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Der magische Augenblick als Cinderella (Lily James) ihr Ballkleid bekommt

Filmkritik

Cinderella

| Kirsten Liese |
Kenneth Branagh erzählt das Märchen mit grandiosen Spezialeffekten, ironischen Anflügen und dem Herzen eines Tierfreunds.

Sei mutig und freundlich“: Mit diesen Worten nimmt die sterbende Mutter Abschied von ihrer gehorsamen Tochter. Sie klingen lange nach, ziehen sich wie ein Refrain durch einen Film, der sympathisch für Ideale wirbt, die gern mal verloren gehen, wo Fanatiker unterschiedlicher Religionen aufeinander treffen. Und so wie Cinderella mit Mäusen Freundschaft schließt, sie vor dem sicheren Tod der Katze rettet, den ihr in Liebe verfallenden Prinzen davon überzeugt, das Jagen aufzugeben und einen Hirsch leben zu lassen, dürften insbesondere auch Tierfreunde an diesem keineswegs nur unterhaltsamen wunderbaren Familienfilm ihre Freude haben.

Der für seine Shakespeare-Adaptionen bekannte Kenneth Branagh zeigt sich mit einer Disney-Märchen-Produktion keineswegs unterfordert. Gekonnt frischt er das Märchen um die böse Stiefmutter und deren boshafte Töchter, die die herzensgute Cinderella nach dem Tod des Vaters schamlos ausnutzen und drangsalieren, mit komödiantischen Elementen und einigen Shakespeare-Zitaten auf. Als Vorlage diente übrigens nicht der „Aschenputtel“-Stoff der Brüder Grimm, sondern  Charles Perraults „Cendrillon oder der kleine gläserne Pantoffel“ von 1697.

Mit einem breiten sinfonischen Soundtrack, einer millionenschweren Ausstattung, Glamour und obligatem Happy End ist Cinderella unübersehbar ein kommerzieller Film. Er zeugt zugleich aber auch von enormer Fantasie im Umgang mit Spezialeffekten, Kitsch und komödiantischen Elementen. Das muss man einfach gesehen haben, wie hier die gute Fee einen Kürbis zu einem riesigen Gebilde aufbläht, das sich alsbald – Abrakadabra – in eine goldene Kutsche verwandelt, wie  Gänse alienartig zu Pferden-, Eidechsen zu Kutschern und Mäuse zu Lakaien mutieren.

Für eine gute Prise Humor sorgt allerdings auch die vorzüglich aufgelegte Cate Blanchett in der Rolle der Lady Tremaine. Sie ist die denkbar böseste Stiefmutter aller Zeiten, blendet den Betrachter mit eifersuchtsgrünen Kleidern und ironisiert die Klischeefigur mittels punktgenauem Overacting. Dagegen erscheint die in der Titelrolle überzeugende, blond gelockte, charmante Newcomerin Lily James nicht nur im sternenstaubbepuderten blauen Ballkleid als unfehlbare Prinzessin aus dem Bilderbuch. Anders als bei Perrault verzeiht Cinderella am End ihrer Peinigerin. Lady Tremaine verlässt das Königreich. Man würde gerne wissen, was aus ihr wird.