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Alexander Fischbacher, Marco Zinz

Österreich. Ein Dossier

Das Streben nach Perfektion

| Günter Pscheider |
Marco Zinz und Alexander Fischbacher, die Masterminds der Postproduktionsfirma The Grand Post, im Gespräch über einen wichtigen, dem Kinopublikum aber meist gänzlich unbekannten Bereich des Filmemachens.

Wer bei Hollywoodfilmen bis zum Ende des Abspanns im Kino sitzen bleibt, traut seinen Augen kaum ob der Unzahl an Leuten, die im Postproduktionsbereich als Foley Artist, Sounddesigner oder ADR Director auf der Liste der Mitarbeiter aufscheinen. Hierzulande ist das Postproduktions-Department schon auf Grund der wesentlich geringeren Anzahl der Special Effects und der viel kleineren Budgets überschaubarer, aber keineswegs weniger wichtig. Die Firma The Grand Post bietet als einzige in Österreich ein All-In-Postproduktionspaket an. Geschäftsführer Marco Zinz und seine rechte Hand Alexander Fischbacher haben mit viel Leidenschaft für ihr Metier in den letzten Jahren ein von der Branche sehr geschätztes Zentrum für das Feintunen von Bild und vor allem Ton in Wien-Neubau auf die Beine gestellt. Im lauschigen Garten der Zentrale dieses kleinen Imperiums sprechen die beiden unterschiedlichen Charaktere über die Kunst des Geräuschemachens, den Mut zu Bauchentscheidungen und die vielen Ebenen der Tongestaltung.

Wie ist The Grand Post zu einer Firma geworden, die fast alle Bereiche der Postproduktion abdecken kann?
Marco Zinz:
Nach dem Studium auf der Fachhochschule für Media Art in Salzburg und diversen Tätigkeiten in der Musikbranche hat mich ein Freund gefragt, ob ich bei einem Dreh in Istanbul den Set-Ton machen möchte. Daraus hat sich das Sounddesign für einen Film entwickelt. Darauf habe ich mich dann spezialisiert und hatte ein kleines Studio im 4. Bezirk. Der Platz in dem kleinen Raum reichte irgendwann nicht mehr, weil ich auch die Mischung machen wollte. Die Räumlichkeiten in der Kaiserstraße 78 – eine ehemalige Meinl-Filiale – waren groß und günstig. Warum sie so günstig waren, hat man bei der ersten Besichtigung dann gesehen: Es gab kein Tageslicht, und es stand eben schon länger leer, dementsprechend war der Zustand. Wir haben die Wände mit großen Fenstern zum Garten aufgemacht und zusätzlich die Dachluken zur Beleuchtung der Studios genutzt. Im Zuge des Umbaus hat sich dann sehr organisch die jetzige Struktur ergeben. Wir haben hier im Haus Schnittplätze, verschiedene kleinere Studios für Colour Grading usw., einen Kinosaal zum Mischen und sogar eine kleine Wohnung, wo Regisseure oder Editoren tageweise unterkommen können. In den letzten Jahren sind wir dann aber organisch gewachsen und haben noch vier Schnittplätze in der Halbgasse und ein state-of-the-Art Foley-Studio für Geräuschaufnahmen samt einem größeren Projektionssaal für Farbkorrektur und Mischungen in der Seidengasse dazugemietet und aufgebaut. Das alles war natürlich mit großen Investitionen verbunden. Wenn ich mir dieser Dimensionen am Anfang bewusst gewesen wäre, hätte ich es wohl nicht gemacht. Aber ich habe immer alles, was ich verdient habe, sofort re-investiert, und bei diesen Entscheidungen auf mein Bauchgefühl gehört, das mich zum Glück noch selten im Stich gelassen hat.

Alexander Fischbacher: Ich bin studierter Wirtschaftswissenschaftler, habe mich aber schon als Kind für das Medium Film interessiert. Nach dem Studium war ich ein paar Jahre im Filmvertrieb bei Disney Deutschland, danach einige Jahre in der Lugner Kino City in der Geschäftsführung tätig. Dort habe ich das Feld der Postproduktion kennengelernt, weil wir den legendären Saal 8 technisch so avanciert eingerichtet haben, dass viele Postproduktonsfirmen dort ihre Abnahmen gemacht haben. Das hat mich 2011 zur Synchro-Betriebsleitung geführt. Als die Firma 2016 zugesperrt hat, hatte ich eine Handvoll gute Leute mit guten Projekten an der Hand, die sozusagen ein neues Zuhause gesucht haben.

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MZ: Als dann Alexander mit dem Angebot zu mir gekommen ist, auf die Bildbearbeitung zu erweitern, schien das der richtige Weg zu sein. Es waren dann nur zwei Monate Zeit, um das alles auf die Beine zu stellen, das hat uns sehr zusammengeschweißt, jeder hat das, was er konnte, dazu beigetragen, dass es funktioniert.

Wie darf man sich die Rollenaufteilung bei Ihnen vorstellen?
AF: Marco ist der Geschäftsführer, und ich bin sozusagen der Erste Offizier. Wir haben das Privileg, dass wir alle an einem Strang ziehen und dasselbe Ziel haben, nämlich möglichst gute Arbeit zu leisten, aus Freude daran, aber auch, um Leute mit guten Projekten beschäftigen und ordentlich bezahlen zu können. Das kann man gar nicht hierarchisch betreiben. In vieler Hinsicht ist es ein Ermöglichen, dass Sounddesigner, Geräuschemacher, Colour Grader ihre kreative Arbeit machen können und unser technisches Personal zeitgerecht und richtig abliefern kann.

MZ: Meine Hauptaufgabe derzeit ist eindeutig administrativ, zum Mischen oder zum Sounddesign komme ich überhaupt nicht mehr, weil das natürlich zeitintensive Tätigkeiten sind, die eine gewisse Ruhe brauchen, wo auch nicht dauernd das Telefon klingeln kann. Aber das Organisatorische macht mir auch sehr viel Spaß. Ich bin grundsätzlich ein Typ, der immer einen möglichst guten Job machen will, egal, was die Herausforderung ist. Ein gewisses Streben nach Perfektion ist für die Mitarbeit in der Postproduktion ein guter Antrieb.

Sie haben ein sehr breites Portfolio von Fernsehproduktionen wie „Soko Donau“ oder „Blind ermittelt“ über Kinofilme wie „Was wir wollten“ bis zu Dokumentar- und Experimentalfilmen. Wie kam es dazu?
MZ: Ich persönlich finde es ganz spannend, verschiedene Sachen zu betreuen. Fernsehen wird abseits der Soko erst in den letzten zwei Jahren immer mehr, weil auch wegen des Streaming-Angebots mehr produziert wird. Wir sind sicher nicht die billigsten, es gibt sowieso immer jemand, der es billiger macht. Das ist nicht die Firmenpolitik, das über den Preis zu entscheiden, es geht da mehr ums Vertrauen darauf, dass wir gute Arbeit leisten. Natürlich hat zum Beispiel eine vom BMKÖS geförderte Doku weniger Budget als eine ÖFI-geförderte, wobei der Arbeitsaufwand prinzipiell ein ähnlicher ist. Da muss man dann Abstriche beim Aufwand machen, den man betreibt, wobei es auch kleine Projekte gibt, die sehr großen Wert auf die Qualität des Tons legen und das auch im Budget so festlegen, weil sie ja wissen, was es im Endeffekt kostet. Aber im Großen und Ganzen muss man sich einfach zusammensetzen und schauen, was das Beste für beide Seiten ist und wie man das im Budget unterbringt.

AF: Auch bei Experimentalfilmen von Peter Tscherkassky, Josef Dabernig oder Christiana Perschon wird man sich normalerweise einig. Das sind sehr oft analoge Sachen, bei denen wir eine spezielle Kompetenz haben, weil wir Leute im Team haben, die auch analoge Filme gescannt haben, die wissen, wie man rückbelichtet. Wir haben auch ein europaweites Netzwerk von Labors, mit denen wir regelmäßig zusamenarbeiten. Das sind Filme mit wenig Budget, die aber Herzensangelegenheiten für uns sind. Es ist uns wichtig, dass auch der analoge Film am Leben bleibt.

MZ: Budgets sind außerdem nicht so fix, wie man meinen sollte. Das, was für die Postproduktion kalkuliert wird, kommt nicht immer bei uns an. Das hängt dann von vielen verschiedenen Umständen ab, aber meist verschieben sich die einzelnen Posten noch während des Drehs. Und die Postproduktion ist nun einmal das letzte Glied in der Kette. Es gibt Länder, wo ein fixer Prozentsatz des Budgets für die Postproduktion reserviert ist. Das wäre natürlich schön, weil es mehr Planungssicherheit gibt und man nicht am Ende mit noch weniger Geld als geplant zaubern muss.

Postproduktion ist ein sehr vielfältiger Bereich, über den auch am Film Interessierte relativ wenig wissen. Wie ist da der Ablauf?
MZ: Es gibt, vereinfacht gesagt, drei Ebenen bei der Tongestaltung abseits der Musik: Der Sounddesigner betrachtet das große Ganze, der Set-Tonmeister ist für den Ton am Set zuständig, und der Mischtonmeister bringt das Ganze am Ende in eine Form. Der Sounddesigner tritt idealerweise schon während des Drehs mit den Tonmeistern in Kontakt und tauscht sich über seine Vorstellungen mit der Regie aus. Am Set wird dann der bestmögliche Ton vor Ort eingefangen. Das ist zum Großteil die Sprache, die Dialoge. Wenn da viel schief geht, muss auch nachsynchronisiert werden, das heißt, die Schauspieler müssen extra ins Studio und einzelne Dialoge oder Szenen noch mal sprechen. Nach Picture Lock beginnt man mit dem Tonschnitt, sucht alle Aufnahmen aller Mikrofone zusammen, erstellt eine Liste, schaut, was wo sauber drauf ist. Wo gibt es technische Probleme, wo wünscht sich die Regie oder das Sounddesign noch zusätzliche Elemente wie Hintergrundgeräusche oder ADR (Additional Dialogue Recording). Parallel dazu beginnt das Sounddesign, bei dem die ganzen Atmosphären, die Stimmungen gebaut werden. Musik ist meist ausgelagert, der oder die dafür Zuständige steht aber natürlich auch in Kontakt mit dem Sounddesign. Die besprechen, wo die Musik die Stimmung übernimmt oder wo dafür eher das Sounddesign zuständig ist. Die Regie arbeitet da normalerweise eng mit dem Sounddesign zusammen, und die Editorin oder der Editor hat natürlich auch ein Wörtchen mitzureden. In diesem Prozess entsteht dann erst, was man im Kinosaal hört, der Set-Ton liefert dafür „nur“ die Grundlage. Bei Dokumentarfilmen nimmt man tendenziell mehr vom Originalton her. Da gibt es aber auch Ausnahmen, wie z.B. Hubert Saupers Epicentro, wo er mit seiner kleinen Kamera mit eingebautem Mikro losgezogen ist, da kann man dann sehr wenig von diesem Ton verwenden, maximal die notwendige Sprache rauskitzeln. Fast alle Geräusche und Atmosphären, die man im Kino hört, wurden im Studio mit möglichst authentischen Sounds kreiert. Das war aufwändiger als bei manch einem Spielfilm. Am Ende des Prozesses steht dann die Mischung, bei der alle Stränge zusamenlaufen, also Originalton, Sounddesign, Geräusche und Musik, ganz am Schluss kommt dann das Mastering, wo Bild und Ton vereint werden und in eine DCP verpackt werden.

Es gibt bei Ihnen auch einen eigenen Raum für Geräuschemacher. Man könnte meinen, dass im digitalen Zeitalter keine Notwendigkeit mehr für eine solche sehr alte Technik besteht.
MZ: Nein, dieser gut ausgestattete Raum ist bestens gebucht. Dort können Schritte auf verschiedensten Böden aufgenommen werden, es gibt einen Wassertank und vieles mehr. Einerseits existiert eine rein technische Komponente: Von jedem Film muss eine Art internationale Version mit ET-Band erstellt werden ohne jegliche Sprache. Dazu müssen die Geräusche, die während der Dialoge auftauchen und nicht auf einer anderen Spur sind, nachsynchronisiert werden. Aber man kann bei diesen nach ihrem Erfinder Foleys genannten nachträglich aufgenommenen Geräuschen auch sehr kreativ arbeiten, zum Beispiel etwas betonen, was auf dem Originalton im Hintergrund zwar auch drauf ist, aber eben nicht hervorstechend genug. Jeder Mensch hat seinen ureigenen Gang, den man auch sofort am Geräusch, am Rhythmus erkennt. Das ist ein kreativer, gestalterischer Prozess, der noch dazu weniger aufwändig ist, als wenn man footsteps, outdoor, concrete eingibt und dann 500 Ergebnisse erhält, die nie so synchron und authentisch sein werden wie vom Geräuschemacher direkt fürs Bild komponiert.

AF: Auf der Bildebene ist der Ablauf ungefähr so: Man steigt wie früher in analogen Zeiten während der Dreharbeiten am Kopierwerk ein. Man übernimmt Kamera-Rohdaten, die jetzt digital sind, sichert sie und bereitet sie auf im Schnittraum, macht eine erste kleine Farbkorrektur, damit man sich etwas vorstellen kann und gibt das Material an die Produktionsfirma, die entweder einen eigenen Schneideraum hat oder einen anmietet. Dann warten alle auf den heiligen Picture Lock, also das Ende des Montageprozesses. Dann folgt das Colour Grading, was auch ein sehr wichtiger und kreativer Prozess ist, etwaige Retuschen und Special Effects müssen auch noch eingefügt werden.

MZ: Am Ende des Prozesses steht dann die Mischung, bei der alle Stränge zusamenlaufen, also O-Ton, Sounddesign, Geräusche und Musik, ganz am Schluss kommt dann das Mastering, wo Bild und Ton vereint werden und in ein DCP oder Sendefile verpackt werden, bei der man als Zuschauer meist gar nicht merkt, wie viel Arbeit und Kreativität in die Postproduktion geflossen ist. Aber ich glaube, die Kinobesucher würden sich bei einem Film ohne Postproduktion sehr wundern über dieses sehr verminderte Seh – und Hörerlebnis.

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