Untersuchungen zu Körper, Intimität und Fremdheit im Werk der Französin
Ein psychoanalytischer Zugriff auf die Filme von Claire Denis liegt nicht eben nahe, wie der Herausgeber Gerhard Schneider in der Einleitung zu diesem Sammelband bemerkt. Denis’ Filme sind bevölkert von Figuren ohne Vorgeschichte, ohne Trauma-Erzählungen – sie wirken vor allem über ihre körperliche Präsenz. Eben die und das Motiv der Fremdheit bestimmen diese Filme, schreibt Marcus Stiglegger, und öffnet so die Interpretation für diverse interpretatorische Ansätze. Die Perspektive bestimmt, was man sieht: Andreas Jacke beispielsweise schreibt über die Verbindung von Erotik und Gewalt in Trouble Every Day mit Derrida im Gepäck und mit Verweis auf Melanie Klein, Lutz Goetzmann rückt L’intrus mit Jean-Luc Nancy, der selbst viel zu den Filmen von Denis geschrieben hat, zu Leibe. Die besten Interpretationen sind auch hier die, die dem Film sein Eigenleben lassen. „Der narrative Stil der Regisseurin, die die kognitive Ebene ihrer Zuschauer damit fesselt, ihre Geschichten nicht durch Erklärungen und verbale Vermittlungen mitzuteilen, sondern vielmehr die Betrachter im Unklaren darüber lassen, was es zu bedeuten hat, was sie zu sehen bekommen, unterstützt die intensive Teilnahme über die Sinne“, schreibt Andres Jacke in seinem Beitrag. Die Beiträge in diesem Band werden den Filmen von Claire Denis in dieser Hinsicht gerecht insofern, als sie das Sehen nicht auf einen Begriff bringen und damit einengen, sondern die Wahrnehmung erweitern.