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Filmstart

Das Flüstern der Felder

| Ines Ingerle |
Leben, lieben und leiden in einem Ölgemälde: Ein magisches Meisterwerk der Sinne

Nach dem Publikumserfolg Loving Vincent zaubert das Regie-Duo DK und Hugh Welchman mithilfe von über 100 Künstlern und Künsterinnen erneut ein visuelles Meisterwerk aus unzähligen handgemalten Ölbildern auf die Leinwand. Basierend auf dem mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Roman „Die Bauern“ von Władysław Reymont werden wir in das Leben polnischer Bauern Ende des 19. Jahrhunderts entführt. Inmitten der idyllischen Landschaften voller Pathos und Schönheit entfalten sich die zwischenmenschlichen und persönlichen Dramen einer Dorf-Gemeinschaft, die auf unterschiedliche Weise mit ihren Emotionen, Wünschen und den ihr auferlegten Regeln umgeht.

Die Heldin dieses Dramas ist die junge Jagna: bildhübsch, wild und wundervoll. Eine träumerisch-künstlerische Seele voller Lebensfreude, Lebendigkeit und Leidenschaft, die sich weigert, ihren Selbstausdruck zu begraben und somit das Patriarchat in Frage stellt. Gegen ihren Willen wird sie an den reichsten Bauern des Dorfes verheiratet, denn Armut solle nicht das Schicksal ihrer Tochter sein, so die Mutter. Jagna liebt allerdings eigentlich den Sohn des für sie Auserkorenen und ihr durch die Hochzeit erlangter Reichtum bedeutet ihr nichts, sie will ihre Freiheit und Lebensfreude nicht verlieren. Diese leiden jedoch zunehmend unter den Konventionen und der Doppelmoral der Bauern: Zunächst wird Jagna bewundert und begehrt, dann jedoch bald mit Missgunst und Neid konfrontiert und zum Feindbild erklärt. Der Charakter Jagnas steht nicht nur stellvertretend für alle Frauen ihrer Zeit, sondern auch für alle Frauen, die in ihrem Leben Ungerechtigkeit erfahren und sich mutig dagegen auflehnen.

Inspiriert von den Werken polnischer Maler aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, und unterstützt von Film- und Animationstechniken des 21. Jahrhunderts, versprüht Das Flüstern der Felder eine ganz eigene, zauberhafte Magie. Anders als bei Loving Vincent, wo die Gemälde Vincent van Goghs im Vordergrund stehen, liegt in diesem Film der Fokus darauf, den persönlichen Dramen der Charaktere mit Malerei Ausdruck zu verleihen und sie sowohl in Kontext als auch in Kontrast zu der übergeordneten Majestät und Unberührtheit der Natur zu setzen. Unter den Bauern herrschen sowohl Neid, Gier und Eifersucht als auch sinnliche Zärtlichkeit, ungezügelte Leidenschaft und Zusammenhalt. Die Stimmungen und Emotionen sind letztlich so impulsiv und unberechenbar wie die vier Jahreszeiten, anhand derer die Geschichte erzählt wird. Das Flüstern der Felder ist unbeschreiblich schön und sucht seinesgleichen. (Ines Ingerle)