Mit der Sci-Fi-Dystopie „Rubikon“ gelingt Leni Lauritsch ein Regiedebüt, das man sich merken wird. Die Regisseurin im Interview über die Entwicklung eines außergewöhnlichen Filmprojekts.
Im Jahr 2056 treten die Soldatin Hannah Wagner (Julia Franz Richter) und der Biologe Gavin Abbot (George Blagden) ihren Dienst auf der um die Erde kreisenden Raumstation „Rubikon“ an. Das Leben auf dem blauen Planeten erweist sich mittlerweile – zurückhaltend formuliert – als ziemlich mühsame Angelegenheit. Sämtliche Rohstoffreserven sind hoffnungslos erschöpft, selbst Luft ist zu einem begehrten Gut geworden. Nationalstaaten und ihre politischen Systeme sind längst aufgelöst, global operierende Konzerne treffen alle relevanten Entscheidungen über Lebensbedingungen und Zukunft der Menschheit. So steht etwa auch Hannah als Berufssoldatin im Dienst eines dieser Konzerne. Umso bedeutender erscheint da jenes Forschungsprojekt, das an Bord der Rubikon unter der Leitung von Dr. Dimitri Krylow (Mark Ivanir) Platz greift: Mittels eines geschlossenen Ökosystems erzeugen Algen Sauerstoff, sollte das im großen Stil möglich werden, könnte ein für alle Menschen wieder erträgliches Leben auf der Erde generiert werden.
Die bisherige Besatzung wird also abgelöst und begibt sich auf den Rückflug, nur Dr. Krylow bleibt als Mastermind des Projekts weiterhin an Bord. Noch bevor sich die Neuankömmlinge Hannah und Gavin richtig eingerichtet haben, werden sie Zeuge einer Katastrophe, ein plötzlich aufziehender toxischer Nebel hüllt die gesamte Erde ein. Nachdem jedwede Kommunikation mit dem Heimatplaneten abbricht, scheint es so, dass die drei verbliebenen Besatzungsmitglieder die einzigen überlebenden Menschen sind. Weil Dr. Krylows Algensystem genug Sauerstoff produziert, ist die Raumstation ein Platz, der sich zum Überleben eignet, doch die Aussicht, das restliche Leben auf der Rubikon verbringen zu müssen, zehrt an den Nerven der Protagonisten. Spannungen beginnen sich nach und nach breitzumachen. Dann jedoch sehen sich die drei einer neuen Situation gegenüber, die sie mit grundsätzlichen, existenziellen Fragen konfrontiert.
Mit Rubikon, ihrem ersten langen Spielfilm, ist Regisseurin und Ko-Drehbuchautorin Leni Lauritsch eine der außergewöhnlichsten Arbeiten gelungen, die der österreichische Film seit geraumer Zeit hervorgebracht hat. Die 1988 in Kärnten geborene Lauritsch absolvierte an der Filmakademie Wien die Studienfächer Kamera und Regie, 2015 gewann sie mit dem Kurzfilm Rote Flecken den Österreichischen Filmpreis. Lauritschs Umsetzung der Geschichte um zwei Buben, die beim unerlaubten Spiel mit dem Gewehr ihres Vaters einen Hund verletzen, versteht durch beklemmende Intensität zu beeindrucken. Wir liefern ein Lächeln, ein Kurzfilm mit herrlich bitterbösem Humor war eine weitere Talentprobe der Regisseurin.
Rubikon erweist sich zunächst als visuell bestechender Film, der, die Textur betreffend, den Vergleich mit internationalen Produktionen samt deren deutlich höheren Budgets nicht zu scheuen braucht. Ein ebenso zentrales Element bildet wiederum die geradezu kammerspielartig anmutende Atmosphäre, die die Inszenierung immer mehr verdichtet und so die Anspannungen psychischer und physischer Natur, der sich die drei Protagonisten an Bord der titelgebenden Raumstation gegenübersehen, zu verdeutlicht. Dass maßgebliche Themen und Motive durchaus aktuell erscheinen, verstärkt den dystopischen Charakter von Rubikon auf bedrückende Weise.
Regisseurin Leni Lauritsch über ihre außergewöhnliche
Science-Fiction-Dystopie „Rubikon“
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich mit Ihrem ersten langen Spielfilm dem Genre Science-Fiction zuwenden, das im österreichischen Film bislang kaum existent ist?
Leni Lauritsch: Für eine österreichische Regisseurin, die ihren ersten Film macht, besteht immer die Möglichkeit, dass es auch der letzte bleibt, denn wenn dieser Film nicht erfolgreich genug ist, geht man einfach unter, das ist ein reelles Szenario. Also habe ich gedacht, dann mache ich einfach das, worauf ich wirklich Lust habe. Und da ich schon als kleines Kind Science-Fiction-Fan gewesen bin, war für mich klar, dass ich so etwas mache. Nachdem ich schon für etliche Kurzfilme Visual Effects gemacht habe, habe ich ein Drehbuch geschrieben, bei dem ich wusste, das kann sich mit einem in Österreich üblichen Budget ausgehen. Ich muss aber auch sagen, dass das Projekt eigentlich viel kleiner geplant und metaphorischer gehalten war. Ursprünglich gab es sogar einen Plan, im ehemaligen Atomkraftwerk Zwentendorf zu drehen, das Ganze sollte eher abstrakt werden. Dann ist Szenenbildner Johannes Mücke, der schon für Roland Emmerich gearbeitet hat, dazugekommen, die diversen Förderstellen haben mehr Geld gegeben, das Projekt ist immer größer geworden, und wir konnten es realistisch umsetzen.
Wie schwierig war es, die Förderstellen zu überzeugen?
Wir haben zunächst die Herstellungsförderung vom Österreichischen Filminstitut bekommen, eine der größten und wichtigsten Hürden für alle Filmemacher. Der ORF hat aber dann noch Anmerkungen zum Drehbuch gemacht, man muss auf jeden eingehen, damit es schlussendlich ein Drehbuch für alle gibt. Vielleicht geht das bei anderen Filmprojekten einfacher, bei mir war es das nicht. Wir haben bis zuletzt am Drehbuch gearbeitet.
Zwischen der endgültigen, finalen Fassung des Skripts und dem Drehstart sind dann auch nur wenige Tage gelegen. Wenn die Schauspieler dazukommen, verändern sich bei den Proben wiederum Dinge, wir haben auch noch ein wenig improvisiert, also war das Drehbuch eigentlich nie an dem Punkt, wo die eine perfekte Fassung fertig war, weder beim Drehen noch beim Prozess des Schnitts, weil sich ja dabei auch noch vieles ändert – das ist eine fluide Sache für mich.
Warum gibt es denn im österreichischen Film relativ wenige Genre-Arbeiten?
Weil es so wenig Geld gibt, ganz klar. Auch unser Film war nur möglich, weil alle, die daran mitgearbeitet haben, viel Enthusiasmus für ein Projekt, das eben etwas anders ist, mitgebracht haben. Realistisch haben wir alle vielleicht ein Drittel davon verdient, was in Wahrheit an Arbeit hineingesteckt wurde. So etwas kann man aber nicht immer bringen, das würde ich auch nicht wieder erwarten wollen. Aber sonst hätte Rubikon einfach nicht so ausgesehen, wie das nun der Fall ist. Wenn es mehr Geld geben würde, könnte man auch mehr derartige Filme machen.
Aber was die visuelle Erscheinung, die Textur und die Spezialeffekte angeht, wirkt „Rubikon“ wie eine höchst aufwändige Produktion.
Das ist die Produktion auch gewesen, aber das war nur durch die erwähnte Gratis-Manpower möglich, durch etliche nicht bezahlte Überstunden. Dazu gehörte auch eine sehr präzise, umfangreiche Vorbereitung, denn es gab kein Geld für einfaches Ausprobieren. Alles musste eine Punktlandung sein, es gab auch von meiner Seite mit jedem Department unheimlich viel zu tun. Beim Kostüm haben wir einmal eine Art Umweg genommen, und das hat uns fast das Budget zerpflückt. Es lief also auf Vorbereitung, Vorbereitung, Vorbereitung hinaus. Ich bin auch total dankbar, dass so etwas möglich ist, aber ich denke auch, das kann man von der Filmcrew nicht einfach erwarten, darauf würde ich mich auch aus Respekt vor allen an der Entstehung eines Films Beteiligten nicht mehr einlassen. Ich würde diese Erfahrung nicht missen wollen. Wenn so ein Enthusiasmus entsteht, ist es echt toll, aber nur weil das Ergebnis jetzt gut ausschaut, kann man nicht sagen: „Macht für dieselbe Kohle noch einmal so etwas.“
Nachdem Sie mit dem Kurzfilm „Rote Flecken“ 2015 den Österreichischen Filmpreis gewonnen haben, hätte man annehmen können, dass es nicht lange bis zum ersten Spielfilm dauern würde?
Ehrlich gesagt ist es ziemlich schnell gegangen, es gibt Projekte, die sehr viel länger in der Förderung hängen bleiben. Da hatten wir durchaus Glück, bei fast jedem Termin gefördert worden zu sein, auch weil einige Dinge dabei günstig zusammengekommen sind. Erstens war es schon etwas Neues, wir haben das aber auch gut durchdacht. Bei den Hearings war zumeist das ganze Team dabei, um gemeinsam Überzeugungsarbeit zu leisten. Die VFX-Leute haben dargelegt, dass so etwas machbar ist, wenn man alles genau durchplant. Und dass eine junge Frau einen Science-Fiction-Film macht, hatte dann wahrscheinlich auch einen gewissen Schauwert. Es ist also eigentlich recht schnell gegangen. Was Zeit gebraucht hat, war, dass ich zwischenzeitlich in Kanada war und dort als Hochhaus-Fensterputzerin gearbeitet habe, weil ich erst meinen Spaß am Filmemachen wieder finden musste.
Wieso ist der Spaß verloren vergangen?
Der geht bei mir alle paar Jahre verloren. Filmemachen ist eine kleine Blase innerhalb einer Gesellschaft, die sich auch die ganze Zeit selbst beweihräuchert, aus dieser Echokammer muss ich immer wieder einmal heraus. Auch jetzt muss ich wieder einmal Pause machen. In solchen Pausen lernt man auch etwas über das Leben. Dieser Job als Fensterputzerin war einer der schönsten, die ich je gemacht habe, ich habe dabei tolle Leute getroffen und viel über mich selbst erfahren.
Wo haben die Dreharbeiten zu „Rubikon“ stattgefunden, wo konnte man solche Sets aufbauen?
In einer ehemaligen Panzerfabrik in Simmering, das ist ein riesiges Gelände mit mehreren Hallen. Das Set, das wir gebaut haben, war einfach viel zu groß für jedes Filmstudio in Wien, das wäre nicht leistbar gewesen. Also musste es eine Lagerhalle werden, und eine der Hallen der Panzerfabrik hat von den Dimensionen, der Abdunkelbarkeit und dem Sound genau gepasst. Das Problem war nur, dass eine andere Firma die Örtlichkeit bereits als Lagerhalle nutzen wollte, sie wurde uns quasi vor den Augen weggeschnappt. Dann kam aber Corona dazwischen, dieser Firma war es dann doch zu riskant, und wir haben wieder die Chance bekommen. Aber es war echt schwierig, ein passendes Objekt zu finden.
Auch die Spezialeffekte sind hier in Österreich gemacht worden, wobei man aber schon anfügen muss, dass unser VFX-Supervisor Franz Brandstätter Verbindungen in die ganze Welt hat. Einige der hochkarätigen Spezialisten, die er kennt, haben an Rubikon auch deshalb mitgearbeitet, weil sie ihn eben gut kennen und das Projekt cool fanden – deren üblichen Stundensatz hätten wir nicht bezahlen können. Franz Brandstätter und ich haben schon sehr genau gewusst, was wir wollten, aber die Spezialeffekt-Leute hatten dann viel mehr Freiheit, als sie es sonst gewohnt sind. Es war also ein internationales Team in Sachen Spezialeffekte dabei, den Kern hat dabei die Firma „arx anima“ aus Wien gebildet.
Beruht das präzise Wissen, wie „Rubikon“ aussehen sollte, auf Science-Fiction-Filmen, die Sie gesehen haben?
Gar nicht so sehr. Viel kam von den Notwendigkeiten des Drehbuchs und aus Gesprächen mit dem Team, da ist viel Material zusammengetragen worden, und ich habe dann entschieden, das ist etwa genau das, was ich will. Ich musste solche Entscheidungen treffen, denn es war kein Raum für Zweifel, im Sinne von „Wir schauen einmal“. Ich habe den Satz „Let’s fix it in the post“ am Set verboten, ebenso wie in der Preproduction ein „Das schauen wir uns dann am Set einmal an“. Die Dinge mussten vorher klar sein, damit zumindest ich mich am Set auf die Arbeit mit den Schauspielern konzentrieren konnte und technische Fragen nicht mehr kommunizieren musste. Meine beiden Kameramänner sind ebensolche Perfektionisten wie ich, denen war es auch wichtig, dass wir so vorbereitet ans Set gekommen sind. Wenn es dann doch während der Proben zu Änderungen gekommen ist, konnten wir alle superleicht darauf reagieren, weil wir genau wussten, was der Ausgangsort war. Anders kann man so einen Film aber auch nicht machen.
Inwieweit hat es die visuelle Gestaltung von „Rubikon“ beeinflusst, dass Sie auf der Filmakademie Regie und Kamera studiert haben?
Ich glaube, es war schon wichtig, dass ich visuell versiert bin. Wir hatten auf der Akademie Unterricht in Visual Effects, das war etwas, das mich von Anfang an extrem fasziniert hat. Da habe ich schon so viel Wissen mitbekommen, dass mir ein Visual-Effects-Artist am Set keinen Blödsinn erzählen kann, beispielsweise, ob etwas nicht möglich ist. Die Filmakademie pocht auf Vorbereitung, aber auch darauf, dass man in jedem Bild, das man macht, eine Referenz zum großen Ganzen findet. Wenn man mit dem gesamten Team durchgeht, was jede Szene im Kontext will, findet man auch in Kleinigkeiten etwas, das darauf hinarbeitet. Wenn alle Departments wissen, worum es geht, dann wird das immer mehr zu einem Guss.
Was Ihre Arbeitsweise angeht: Wieviel Gestaltungsspielraum haben die einzelnen Departments bei der Produktion?
Es ist zwar nicht mein üblicher Modus operandi, aber bei Rubikon habe ich schon die Zügel sehr fest in der Hand gehabt. Da gab es kein „Macht einmal und zeigt mir dann, was ihr gemacht habt“, weil eine Detour einfach das finanzielle Chaos bedeutet hätte. Ich liebe das schon, wenn anderer Input kommt, aber hier war ich doch recht streng. Bei den Schauspielern habe ich mehr losgelassen, aber das wollte ich auch so. Regie führen bedeutet für mich eben auch loslassen, echte Menschen aufeinander kommen und echte Dinge passieren lassen, an die man beim Schreiben des Drehbuchs gar nicht denkt. Das sind die Dinge, wo man Freiraum schaffen soll, aber nicht bei den technischen Fragen. Ich lasse Leute schon gerne alleine arbeiten, aber hier ging das einfach nicht. Ich hatte da wenig Probleme. Ich denke, wenn man genau weiß, was man will und das auch authentisch vertreten kann, dann bekommt man auch den Respekt des Teams, und den hatte ich. Ab und zu hat man sich nicht einigen können, dann musste aber eine Entscheidung getroffen werden und alle haben gewusst, dass ich die treffen muss. Das ist aber auch eine unangenehme Position, weil man damit ja auch ein Risiko eingeht. Ich habe bei Rubikon damit aber keine Schwierigkeiten gehabt, es ging am Set sehr harmonisch und wahnsinnig konzentriert zu.
Gibt es Filme, die Sie besonders beeinflusst haben?
Ich bin ein großer Fan von Star Trek, einige Folgen sind wahnsinnig philosophische Gedankenexperimente. Das ist etwas, das mir eigentlich an Sci-Fi gefällt, Zugänge ähnlich denen von Stanislaw Lem, wo man etwas über das Menschsein über eine Art Experiment erfahren kann. Was die Umsetzung angeht, bin ich sehr von Moon beeinflusst. Das war ein wenig Vorbild für unser Vorhaben, es war ja auch die erste Regiearbeit von Duncan Jones, ein „contained thriller“ mit einem vergleichsweise billigen Set. Als ich den Film das erste Mal gesehen habe, dachte ich: „Hut ab, so etwas würde ich auch gerne machen.“ Vom Storytelling her inspirierend war Ex Machina mit seiner Drei-Figuren-Konstellation, ein Film, der auch mit Wendungen und Geheimnissen arbeitet, die erst entwirrt werden müssen. Das ist natürlich eine andere Liga, aber ein Vorbild, auf das man hinarbeiten kann. Ich versuche aber, mich nicht zu sehr beeinflussen zu lassen, ich bin da ein wenig vorsichtig.
Wie würden Sie den Grundkonflikt von „Rubikon“ charakterisieren?
Ich glaube, es ist der innere Konflikt: Was schulden wir uns selbst, und wie viel Schuld haben wir gegenüber einer imperfekten Gesellschaft, in die wir hineingeboren werden und die uns schon sehr viel zumutet.
In welcher Sprache wurde gedreht?
Englisch. Als wir das Drehbuch begonnen haben, war die Raumstation noch die ISS, da war die Idee mit den dominanten Konzernen nicht ausformuliert, sondern es gab da noch Nationen. In so einem Setting erschien es absurd, dass alle Deutsch sprechen. Später hat sich das Drehbuch weiterentwickelt, die englische Sprache haben wir aber beibehalten. Was mir aber daran gefällt, ist das Entstehen von kleinen Culture Clashes, etwa dass die Charaktere, wenn sie sehr emotional werden, in ihre eigene Sprache zurückfallen. Mit der eigenen sprachlichen Akzentfärbung bringt auch jeder einen kleinen kulturellen Kosmos mit. Das fällt in der synchronisierten Fassung weg, was aber meine Entscheidung war, weil dann nur der Charakter Dimitri Krylow mit einem russischen Akzent gesprochen hätte, da muss man eine feine Balance finden, damit es nicht peinlich wirkt. Zudem hätte das dieser Figur gegenüber den anderen eine Wichtigkeit gegeben, die sie nicht hätte haben sollen. Das wäre ein Fokus gewesen, den ich nicht wollte.
Wie ist es zu dem Titel gekommen, in einer frühen Fassung hat der ja noch „Sojus“ gelautet?
Bei „Sojus“ wäre die Frage gewesen, ob wir überhaupt die Rechte bekommen, zudem hat dieser Titel auch thematisch nicht mehr gepasst. In dieser Welt, in der die Geschichte spielt, wäre es absurd gewesen, wenn eine Raumstation immer noch so heißt, nachdem große Konzerne alles mit einem neuen Branding versehen haben. „Rubikon“ ist eher mit etwas Glück entstanden, drei Wochen vor Drehbeginn hatten wir noch keinen neuen Titel, nachdem der im Film aber oft vorkommt, musste ich mir etwas überlegen. Als ich einmal entlang der Donau spazieren gegangen bin, habe ich ein gestrandetes Schiff, das schon stark verrostet war, entdeckt – und das hatte den Namen „Rubikon“. Ich fand schon den Klang schön und auch von der Bedeutung her passend, was den Zustand der Welt betrifft, in dem die Geschichte spielt. Jeder der Charaktere erlebt aber auch so einen Point-of-no-Return, das war also dann passend.
Wie hat sich die Besetzung entwickelt?
Die Förderung und der ORF wollten für die Rolle der Hannah Wagner jemanden mit einem internationalen Bekanntheitsgrad, was hierzulande so nicht möglich war, also mussten wir uns international umschauen. Aber da hat niemand mich oder das Projekt gekannt, außerdem stehen nicht viele Frauen auf Sci-Fi, wir haben niemanden gefunden. Also sind wir zurück zum ORF gegangen und meinten, das ist eine unmögliche Aufgabe und außerdem möchten wir eine österreichische Schauspielerin für die Rolle – das konnten wir schließlich durchsetzen. Julia Franz Richter ist mir von vielen Leuten empfohlen worden, ich habe sie zum Casting eingeladen, und im Gegensatz zu anderen Schauspielerinnen ist sie die Rolle ganz anders angegangen, Julia hat die Figur zusätzlich gefüllt und spannender gemacht.
George Blagden haben wir zuerst über die Casterin ins Auge gefasst, er hat gleich perfekt ausgeschaut, sich auch sehr für die Rolle geöffnet und das Projekt sehr ernst genommen. Bei unserem ersten Treffen in England waren wir künstlerisch gleich auf einer Linie und haben sofort gesagt: „Wir machen das.“ George war immer unkompliziert, er mochte das Projekt einfach.
Im Fall der Figur des Dimitri war es so, dass wir bis einen Monat vor Drehbeginn einen anderen Schauspieler hatten, der dann wegen eines russischen Projekts kurzfristig abgesagt hat. Also haben wir uns entschlossen, einmal bei Mark Ivanir, der perfekt für die Rolle passen würde, anzufragen. Er fand das Drehbuch super, wollte allerdings noch einmal mit mir sprechen. Ich war aber zu dem Zeitpunkt gerade in den Bergen und konnte erst zwei Tage später mit Mark in Kontakt treten. Wir hatten dann ein echt tolles Gespräch, danach hat er auch die finanziellen Möglichkeiten von unserer Seite akzeptiert.
Wie ist die Arbeit mit den Schauspielern verlaufen?
Das war spannend, weil ja die drei von verschiedenen Schulen kommen, der britischen, der amerikanischen und der österreichischen. Ich glaube, dass das Vorteile mit sich bringt, wenn drei ganz verschiedene Zugänge aufeinandertreffen, dann entsteht mehr Magie. Wenn sich ein Schauspieler komplett anders vorbereitet als der andere – wobei ich darauf geachtet habe, dass sie miteinander darüber nicht zu viel reden –, passiert mehr Unerwartetes. Auch wenn das oft nur Kleinigkeiten sind, ist es wie ein Geschenk. Die Dynamik zwischen den Schauspielern ist im Verlauf der Dreharbeiten sehr ähnlich jener zwischen den Figuren geworden, da musste nicht mehr viel gespielt werden. Dann kam auch noch Covid dazu, wir waren der erste Dreh in dieser Zeit (die Dreharbeiten fanden von 1. November bis 20. Dezember 2020 statt; Anm.), es gab da noch keine Impfung, man konnte nur testen. Man durfte wegen des Lockdowns nur wegen der Arbeit hinaus, da herrschte eine Art Lagerkoller vor. Mark Ivanir wollte unbedingt seine Familie kommen lassen, weil er sie auch wegen anderer Projekte lange nicht gesehen hatte, die konnten aber unter diesen Umständen nicht kommen. George Blagden ist damals gerade Vater geworden, auch er hat seine Familie vermisst. Julias Mitbewohnerin hat Corona bekommen, sie durfte nicht mehr in die Wohnung und musste allein im Hotel wohnen, das war sehr schwierig für sie. Am Anfang wussten wir gar nicht, ob der Drehstart überhaupt hält. Wir hatten die erste Teambesprechung am Set, als plötzlich die Herstellungsleiterin kam und meinte, wir müssten jetzt alle gehen, weil drei Teammitglieder positive Testergebnisse aufwiesen. Aber durch diese Umstände hat eine Anspannung angehalten, die auch gut war. Die klaustrophobische Atmosphäre, der die drei Protagonisten ausgesetzt sind, musste man nicht mehr spielen, das lebt man in diesen zwei Monaten Drehzeit. Das alles war schon sehr beklemmend, letztendlich hat das aber dem Film geholfen.
Können Sie ihren Weg an der Filmakademie nachzeichnen?
Ich war ein totales Film- und Fernsehkind, habe Filme auch gemeinsam mit meinem Vater, der ein großer Science-Fiction-Fan ist, gesehen. Dass ich Regie führen wollte, war klar, sobald ich das Konzept von Film verstanden habe. Ich habe schon ziemlich früh angefangen, kleine Kurzfilme zu drehen, auch weil ich auf die Filmakademie wollte und mich so darauf vorbereitet habe. Einer dieser Kurzfilme ist auf der Diagonale gelaufen, das hat mich auch bestärkt. Ich bin mit 18 auf die Filmakademie gekommen, zuerst im Fach Kamera. Dass ich nicht gleich Regie gemacht habe, war ein wenig einer rebellischen Phase geschuldet. Dann ist man von Seiten der Akademie aber bezüglich Regie auf mich zugekommen, ich musste dafür keine Aufnahmeprüfung mehr machen und konnte Regie und Kamera studieren. Ich habe ein paar Kurzfilme gedreht, war auf ein paar Festivals, wie etwa dem Max-Ophüls, damit vertreten.
Dann kam der Österreichische Filmpreis, danach gab es von etlichen Produzenten die Frage nach einem Skript. Es ist nicht so, dass man sich fragen muss, ob jemand mit einem arbeiten will, die Produzenten erkundigen sich, ob man ein Drehbuch hat, weil sie etwas zum Einreichen brauchen. Es haben sich jetzt sogar schon Leute aus Hollywood bei mir gemeldet, nachdem sie nur den Trailer von „Rubikon“ gesehen haben, obwohl man das nicht so ernst nehmen darf. Letztendlich wollen die auch, dass man drei, vier Drehbücher in petto hat, die kreisen ein wenig wie Geier herum. Ich interpretiere da aber nicht zu viel hinein. Wenn etwas in die Richtung passiert, dann passiert es.
Gibt es sonst Reaktionen zu „Rubikon“, der Film ist ja in Cannes im Rahmen des Frontières Buyers Showcase vorgestellt worden?
Die waren sehr gut, der Weltvertrieb The Playmaker, der von Anfang an uns geglaubt und das Projekt sehr spannend gefunden hat, konnte Rubikon schon in viele verschiedene Territorien verkaufen, sogar in die Vereinigten Staaten, nach England, Irland, Australien, Frankreich, Italien, Südkorea und Japan.
Gibt es neue Projekte?
Ich habe jetzt die Förderung für eine Stoffentwicklung bekommen, das ist auch eine Art Sci-Fi-Geschichte, weniger weit entfernt, da geht es um Wissenschaftler, die einen Beweis dafür gefunden haben, dass es keinen Gott gibt – und was das aus der Gesellschaft macht. Es gibt vier Geschichten von vier Figuren aus verschiedenen Kulturkreisen. Es geht darum, wie die Gesellschaft mit unangenehmen Wahrheiten umgeht, und wie weit der Mensch mit seinen Angstmechanismen geht, um zu leugnen, was einfach da ist.