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Charlize Theron

Charlize Theron

Die Märchenkönigin

| Jörg Schiffauer |

Von der psychotischen Serienmörderin über die engagierte Minenarbeiterin bis hin zur bösen Königin reicht das darstellerische Spektrum von Charlize Theron. Die Oscar-Preisträgerin im Porträt.

Kaum eine Geschichte hört sich klischeebeladener an als die folgende: Nach einer kurzen und einigermaßen erfolglosen Karriere als Model beschließt eine junge Frau, nach Hollywood zu gehen, um als Schauspielerin durchzustarten. Genau so begann allerdings die Laufbahn von Charlize Theron, als sie mit knapp zwanzig Jahren nach Los Angeles zog, um die große Filmwelt zu erobern. Ebenso klischeehaft klingt dann auch der oft kolportierte Beginn ihrer Laufbahn in Hollywood, demzufolge Charlize Theron – hier nimmt ihre Biografie erstmals fast märchenhafte Züge an – einem Agenten auffiel, als sie sich ein heftiges Wortgefecht mit dem Angestellten einer Bank lieferte, der sich geweigert hatte, einen Scheck einzulösen, den ihre Mutter als finanzielle Unterstützung geschickt hatte. Einige Monate und Schauspielkurse später hatte sie 1995 mit einer Minirolle in dem in jeder Hinsicht unbedeutenden Horrortrash Children of the Corn III: Urban Harvest einen ersten Kinoauftritt. Es folgten recht bald größere Aufgaben in John Herzfelds 2 Days in the Valley – einem Ensemblefilm, der so bekannte Namen wie Danny Aiello, Jeff Daniels, Teri Hatcher und James Spader versammelte – oder die Tragikomödie That Thing You Do, die von keinem Geringeren als Tom Hanks inszeniert wurde. Obwohl die Rollenangebote in den folgenden Jahren durchaus passabel und die Produktionen in der Mehrzahl dem oberen Segment Hollywoods zugeordnet werden konnten, war Charlize Theron doch recht bald auf einen – um erneut ein Klischee zu strapazieren – bestimmten Typ festgelegt: den der attraktiven Blondine, die neben den männlichen Protagonisten stets ein wenig zum dekorativen Aufputz zu verkommen drohte. Filme wie The Devil’s Advocate, The Yards oder 15 Minutes exemplifizieren recht deutlich, in welche Richtung Therons Schauspielkarriere hätte gehen können.

Doch die am 7. August 1975 in der Provinz Transvaal geborene Südafrikanerin ließ sich nicht so einfach in diese Rolle abdrängen. Dank einer beeindruckenden Präsenz, die ganz offensichtlich nicht nur bei kleinen Rollen sondern auch bei alltäglichen Begegnungen spürbar wird – mit „She’s so intimidating“ beschreibt etwa Regisseur Jason Reitman eine Begegnung mit Charlize Theron anlässlich der Oscar-Verleihung 2010. Das Zusammentreffen dürfte Reitman dann doch mehr positiv beeindruckt haben, drehte er mit Theron anschließend doch die Komödie Young Adult. Eine charismatische Ausstrahlung, die offensichtlich auch renommierten Regisseuren nicht entgangen sein dürfte, denn neben den erwähnten eher stereotypen Rollen-angeboten wurde Charlize Theron schon in den ersten Jahren ihrer Karriere von Größen wie Woody Allen (Celebrity, The Curse of the Jade Scorpion) und John Frankenheimer (Reindeer Games) verpflichtet. Die Niederungen der No-Budget-Produktionen hatte sie da mittlerweile längst hinter sich gelassen, gediegene Genre-Arbeiten wie The Italian Job (2003) an der Seite etablierter Kollegen vom Kaliber Edward Nortons oder Donald Sutherlands zählten mittlerweile zum Standardrepertoire von Charlize Theron.

Risikobereitschaft

Den Aufstieg in die höchste schauspielerische Liga schaffte Theron allerdings mit einer Rolle, die dem vermeintlichen Image der dekorativen Blondine diametral gegenüberstand. In Monster (2003) verkörperte sie die berüchtigte Serienmörderin Aileen Wuornos, die sieben Männer getötet hatte und im Oktober 2002 hingerichtet wurde. Obwohl Charlize Theron keine Anhängerin des Method Acting ist („I don’t like being miserable. If this is what acting is, I don’t know if I can do this“, merkte sie dazu an) verkörperte sie Wuornos mit einem auch physisch beeindruckenden  Einsatz, der selbst Robert De Niro alle  Ehre gemacht hätte. Mit der Darstellung der psychotischen, von einem harten Leben und Drogenmissbrauch gezeichneten Serienmörderin bewies Theron – auch dank einer grandiosen Leistung des Maskenbildners – zunächst einmal Mut. Die Transformation in diesen zutiefst zerrissenenen Charakter gelang ihr dabei so vortrefflich, dass der Filmkritiker Roger Ebert sie zunächst gar nicht wiedererkannte: „I confess that I walked into the screening not knowing who the star was, and that I did not recognize Charlize Theron until I read her name in the closing credits. I didn’t recognize her – but more to the point, I hardly tried, because the performance is so focused and intense that it becomes a fact of life“, schrieb Ebert in seiner Rezension des Films. Obwohl Monster, bei dem Charlize Theron übrigens auch als Produzentin fungierte, letztendlich über eine reichlich konventionelle True-Crime-Dramaturgie nicht hinauskommt und sich eines ziemlich schlichten psychologischen Erklärungsmusters bei der Charakterisierung der Titelfigur bedient, war Charlize Therons schauspielerische Tour de Force bei der Darstellung von Aileen Wuornos dermaßen beeindruckend, dass sie neben zahlreichen anderen Auszeichnungen mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.

Angesichts dieses Erfolgs wurden Charlize Therons Rollenangebote beinahe schlagartig abwechslungsreicher. In dem Biopic The Life and Death of of Peter Sellers (2004) spielte sie etwa Sellers’ Frau Britt Ekland. Mit der Rolle einer Minenarbeiterin, die sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr setzt, stellte sie in North Country (2005) unter Beweis, dass sie der Herausforderung eines sehr nuancierten Charakters mehr als gewachsen war. Der Lohn für diese feine Leistung war eine weitere Oscarnominierung als beste Schauspielerin. Die unter Kollegen als unkompliziert und betont bodenständig geltende Theron war sich jedoch keineswegs zu schade, auch weiterhin Rollen anzunehmen, die eher eindimensional gestrickt schienen. In dem primär auf spektakuläre Effekte ausgerichteten futuristischen Thriller Æon Flux (2005) trat sie etwa als schlagkräftige Untergrundkämpferin im Latexanzug auf. Dass Theron mit derartigen Rollen sträflich unterfordert ist, wurde anhand von In the Valley of Elah (2007) deutlich. In dem von Paul Haggis inszenierten Drama um das Trauma, das der Irak-Krieg in der kollektiven Psyche der Vereinigten Staaten hinterlassen hat, glänzt sie als ausgebrannte, zunehmend desillusionierte Polizistin neben keinem Geringeren als Tommy Lee Jones. Ihre uneitle Arbeitsweise zeigt sich aber auch daran, dass Charlize Theron für ambitionierte Projekte, wie etwa die Verfilmung von Cormac McCarthys Roman „The Road“, bereit ist, auch eine kleine Rolle zu übernehmen.

Die Bandbreite, die Charlize Therons schauspielerische Arbeit mittlerweile umfasst, lässt sich anhand ihrer aktuellen Projekte geradezu exemplarisch aufzeigen. In Snow White and the Huntsman übernimmt sie mit der Rolle der bösen Königin mit Namen Ravenna, die Schneewittchen das Leben schwer macht und gleich einmal die Herrschaft über ein ganzes Reich an sich reißt, einen Part, der tendenziell eher als stereotyp bezeichnet werden kann. Die von Rupert Sanders inszenierte Adaption des bekannten Märchens der Brüder Grimm hat mit seiner Vielzahl an CGI-Effekten einen Hang zum Spektakelkino, das sich recht ungeniert aus dem Fundus der Filmgeschichte bedient. Wenn sich der Spiegel der bösen Königin zu einer bizarr-gesichtlosen Figur formt, lässt James Camerons aus flüssigem Metall beliebige Gestalt annehmender Terminator herzlich grüßen. Und wenn Charlize Theron als finstere Herrscherin jungen Mädchen förmlich das Leben aussaugt, um sich so die ewige Jugend zu bewahren, wird man sich nicht ganz zu Unrecht an Sequenzen aus Tobe Hoopers Lifeforce erinnern, ebenso wie der verwunschene Wald ein wenig dem Heimatplaneten des Jedi-Meisters Yoda gleicht. Dass Peter Jacksons Welten aus The Lord of the Rings mittlerweile als Blaupause für Fantasyfilme aller Couleurs dient, überrascht im Fall von Snow White and the Huntsman dann nur noch wenig. Charlize Theron versteht es immerhin mit sichtbarer Spielfreude, die innerlich so eiskalte Königin als herrlich bösartige Figur auf die Leinwand zu bringen und selbst  damit die schauspielerischen Grenzen von Jungstar Kristen Stewart ­– die als Schneewittchen agiert – aufzuzeigen.

Eine Produktion ganz anderen Kalibers wird da – diese Prognose lässt sich risikolos abgeben –  Therons nächster Film sein, handelt es sich doch dabei um Ridley Scotts lang erwartetes Sci-Fi-Epos Prometheus. Zu Anfang als eine Art Prequel zu Scotts Spannungsklassiker Alien angedacht, dürfte das strikt unter Verschluss gehaltene und dementsprechend geheimnisumwitterte Projekt nun ersten Gerüchten zufolge doch in eine etwas andere Richtung gehen. Ausführliches darüber jedoch in der nächsten ray-Ausgabe.