ray Filmmagazin » Filmkritiken » Blue Valentine
Blue Valentine

Filmkritik

Blue Valentine

| Ines Ingerle |

Michelle Williams und Ryan Gosling brillieren in einem großartigen Beziehungs-Drama.

Die Ehe von Cindy (Michelle Williams) und Dean (Ryan Gosling) ist ein Trümmerhaufen. Beide lieben ihre kleine Tochter Frankie, aber die Liebe zueinander scheint, wenn überhaupt, nur noch minimal vorhanden zu sein. Cindy arbeitet als Krankenschwester und kümmert sich um den Haushalt. Ihr Alltag ist stressig und anstrengend, während Dean als Maler und Anstreicher einen gelassenen Lebensstil pflegt. Seine Prioritäten liegen bei seiner Familie, er strebt nicht nach Höherem, indem er versucht, seine vielfachen Talente zu entfalten. Cindy allerdings interpretiert diese Einstellung als ambitionslos. Je mehr Dean versucht, ihr nahe zu sein und die Ehe zu retten, umso mehr entfernt sie sich von ihm. Was einst als märchenhafte Idylle begann, ist zu einem emotionalen Alptraum geworden.
Blue Valentine ist ein schier wundervoller Film. Regisseur Derek Cianfrance erzählt im Wechsel zwischen Gegenwarts- und Vergangenheitssequenzen eine Geschichte über zwei Menschen, ihre Liebe zueinander und die Tatsache, dass die Zeit unser Leben und unsere Gefühle oft auf schmerzhafte Weise verändert. Kameramann Andrij Parekh ist dabei stets nah an den Charakteren und fängt die vielen kleinen Nuancen im Umgang miteinander ein. Die mit Handkamera auf 16mm-Film gedrehten Vergangenheitssequenzen drücken die unbegrenzten Möglichkeiten, die Unbefangenheit und Leichtlebigkeit der Protagonisten aus. Man fühlt die Magie, die die beiden umgibt, und spürt die ungeheure Liebe, die sie verbindet.
Umso mehr schmerzt es, sie ein paar Jahre später als sich fremd gewordene, aufgrund unterschiedlicher Erwartungen enttäuschte Menschen gegenüberstehen zu sehen. Digitale Red-Kameras mit Teleobjektiven, die erdrückende Closeups liefern, zeigen die Gegenwart als klaustrophobe Welt, in der Cindy und Dean gefangen sind und keinen Ausweg finden. Interessant ist auch das Spiel mit der Zeit und deren Dar- und Gegenüberstellung. Die Gegenwart läuft beinahe in Echtzeit ab, während sich die vergangenen Momente über einige Monate erstrecken und somit wie eine Art Langzeiterinnerung wirken. Vergangene unscheinbare Momente bekommen in der Gegenüberstellung zur Gegenwart auf einmal entscheidende Bedeutung. Blue Valentine ist ein mit außergewöhnlichem Feingefühl und Liebe zum Detail inszenierter Film, dessen Einzigartigkeit in den bemerkenswerten schauspielerischen Leistungen von Michelle Williams (oscarnominiert für diese Rolle) und Ryan Gosling seine Vollendung findet. Herzzerreißend und herzerwärmend, wundervoll und schrecklich, schön und hässlich. Einfach alles – und davon das Meiste.