Rebellin im goldenen Käfig: Marie Kreutzer räumt mit dem Mythos um Kaiserin Elisabeth auf.
Sie hält die Luft an, dass ihren Zofen angst und bang wird. Mit dem Kopf unter Wasser, das kann sie gut. Fast so gut wie Reiten oder aus dem Stegreif in Ohnmacht fallen, darin ist sie Meisterin. Elisabeth von Österreich, so wie sie Marie Kreutzer (Interview) in ihrem neuen Film zeigt, ist eine Frau mit vielen Talenten, die gerne an Grenzen geht – und darüber hinaus. Eine Frau, die aufbegehrt gegen die Rolle, in der sie gefangen ist. Eine, die sich wehrt und rebelliert, die das Essen verweigert und ihren Körper kontrolliert, weil ihr sonst kaum Freiheiten bleiben. Die mal als Provokateurin auftritt, mal als Draufgängerin oder Liebhaberin, immer wieder aber als einsame Kaiserin.
Nicht umsonst setzt Corsage im Dezember 1877 ein, an dem Punkt, als Elisabeth vierzig wird und sie sich, wie sie es selbst formuliert, aufzulösen beginnt. Ja, sie hat ausgedient, gibt man ihr von allen Seiten zu verstehen. Als Vorzeigedame, als Mutter, und als Ehefrau ihres untreuen Gatten Kaiser Franz Joseph (Florian Teichtmeister) sowieso. Doch die Abneigung ist nicht ganz einseitig. Empfänge, Abendessen, das ganze Zeremoniell, all das ist ihr schon lange lästig, weshalb sie gerne mal mittendrin aufsteht, mit der Faust auf den Tisch schlägt oder zum Ärger ihres Mannes erst gar nicht zum Bankett erscheint. Sowieso ist sie viel lieber auf Reisen, oder noch lieber: bei ihren Pferden, denn ein Ausritt ins Freie lässt sie immer noch am besten abschalten, besser als jede andere Zerstreuung und jedes Rauschmittel, dem sie sich hingibt, wenn der Druck und die Wut im Bauch mal wieder überhandnehmen.
Es ist ein strenges, kantiges und bisweilen schmerzliches Bild, das die österreichische Regisseurin hier von der Kaiserin zeichnet. Elisabeths Farbe der Wahl ist lila, aber es könnte genauso gut schwarz sein. Belebt wird das Geschehen von der betörenden Musik der französischen Sängerin Camille und Judith Kaufmanns aufmerksamer Kamera sowie einem subtilen Humor, der sich wie ein seidener Faden durch das Drehbuch zieht. Aber es ist die berauschend wilde, einerseits ungeniert ausscherende und zugleich extrem kontrollierte Darbietung von Krieps, die alles zusammenhält. Manchmal stockt einem selbst kurz der Atem, wenn sie sich in ihrer Rolle als abtrünnige Kaiserin bei aller Widerständigkeit trotzdem tagtäglich in ihr Korsett zwingt, bis sie sich und ihren Körper wieder ganz im Griff hat. Ihr Auftritt ist so kühn wie Kreutzers Film, der sich den festen Zwängen eines historischen Biopics in jeder Einstellung klug und mit Nachdruck zu entziehen weiß.