Mysteriöse Dokumentation über die Restitution von Kulturgütern und die Überwindung des Kolonialismus
Unschuldig in Gefangenschaft, 130 Jahre lang. Die Häftlinge haben die Bemächtigung durch ihre Peiniger unversehrt überstanden. Stolz und frei stehen sie nun im Raum, darunter eine hölzerne Statue von König Gezo, der Mitte des 18. Jahrhunderts in Dahomey regierte. Ein Kunstwerk von enormer Kunstfertigkeit und Anziehungskraft. Jetzt sieht man, wie sie mit größter Sorgfalt für den Transport vorbereitet wird. Als die Kiste geschlossen und der Deckel vernagelt wird, bleibt auch die Leinwand lange Zeit schwarz.
„Warum haben sie mir keinen Namen gegeben“, beschwert sich der ehemalige König in der Dunkelheit aus dem Off. Er wird als Nummer 26 in sein afrikanisches Herkunftsland, das heutige Benin, überführt. Seine Kommentare sind nüchtern, aber die Worte wirken nach. Mehr noch: Sie verleihen dem ganzen Film ein mysteriöses Unbehagen, das selbst die mit einem Staatsakt verbundenen Feierlichkeiten im Heimatland mit einem Schleier der Empörung überschatten. Jeder hier weiß, es ist höchste Zeit für eine Wiedergutmachung.
Die französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop lässt in Dahomey, einem seltsamen Hybrid aus Dokumentation und Fiktion, zunächst nur die Kunstwerke sprechen. Denn was die Artefakte zu sagen haben, gibt hinreichend Aufschluss über die ganze Ungeheuerlichkeit, die hinter ihrer Geschichte steckt: Gemeint ist die brutale Eroberung des afrikanischen Kontinents durch die Kolonialmächte, die auf ihren Raubzügen nicht nur Menschen und Rohstoffe, sondern auch unzählige Kulturgüter für sich in Anspruch nahmen. Im November 2021 gab Frankreich einen winzigen Teil der geraubten Schätze zurück.
Die Tatsache, dass das Thema damit längst nicht erledigt ist, bestimmt anschließend eine rege Universitätsdebatte, gefilmt in einem großen Auditorium. Darin kochen viele der gegensätzlichen Meinungen hoch, die der Dekolonisationsprozess insgesamt auf kultureller, gesellschaftlicher und politischer Ebene aufwirft. Das Aufbegehren der Jugend im Herzen ihres Films, ist ein von Diop klug inszenierter Schachzug, der sich jedoch mit einer spontanen Dynamik entfaltet. Aus den unterschiedlichen Wortmeldungen der Studierenden sprechen Hoffnung, Enttäuschung und Wut.
Die komplexen Zusammenhänge, die Dahomey in kaum 70 Minuten anreißt, kann Diop in so kurzer Zeit nicht hinreichend klären. Aber das ist auch nicht Sinn ihres nachdenklich stimmenden Films. Entscheidend ist die argumentative Kraft, die aus ihm hervorgeht und zu einer Weiterführung der Debatte anregt.