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Dein Leben – Mein Leben

Filmstart

Dein Leben – Mein Leben

| Susanne Jäger |
Doku-Selbstschau über ein Leben, Zweifel und darüber, was noch alles passieren könnte

 

Marko Doringers Selbst- und Lebensbeobachtungs-Serie geht in den vierten Teil. Wie bereits in den Vorgängerfilmen (Mein halbes Leben, Nägel mit Köpfen, Mein Wenn und Aberbeschäftigt er sich halbwegs selbstironisch in DIY-Ästhetik mit (seinen) zwischenmenschlichen Beziehungen. Seine Familie, Eltern, Freunde aus der sich selbstverwirklichenden urbanen Mittelschicht im Österreich und Deutschland von heute leben vor sich hin. Alle treibt die Frage an, wie sie ihr Privatleben und den Verlauf der Dinge meistern. Im Rahmen einer Bobo-Selbstaffirmation denken alle (wie wahrscheinlich ständig, seit es Psychotherapie gibt) sehr lange und ausführlich über sich selbst nach. Bin ich glücklich, bin ich zufrieden, wenn ja, wenn nein, warum? Was sagt mein Partner? Wo wohne ich? Habe ich Kinder, sollte ich Kinder haben, was sagen meine Eltern? Wie war es früher, wie ist es jetzt? Sind meine Eltern Schuld, dass ich unglücklich bin? War jemals irgendwer glücklich? Der Protagonist und seine Peers sind in ihren Vierzigern und haben jetzt nach der langanhaltenden Spät-pubertät eine Midlife-Crisis. „Ich habe alles, Job, Frau, Kind und trotzdem bin ich nicht happy“, sagt Hauptfigur Doringer, als wäre es ein Menschenrecht, happy zu sein. Beruflich verfolgen die männlichen Protagonisten „freestyle“ „Projekte“, eröffnen und schließen Dinge, gehen auf Weltreise oder auf Reise zu sich selbst, jammern und „schauen noch“. Die Frauen im Hintergrund verdienen Geld oder sprechen Mut zu, versorgen Familienmitglieder, um fallweise gesagt zu bekommen, dass sie nicht empathisch genug seien. Einen „festen Anker“ im Leben der Männer bieten zum Beispiel eine Autosammlung oder eine Langzeitbeziehung mit einer geduldigen Frau, oder auch die stetige Frage, ob der eigene Vater in der Kindheit jetzt eigentlich unverhältnismäßig distanziert und kühl war, oder eh wie alle anderen Väter zu der Zeit, und wie er geworden ist, wer er geworden ist. Antworten gibt es darauf zwar keine, aber Andeutungen über Kriegstraumata von Großvätern, über große und kleine Schicksalsschläge, über Einsamkeit und Depression.

Das ist als Film schon in Ordnung so. Man kann sich das ansehen, so wie man sein Gesicht in einen Vergrößerungsspiegel hält, um jede Pore einzeln auf etwaige Hautunreinheiten untersuchen zu können. Man könnte sich dabei aber vor Augen führen, dass ein Gesicht mehr als eine Ansammlung von Poren ist, und das Leben mehr sein könnte, als alle Erinnerungen von anno dazumal und das, was man die ganze Zeit so denkt – inklusive der ohnehin niemals eindeutig zu beantwortenden Frage, ob nicht alles anders sein sollte.