Ein ganz besonderer Saft
Was für Frankreich der Bordeaux und für Österreich der Zweigelt, ist für Spanien der Rioja. Benannt wurde der populäre Rotwein nach dem majestätischen Weinbaugebiet, das sich auf beiden Seiten des Flusses Ebro befindet und sich in die Regionen Rioja Alta, Rioja Oriental und Rioja Alaves unterteilen lässt. Die Anbaufläche umfasst rund 60.000 Hektar und gehört zu den größten in Europa; die etwa 20.000 Winzer sind für Spanien ein überaus wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Wein selbst ist für seinen trockenen, von der Rebsorte Tempranillo geprägten Geschmack sowie die schöne dunkelrote Farbe bekannt. Auch hierzulande gibt es kaum eine Supermarktfiliale, die keinen Rioja im Angebot hat. Wein – vom Anbaugebiet über die Produktion bis hin zum Dekantieren bzw. zum Genuss im Glas – kann ja schnell einmal zur Wissenschaft werden, also schadet es nicht, dem Rebsaft einen Dokumentarfilm mit vielen Hintergründen zu widmen. Regisseur und Kameramann José Luis López-Linares scheint der richtige Mann dafür zu sein, hat der gebürtige Madrilene sich in seinem umfangreichen Schaffen doch auch schon dem Olivenöl gewidmet (Virgin & Extra: The Land of the Olive Oil, 2019). Und das ist bekanntlich ja ebenfalls ein Genuss, der gerne zur Wissenschaft erhoben wird.
In Das Land der tausend Weine zeigt López-Linares viel von der eindrucksvollen, malerischen Landschaft Riojas – sonnendurchflutete Weinberge, sanfter Wind, der über die Reben streicht, weite Panoramen, stimmungsvolle Weinkeller. Zu Wort kommen alteingesessene Winzer, aber auch die junge Generation; traditionelle Produktionstechniken wie das Treten der Reben werden ebenso ins Bild gerückt wie High-Tech-Methoden; Sommeliers, Önologen und Wirte tragen, von López-Linares unmittelbar eingefangen, ihre Expertisen bei. Man erfährt viel über die jahrtausendealte Kulturtechnik der Weinerzeugung, über die verwendeten Sorten, darüber, wie regionale, meteorologische und geologische Faktoren den Geschmack des Weins beeinflussen (Lehm, Kalkstein, Wind, Hanglagen und vieles mehr). Und man begleitet eine Vielzahl sympathischer Menschen, die für das, was sie tun, deutlich erkennbare Leidenschaft zeigen. Dabei wirkt die Musikbegleitung allerdings oft zu dick aufgetragen (und erinnert teilweise an Werbungen bzw. Fernsehproduktionen), und insgesamt hätte der Rhythmus des Films gerne ein wenig ruhiger sein dürfen (so wie auch guter Wein Zeit und Ruhe braucht, um zu reifen). Wein- und Spanienliebhaber sollten von der Mischung aus schönen Bildern und Wissenswertem aber durchaus angetan sein.