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Madame Web
Madame Web

Dakota Johnson

Career in progress

| Oliver Stangl |
Zum Start der Comicverfilmung „Madame Web“: Ein Blick auf die sich zusehends vielfältiger gestaltende Karriere von Hauptdarstellerin Dakota Johnson.

 

Every actor has to make terrible films from time to time, but the trick is never to be terrible in them“, sprach einst der große Christopher Lee. Dass in Hollywood auch ambitionierte Schauspielerinnen und Schauspieler immer wieder mal kalkulierte Auftritte in qualitativ nicht unbedingt herausragenden Kommerz-Produktionen absolvieren müssen, um sich Auftritte in künstlerisch hochwertigen Produktionen leisten zu können, ist ein uraltes Gesetz. Karriere-Varianten gibt es dabei viele; manchen gelingt der Durchbruch beispielsweise als Teenie-Idole in finanziell extrem erfolgreichen, oft aber auch verspotteten Franchises wie, sagen wir, Twilight. In den insgesamt fünf Beststeller-Verfilmungen, die zwischen 2008 und 2012 in die Kinos kamen, konnten die damaligen Shooting Stars Robert Pattinson und Kristen Stewart noch nicht wirklich zeigen, was in ihnen steckt. Danach folgten allerdings Auftritte in kleineren Auteur-Filmen (Pattinson spielte etwa unter Claire Denis, Stewart unter Olivier Assayas), die den beiden Mimen gute Kritiken einbrachten. Über die Jahre konnten sie ihr Image nachhaltig verändern: „Das sind ja ernsthafte Schauspieler“, mag sich so mancher gedacht haben, der mit den blutleeren Teenie-Vampirfilmen nichts anfangen konnte. Muss sich gut anfühlen, die Kritiker und Spötter eines Besseren zu belehren. Insbesondere Pattinson wechselt seither mühelos zwischen Arthouse (etwa The Lighthouse von Robert Eggers, 2019) und kommerziellen Auftritten (etwa als The Batman, 2022).

Family Business

Und dies führt uns nun auch schon zu Dakota Johnson, Jahrgang 1989, in deren bisheriger Karriere sich durchaus Parallelen zu Pattinson/Stewart finden lassen. Der Durchbruch kam auch für Johnson mit einer Franchise, die ebenso verlacht wurde, wie sie erfolgreich war: Fifty Shades of Grey (2015). Die als Hausfrauen-SM-Fantasie verspottete Trilogie (2017 bzw. 2018 folgten Fifty Shades Darker und Fifty Shades Freed) nach den Bestsellern von E. L. James brachte die Kassen zum Klingeln, verlangte Johnson aber nicht unbedingt viel an komplexem Schauspiel ab (wenngleich, so fair muss man sein, erotische Szenen vor der Kamera nicht unbedingt zu den leichtesten Übungen gehören). Mit Hartnäckigkeit und gezielter Rollenauswahl ist Johnson jedenfalls gerade dabei, das Image jener Anastasia Steele, die einem Multimillionen-Dom verfallen ist, hinter sich zu lassen.

Blicken wir auf ihre Anfänge: Als Tochter des Schauspieler-Paares Don Johnson (Miami Vice) und Melanie Griffith (Body Double, Working Girl) – die beiden waren zweimal verheiratet und trennten sich zuletzt 1996 – war Dakota das Showbusiness quasi in die Wiege gelegt. Damit nicht genug: Auch Oma Tippi Hedren, Melanies Mutter, ist eine legendäre Schauspielerin und gab u. a. die Hauptrollen in Hitchcocks The Birds (1962) und Marnie (1963); Großvater Peter Griffith stand bereits als Kind auf der Bühne. Auch für Dakota – die in Texas geboren wurde, als Don Johnson unter der Regie von Dennis Hopper den Neo-Noir The Hot Spot drehte – begann die Karriere im Kindesalter: 1999 debütierte sie in der Dramödie Crazy in Alabama. In diesem Familienprojekt spielten Dakota Johnson und ihre Halbschwester Stella Banderas die Töchter ihrer realen Mutter Melanie Griffith. Regie führte Antonio Banderas, mit dem Griffith von 1996 bis 2015 verheiratet war. Der Film selbst erhielt zwar großteils schlechte Kritiken – positiv hervorgehoben wurde fast nur die Leistung Griffiths als misshandelte Hausfrau, die Schauspielerin werden möchte –, doch für Dakota war dies ein Anfang. Das dieser Anfang im Kreis einer Showbiz-erfahrenen Familie erfolgte, mag für den späteren Karriereweg auch nicht das Schlechteste gewesen sein, konnte sie doch auf einen reichen familiären Erfahrungsschatz zurückgreifen.

Weitere Erfahrungen sammelte Johnson als Model (u. a. für MANGO Jeans) und als „Miss Golden Globe“ (also eine Assistentin, die beim Überreichen der Preise behilflich ist). Nachdem sie die High School abgeschlossen hatte, nahm sie Schauspielunterricht – und ergatterte 2010 einen Part in David Finchers gefeiertem Film The Social Network. Das satirische, freie Biopic über Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bot dem Ensemble durch die messerscharfen Dialoge Aaron Sorkins viel Raum zum Glänzen, und so war die kleine Rolle einer Stanford-Studentin ein lohnenswerter Eintrag in Johnsons Lebenslauf. Es folgten weitere kleinere Auftritte in Dramen wie For Ellen (2012, R: So Yong Kim) an der Seite von Paul Dano oder in Christopher Neills Komödie Goats mit David Duchovny und Vera Farmiga. Während diese beiden Filme mittlerweile ziemlich vergessen sind (Johnson aber immerhin Gelegenheit boten, erfahrene Kolleginnen und Kollegen hautnah zu beobachten), war der Jung-Star mit 21 Jump Street (2012, R: Phil Lord, Chris Miller) in einer überaus erfolgreichen Meta-Komödie dabei. Schritt für Schritt gewann der Name Dakota Johnson an Popularität.

2015, im Hauptrollen-Durchbruchsjahr mit Fifty Shades, war Johnson auch in zwei Nebenrollen zu sehen, mit denen sie mehr von ihrem Talent zeigen konnte: In Scott Coopers Black Mass (2015) gab sie die Freundin des von Johnny Depp verkörperten Gangsters James „Whitey“ Bulger und in Luca Guadagninos erotischem Psychodrama A Bigger Splash (ein loses Remake von Jacques Derays La Piscine, 1969) spielte sie an der Seite von Ralph Fiennes und Tilda Swinton ein junges, undurchsichtiges Mädchen, das das Leben eines Künstlerpaares schwer durcheinander bringt. Ebenfalls unter der Regie Guadagninos war Johnson 2018 im Remake von Dario Argentos Suspiria zu sehen, wobei dieser Film die Kritik ziemlich spaltete; hervorragende Kritiken erhielt sie für die Tragikomödie The Peanut Butter Falcon (2019, R: Tyler Nilson, Michael Schwartz), in der sie feinfühlig die Betreuerin eines Jungen mit Down-Syndrom darstellte. Wohlgesonnen war ihr die Kritik auch für ihren Auftritt als Hippie-Girl im insgesamt eher durchwachsenen Neo-Noir Bad Times at the El Royale (2018), wo sie sich mit einem hochkarätigen Ensemble messen konnte, dem Stars wie Jeff Bridges, Jon Hamm und Chris Hemsworth angehörten. Nach einigen Filmen unterschiedlicher Genres, von Horror bis zur Jane-Austen-Verfilmung Persuasion (die großteils eher unter dem Radar blieben), gelang Johnson der schauspielerisch bislang größte Coup im Jahr 2023 mit dem Drama Daddio (R: Christy Hall), das beim Telluride Film Festival Premiere feierte. Johnson spielt darin eine junge Frau, die am New Yorker Flughafen in ein Taxi steigt und im Laufe der Fahrt mit dem Fahrer (Sean Penn) ein Gespräch beginnt, das sich u. a. um die Unterschiede von Mann und Frau dreht. Dabei öffnet sich die anfangs reservierte junge Frau immer mehr. Das psychologische Kammerspiel auf Rädern wurde von der Kritik nicht zuletzt wegen der Leistungen der beiden Hauptdarsteller gefeiert. So meinte etwa Todd McCarthy von „Deadline Hollywood“: „Sean Penn is at his absolute best here in a tremendously engaging performance as a salty working-class guy with an endless supply of opinions and ways of drawing out his passengers, while Dakota Johnson more than holds her own as a game passenger increasingly willing to share her problems with the amateur shrink behind the wheel.“

Versuchte man konkret, Johnsons Stärken als Schauspielerin auszumachen, könnte man eventuell zum Schluss kommen, dass sie sich auf ein gewisses Understatement versteht; sie spielt oft reduziert, deutet aber, wenn die Rollen es hergeben, an, dass ihre Figuren unter der Oberfläche jede Menge an Komplexität und Konflikten verbergen. Dass sie als Tochter zweier attraktiver Stars selbst auch über gutes Aussehen verfügt, schadet dabei natürlich nicht – der Glamour überdeckt allerdings nie ihr Talent. Darüber hinaus verrät Johnson seit einigen Jahren auch größere Ambitionen hinter der Kamera, und so erfolgte 2020 ihr Regiedebüt: Gemeinsam mit Cory Bailey inszenierte sie das Musikvideo zum Coldplay-Song „Cry Cry Cry“ (mit Sänger Chris Martin ist sie seit 2017 liiert). Im selben Jahr gründete Johnson die Produktionsfirma TeaTime Pictures, mit der sie u. a. auch Daddio produzierte. Kein schlechter Schachzug, sich als Produzentin gleich selbst gute Hauptrollen zu besorgen.

Weiter oben wurden ja schon Parallelen zu Robert Pattinson erwähnt, der zwischen Batman und Arthouse wechselt; selbiges steht nun auch für Dakota Johnson mit der Hauptrolle in der Comic-Verfilmung Madame Web (R: S. J. Clarkson) auf dem Programm. Es handelt sich dabei um den vierten Film aus dem Spider-Man-Universum von Sony (das Studio hält aktuell die Filmrechte am Marvel-Helden). Johnson gibt die Titelheldin Cassandra Web, eine Sanitäterin, die über präkognitive, übersinnliche Fähigkeiten verfügt und drei junge Frauen vor einem gefährlichen Gegner (der in den Trailern wie eine Art böser Spider-Man wirkt) beschützen möchte. Madame Webs Visionen bieten dabei jede Menge Gelegenheit, Actionszenarien mit jeweils unterschiedlichem Ausgang durchzuspielen; wenn das Drehbuch den Vornamen Cassandra ernst nimmt, könnte den Zuseher vielleicht auch etwas zur Tragik der Präkognition erwarten. Zudem scheinen die Figuren schicksalhaft miteinander verbunden zu sein; auch Andeutungen, wonach der Bösewicht mit seinen Taten eigentlich Schlimmeres verhindern will („You have no idea what these girls become“; dazu gibt es kurze Shots der Mädchen in Spinnenkostümen) finden sich – potenzielle Gewissenskonflikte für Madame Web. Spezifische Details der Handlung hält man bis zum Kinostart zwar noch unter Verschluss, es scheint aber fix zu sein, dass zwei Varianten der Comicfigur Spider-Woman vorkommen.

War es für Dakota Johnson eine gute Entscheidung, sich dem Superheldengenre zuzuwenden? Superheldenfilme sind in letzter Zeit nicht mehr so erfolgreich wie in den letzten eineinhalb Jahrzehnten gewohnt (Theorien dazu reichen von Markt-Übersättigung über „superhero fatigue“ – die mit einem Wiederholen ewig gleicher Erzählmuster zusammenhängt – bis hin zu woken Messages, die sowohl Entertainment als auch erzählerische Ambivalenz in den Hintergrund drängen), zudem ist die Figur der Madame Web (in den Spider-Man-Comics eine Nebenfigur) nicht gerade sehr bekannt. Man wird also sehen, wie gut sich Madame Web an den Kassen und bei der Kritik schlägt. Doch egal, wie das Ergebnis aussehen wird: Man traut sich zu prophezeien, dass sich in Dakota Johnsons zukünftiger Karriere noch viele spannende Projekte und ansprechende schauspielerische Leistungen finden werden.