Beeindruckender Dokumentarfilm über einen beeindruckenden Mann.
Stanisław Zalewski wird am 1. Oktober 99 Jahre alt. Wer ihn – in persona oder in diesem Film – sieht, würde das nicht für möglich halten, so vital, geistig und körperlich fit ist der alte Herr. Als 18-Jähriger, im Jahr 1943, wurde Zalewski in Warschau verhaftet, weil er mit einer Gruppe Gleichgesinnter ein Symbol des polnischen Widerstandes gegen die Nazi-Invasion an eine Wand gemalt hatte. Nach einem Verhör durch die Gestapo im berüchtigten Pawiak-Gefängnis kam er nach Auschwitz-Birkenau und musste mitansehen, wie jüdische Menschen, zum Großteil, ohne zu wissen, was ihnen bevorsteht, von SS-Schergen in die Gaskammern geführt wurden.
Als junger, kräftiger Mann musste Zalewski schwere körperliche Arbeit leisten, wobei er, wie er selbst sagt, des Öfteren unter der Anstrengung fast kapituliert hätte, kein Wunder bei der katastrophalen Ernährung und der unmenschlichen Behandlung. Später wurde er ins Lager Gusen in Oberösterreich gebracht, wo die Nazis noch in den letzten Kriegsmonaten Häftlinge zwangen, in einem unterirdischen Stollen Kriegsmaterialien herzustellen. Die Zustände im Lager waren barbarisch. In den ersten Tagen des Mai 1945 waren plötzlich alle Wachen verschwunden, und es hieß, der Krieg sei vorbei. Eindringlich schildert Zalewski die ersten Tage der „Freiheit“, die viele Häftlinge, die an ihren sicheren Tod geglaubt hatten, schlicht überforderte. Gusen galt lange Zeit als „Nebenlager“ von Mauthausen, während es in Wahrheit die Hölle auf Erden war. Lange Zeit wurde das kaum wahrgenommen bzw. totgeschwiegen; erst in den letzten 20 Jahren begann die „Erinnerungskultur“ auch hier Einzug zu halten.
Stanisław Zalewski ist seit vielen Jahren unermüdlich als „Botschafter des Erinnerns“ unterwegs, er spricht bei Gedenkveranstaltungen (wie etwa jährlich am Tag, an dem die Befreiung von Auschwitz gewürdigt wird), bei Konferenzen und vor allem mit jungen Leuten, in Schulen und Bildungseinrichtungen. Und immer warnt er eindringlich davor, sich auf die Vergangenheit zu beschränken und die Augen vor den aktuellen Entwicklungen in Europa zu verschließen. Ihm dabei zuzusehen und zuzuhören, ist ein Ereignis, und Regisseurin Magdalena Żelasko, langjährige erfolgreiche Leiterin des LET’S CEE-Filmfestivals in Wien, hat die weise Entscheidung getroffen, den Film ganz auf Herrn Zalewski und seine Erzählungen zu fokussieren, wodurch der Film eine geradezu atemberaubende emotionale Wucht bekommt. Gerade, wenn gegen Schluss die heimischen Zelebritäten – von Nehammer über Sobotka bis hin zu Michael Ludwig – ins Bild und zu Wort kommen, ist man dankbar für Zalewskis weise Abgeklärtheit. Ein eindrückliches Dokument.