Ein Außenseiter flüchtet in die virtuelle Welt eines Computerspiels – und lässt sich fortan nichts mehr gefallen.
Ben (Greg Timmermans) ist nicht so wie andere Schüler. Scheu, verschlossen, in sich gekehrt. Kaum einmal, dass er mit seiner Mutter spricht, von Körperkontakt ganz zu schweigen. Ben leidet an einer leichten Form von Autismus, Asperger Syndrom genannt. Das macht ihn in seiner Schule, trotz hervorragender Noten, zum Außenseiter. „Frankenstein“ und „Marsmensch“ sind noch die nettesten Beschimpfungen, die er sich von seinen Mitschülern gefallen lassen muss.
Ben findet sich in dieser Welt nicht zurecht, dar-um flüchtet er sich in eine andere. Bei dem Onlinespiel Archlord tritt er mutig und kampfversiert seinen Widersachern entgegen und übersteht mühelos zahlreiche Gefahren. Scarlite (Laura Verlinden), so der Nickname einer unbekannten Mitspielerin, ist beeindruckt. Ob man sich mal treffen wolle, fragt sie im Chat. Doch bevor es soweit ist, erniedrigen zwei Mitschüler den armen Kerl und stellen ein beschämendes Video von ihm ins Internet. Ben muss endlich lernen, sich zu wehren …
Autismus, Mobbing in der Schule und Computerspiele als Lebensersatz – der belgische Schriftsteller Nic Balthazar verbindet in seinem Regiedebüt – basierend auf seinem eigenen Jugendbuch Nichts war alles, was er sagte – drei schwierige Themen zu einem phantasievollen, originellen Film, der seine beiden Erzählebenen – Realität auf der einen Seite, Virtualität auf der anderen – kongenial verknüpft, auch tricktechnisch: Sehenswert, wie Bens Gesichtszüge in das Online-Game (das es übrigens wirklich gibt) integriert sind.
Der Film wird konsequent aus der Sicht Bens erzählt, der Zuschauer erlebt das, was Ben erlebt. Darum bleibt man auch lange Zeit darüber im Unklaren, ob Scarlite wirklich existiert. Denn nur Ben kann sie sehen. Ein imaginiertes Alter ego, das ihm erst Mut und Kraft gibt. Mitunter strapaziert Balthazar so die Glaubwürdigkeit seines Films, weil er Ben als hochintelligenten, logisch denkenden Schüler eingeführt hat. Wie dem auch sei: Neben den phantastischen Elementen funktioniert Ben X vor allem als beklemmendes Drama, in dem psychologische und soziale Probleme thematisiert werden: die geschiedene Mutter, die gemeinen Mitschüler, die unsensiblen Ärzte. Greg Timmermans verkörpert mit hängendem Kopf, fallenden Schultern und unbewegtem Gesicht perfekt den introvertierten Jungen, der erst in der virtuellen Welt zu leben beginnt. Das Happy-End, eine Hommage an die Kraft der bewegten Bilder und somit an das Kino, ist darum nur folgerichtig.