, ist der erste Reflex, mit Totalen zu arbeiten. Es hat mich Überwindung gekostet, konsequent bei der Perspektive der Hauptfigur zu bleiben, aber ich wollte, dass der Zuschauer durch diese Einschränkung der Perspektive das frustrierende Warten spürbar nachvollziehen kann. Das war eine gefährliche Gratwanderung, aber dieser Krieg war eben frustrierend, und der Zuschauer sollte dieses quälende Warten nachempfinden können.
Ist ein Kriegsfilm mit nur einem Toten nicht eigentlich paradox?
In gewisser Weise schon, aber ich war mir immer bewusst, dass Jarhead ein existenzialistischer Kriegsfilm werden würde, der zeigt, wie man Soldaten für einen Einsatz trainiert, der dann in dieser Form nicht stattfindet. Actionszenen gibt es in Jarhead nicht. Der Film handelt vom Golfkrieg, und dabei gab es solche Gefechte eben nicht. Das ist auch eine Frage der eigenen Erwartungshaltung. Wenn man ein psychologisches Drama erwartet, wird man von Jarhead fasziniert sein, wenn man sich spektakuläre Schlachten erwartet, eher nicht.