Nach mehr als 20 Jahren hat Nintendo seiner bunten Fotosafari einen Nachfolger spendiert. Zwölf neue Strecken warten in New Pokémon Snap auf motivhungrige Fotografinnen und Fotografen. Reine Nostalgie oder das gelungene Weiterdenken eines Nintendo 64-Klassikers?
Viele haben darauf gewartet, nun wurde es endlich wahr: es geht wieder auf Pokémonjagd! Aber anders, als man es von der Hauptreihe gewohnt sind. Bei (New) Pokémon Snap fängt man die wildlebenden Exemplare von Pikachu & Co. lediglich mit der Kameralinse ein und sucht nach dem besten Motiv statt nach dem stärksten Kämpfer. Anzutreffen in ihren natürlichen Lebensräumen, zeigen die Pokémon verschiedenste Verhaltensweisen, müssen hervor- und weitergelockt werden und sorgen dabei für allerhand besondere Momente.
Auftraggeber der diversen Fotoreihen ist Professor Mirror. Er erforscht in der Region Lentil neben den Gewohnheiten der niedlichen Tierwesen auch ein seltenes Phänomen. Bestimmte Pokémon haben offenbar die Fähigkeit einer besonderen Biolumineszenz und sind darüber hinaus Teil einer alten Legende. Um dieser auf die Spur zu kommen, braucht es Pokémon-Fans mit gutem Auge. Unterstützt von den Nachwuchskräften Rita und Phil und dem wohlbekannten Todd, der im ersten Pokémon Snap von 1999 der Protagonist war, ist die Truppe komplett. Es geht auf Fotosafari!
Den Start macht ein beschaulicher Naturpark, und schnell wird klar, worum es geht. In einem Gefährt namens Neo-One sitzend, erleben wir die Strecken von einer festgelegten Position aus. Dabei können wir uns mit einem Rundumblick umsehen, im weiteren Verlauf auch Äpfel und leuchtende Lumina-Kugeln werfen, eine Pokéflöte spielen oder die Umgebung scannen. Alles, um Pokémon aus ihren Verstecken oder zu besonderen Posen zu bewegen.
Neben von damals bereits bekannten, aber vollkommen anders aufgemachten Kulissen wie dem Strand oder der Höhle gibt es noch viele weitere Gebiete zu durchstreifen, etwa die sengende Wüste oder ein Riff inklusive Tauchgang. Neu ist, dass die Strecken sich verändern. Auch früher gehörte es dazu, die Routen mehrfach abzufahren und durch Interaktionen Wege freizuschalten. Das wurde in New Pokémon Snap auf eine neue Ebene gehoben: Fast alle Kulissen beinhalten zusätzliche Abzweigungen, die Pfade hinzufügen und einen neue Orte erkunden lassen. Acht der zwölf Strecken kann man außerdem im Nachtmodus spielen, die natürlich auch weitere Pokémon bereithalten. Nochmals unterteilt wird durch nach Erfahrungspunkten ansteigende Levels: Die Tagstrecken haben drei, die Nacht- und Luminastrecken zwei. Je mehr Punkte man jeweils zusammenbekommt, desto zutraulicher werden die Pokémon. Auch das verändert ihr Verhalten oder die Interaktionen mit der Umgebung – und steigert damit die Chance auf den besten Schnappschuss!
Wen man vor die Linse bekommt, war sicher keine leichte Wahl. Damals gab es gerade einmal 151 Pokémon, von denen weniger als die Hälfte im Spiel zu finden war – heute gibt es bereits 898 Möglichkeiten. Natürlich wurde bunt gemixt, damit auch jede der nunmehr acht Generationen vertreten ist. Die Grafik ist, egal ob im Handheld- oder TV-Modus der Nintendo Switch gespielt wird, angenehm und aufs Wesentliche konzentriert. Nach der zigsten Fahrt auf den Strecken fallen vor allem die Hintergründe und Bodenstrukturen als recht statisch auf. Doch die Hauptrolle spielen die Pokémon, und denen wurde sehr viel Liebe fürs Detail geschenkt, während Nintendos Fokus auf kindliche Umsetzungen eindeutig hervortritt.
Was die Schwierigkeit angeht, zeigt sich New Pokémon Snap zwiegespalten. Der gute Professor Eich war im Vorgänger 1999 recht streng. Ein Pokémon, das nicht gut zu erkennen oder gar mit dem Rücken zur Kamera gewandt war, wurde – zurecht, wenn man an reale Bedingungen denkt – kritisiert. Professor Mirror ist da durchaus gnädiger: Es regnet geradezu Punkte, was gerade für jüngere Fotofans sehr dankbar ist. Die Wertung teilt sich dabei in Pose, Größe, Blickrichtung, Positionierung, weitere Pokémon und Hintergrund auf, was komplex klingt, aber nicht immer ganz nachvollziehbar ausgewertet wird. Das kann mitunter frustrierend sein, wenn man etwa eine tolle Pose aufs Foto bekommt, dann aber der langweiligere Schnappschuss der beste seiner Reihe bleibt, weil das Motiv dort besonders groß ist. Ein technisches Problem scheint außerdem der Fokus zu sein. Sind mehrere Pokémon auf einem Bild zu sehen, ist schwer zu sagen, welchem die Fotos am Ende zugeteilt werden. Das geht so weit, dass versteckte Motive zählen, die man auf den Bildern nicht einmal erahnen kann, während das riesige, auffällige Etwas im Vordergrund ignoriert wird. Serienaufnahmen sind hier die Lösung, wenn auch nicht immer.
Für Leute, die gerne tüfteln, bringen die unterschiedlichen Situationen und ihre Herbeiführung die Wendung beim Anspruch des Spiels. Jedes Pokémon hat nicht nur einen, sondern vier Einträge im Fotodex. Vom normalen, neutralen Abbild bis hin zu besonderen Aktionen, die auf bestimmte Weise und manchmal nicht unaufwendig eingeleitet werden müssen – ganz abgesehen vom richtigen Timing, um dann auch eine gute Aufnahme zu machen. Dies wird noch von den Aufträgen gekrönt, die wir vom Forscherteam im Kommunikationskanal „Lentil Connect“ erhalten. Ein Foto mit kurzer Beschreibung verweist auf konkrete Situationen, doch diese sind natürlich nicht zu sehen, denn das ist ja die Aufgabe. Auch wenn über zweihundert Aufträge eine echte Nummer sind. Andererseits bedeutet es auch jede Menge Erkundungen über den einfachen Durchlauf inmitten der Story hinaus.
Als Belohnungen sammeln sich dafür nach und nach Avatare, Rahmen und Sticker an, die man verwenden kann, um im Online-Modus anders aufzutreten oder seine Fotos zu schmücken und anschließend hochzuladen. Untereinander können für die besten Schnappschüsse sogenannte Apfelmedaillen verliehen werden. Und wer mit den Entscheidungen des bewertenden Professors nicht übereinstimmt, pflegt einfach sein privates Album mit den eigenen Lieblingsbildern. Sogar mit einer Funktion namens Foto Plus, durch die man die Momentaufnahmen nachjustieren und neu abspeichern kann.
Für echte Fotografinnen und Fotografen sei an dieser Stelle noch gesagt, dass die Art, wie fotografiert wird, technisch nicht sehr realitätsnah ist. Vor allem die Größe zählt, die Pokémon sollten immer mittig sein – so würde man in der Realität nicht arbeiten. Von Kunstkniffen wie dem Goldenen Schnitt ganz abgesehen. Doch hier steht ja auch der Forschergedanke im Vordergrund; solange die Pokémon also deutlich zu sehen sind, sind hoffentlich alle Seiten zufrieden mit den Ergebnissen.
New Pokémon Snap ist vor allem bunt und niedlich, hält aber auch Passagen bereit, die nicht so leicht zu lösen sind. Dabei schafft die Simulation wenn auch mit kleinen (foto)technischen Makeln den Spagat zwischen einer simplen, netten Geschichte und diversen Aufgaben. Vorausgesetzt, die immer neuen Versuche, die Aufträge zu lösen, sind einem nicht zu repetitiv. Denn Pokémon Snap war schon immer eher ein Fanspiel. Dass man Pokémon liebt, macht den Reiz aus. Wäre es nur mit Tieren umgesetzt worden, wie es wohl ursprünglich einmal angedacht war, sähe es vielleicht anders aus.
Prinzipiell hat sich an der Idee von Pokémon Snap nichts verändert. Doch all die weiterführenden Umsetzungen wie die erweiterten Strecken, die Vielfalt und auch die Interaktionen untereinander machen New Pokémon Snap zu einer modernen Fortführung des Spieleklassikers.