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Bedrohung im Schatten / Mains armées

| Alexandra Seitz |

Spannender Polizeifilm mit Tiefgang

Mit französischer Eleganz, psychologischem Tiefgang und narrativer Komplexität geht es zu in dem Polizeifilm Mains armées, der zugleich ein Familienfilm ist. Routiniert inszeniert von Pierre Jolivet nach einem gemeinsam mit seinem langjährigen Kollaborateur Simon Michaël verfassten Drehbuch.
Lucas ist Mitte 40, ein stolzer Mann, ein effizienter Polizist, schweigsam, schnell, eigensinnig und ökonomisch. Er ist der Chef einer Einheit, die im Waffenschieber-Milieu Marseilles ermittelt. Maya ist 25 und arbeitet in Paris bei der Drogenfahndung, sie ist das Mädchen für alles und die Beute ihres Vorgesetzten. Sie ist jung, unerfahren und leidenschaftlich. Beide wirken auf unbestimmte Weise verhärtet, angespannt, als laste auf ihnen eine alte Schuld, oder als litten sie an einer nicht verschlossenen Wunde.
Als die Wege der Waffen Lucas und seine Mannen von Marseille nach Paris und in die dortige Drogenhändler-Szene führen, sucht der den Kontakt zu Maya. Aha, denkt man, die ehemalige Geliebte! Doch für eine simple, gekränkte Liebe ist Mayas Verhalten beim Zusammentreffen zu widersprüchlich: verhalten entgegenkommend einerseits, hochnervös ablehnend andererseits. Maya – das stellt sich dann endlich doch heraus – ist Lucas’ Tochter. Lucas hat sie und ihre Mutter sitzen lassen. Er sei zu jung für die Vaterschaft, fand er seinerzeit. Doch das Kind hat ihn nie losgelassen. Und er nicht das Kind. Reue und Rache bestimmen das wechselseitige Verhältnis.
Nun, nach Jahren der Funkstille, bringen die gemeinsamen Ermittlungen in dem sich als durchaus undurchsichtig und unübersichtlich erweisenden Waffenhandel-, Drogenschmuggel- und bald auch Korruptionsfall den Vater und die Tochter zusammen. Zwar sind sie einander zutiefst fremd, doch sehnen sie sich – endlich! – nach Annäherung. Die dann jedoch vor allem deswegen nicht richtig gelingen will, weil andauernd gearbeitet, ermittelt, verschworen und betrogen werden muss. So wird der Job zu einer Möglichkeit, all das Unausgesprochene zu sublimieren. Und selbstverständlich beginnt damit die Arbeit am Fall zwischen mit- und gegeneinander zu schwanken. Die Verquickung von beruflicher und familiärer Ebene – und damit eine letztlich tragische Dimension – ergibt sich in Mains armées zwanglos aus dieser narrativen Doppelstruktur. Alle sind permanent in Bewegung, alle stehen unter Strom. Ein Funke, der überspringt, auch wenn unklar ist, was er zündet.