Märchenhafte Passagen durch eine Jahreszeit, in der die dort angesiedelten Filme das Gefühl eines lohnenden Aufbruchs am frühesten Morgen vermitteln.
Wer ist der Frühling und wenn ja, wie viele? Sicher jedenfalls ist, dass er mindestens (!) doppelgesichtig ist: Einer, der agrarische, ist jener, der sich mit der Vorstellung vom archetypisch ackernden Bauern verbindet, der im Märzen die Rösslein einspannt, daraufhin die Bäume schneidet und am Ende auch pflüget und sät. Der andere dagegen, der freizeitgeprägte, lässt einem mit „Veronika, der Lenz ist da“ den Leichtsinn in die Glieder fahren, um einen beim locker angetretenen Osterspaziergang aber doch wieder schwer ins Grübeln zu bringen, wie’s nach der Anfangsstrophe mit den vom Eise befreiten Strömen und Bächen eigentlich weitergeht. Sicher, man könnte Angela Winkler fragen, doch die hängt, wie immer, gründlich ihren eigenen Gedanken nach, ja hat sie in ihrem Buch „Das blaue Zimmer“ auch schon niedergeschrieben: „Die schönste Zeit im Jahr ist, wenn die Heckenrosen blühen und der Holunder und der rote Mohn. Das ist Mitte Mai, wenn die Schwalben ihre Jungen füttern.“ Und einen weiteren Frühling beschreibt Christian Enzensberger im Zusammenhang seiner Überlegungen zur deutschen Übersetzung von Lewis Carrols „Alice im Wunderland“: Es sei die „Jahreszeit der Ungewissheit“, „überaus reizvoll, aber zutiefst vorübergehend“, denn in ihr werde „die Zweideutigkeit hoch gehalten“ und dem „Vergnügen im Bordell der Möglichkeiten“ Vorschub geleistet – ganz gleich übrigens, ob man dabei eher die vegetativen oder symbolischen, die sexuellen, sentimentalen oder politischen Möglichkeiten ins Auge fasst.
Schwarmstimmung
Winterkühle und Sommerhitze liegen noch im Widerstreit in Louis Malles Milou en Mai (1990), aber die Bienenvölker sind bereits hochaktiv. Gefährlich dicht um den Kopf des Bauern hat sich ein Bienenschwarm niedergelassen; geschützt von einer Imkermaske und mit lauter Stimme auf lateinisch aus einem Buch deklamierend, umschreitet ihn Milou (Michel Piccoli) – er rezitiert aus den „Georgica“, einer Sammlung von Lehrgedichten des römischen Dichters Vergil über den Landbau; nur er, Vergil, könne die Bienen beruhigen. Dessen viertes Buch von der Imkerei idealisiert den Bienenstaat als Herrschaftsgleichnis, sein Lob der Bienen sieht deren Staatswesen als ein Vorbild für die Verfassung des römischen Reichs an. Dieses Jahr seien sie nervös. In den Radio-Nachrichten – aus dem Off – werden Aufstände aus der Hauptstadt gemeldet. Das Gambetta-Gymnasium ist zum Lycée Che Guevara umbenannt worden, Benzin soll knapp sein, und sogar die berüchtigte C.R.S. (Compagnies Républicaines de Sécurité) sei im Einsatz. Das Radio tönt in der Küche. Eine alte Dame (Paulette Dubost) ist mit Kochen beschäftigt. Man sieht, wie sie sich Tränen aus den Augen wischt, dann zeigt die Kamera, dass sie Zwiebeln schneidet. Den Herzanfall, welchen sie kurz darauf erleidet, überlebt sie nicht. Ihr Sohn indessen radelt den sonnigen Frühlingstag die Landstraße nach Hause und sorgt sich, dass er womöglich zu spät zum Mittagessen kommt. Letztlich sei die Revolution schuld an ihrem Tod – „wo sie doch immer für Ordnung war“ – wird Milous bürgerlich-biestige Tochter (Miou-Miou) später erklären. Großes und Kleines durchdringen einander, aber nicht unauflöslich. Das Große ist präsent, jedoch nur als fernes Echo.
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Nach und nach trudelt die ganze Großfamilie mit Geschwistern, Onkeln, Nichten und wiederum deren Anhang im alten Familiensitz ein. Aber Milou en Mai verweigert sich der Konzentration auf eine Person oder ein zentrales Ereignis. Es gibt nur Schnittpunkte, an denen sich die Kreise, die die Personen durch den Film ziehen, überlagern. Die Hierarchie des Erzählens? Aufgelöst! Neue Ordnungen? Deuten sich an! Zögerlich, da hoffentlich nur „vorübergehend“ (s. o.), finden die einen sich mit der neuen Ungewissheit ab. Andere begrüßen sie enthusiastisch und als „überaus reizvoll“ (s. o.). Und ratlos sieht man der eigenen Gelöstheit im „Bordell der Möglichkeiten“ (s. o) zu – unsicher, wie weit sie tragen mag. Das Ringelreihen der zaghaften Träume und Frühlingständeleien wird am Ende nichts verändert haben, denn schon das geringste Verschieben der Gewichte stört die prekäre Balance der einzelnen Momente, beendet das Herzflimmern, das die Dinge in Bewegung gebracht hatte.
Bei einem Cocktail sollen Louis Malle und Luis Buñuel einmal über den Unterschied zwischen 1789 und 1968 gescherzt haben. Die Frage, so Buñuel, die Louis XVI. eines Morgens an seinen Kammerdiener richtete, ob der Lärm da draußen schon wieder eine dieser Revolten sei, habe der Kammerdiener damals mit: „Nein, mein König, das ist eine Revolution“ beantwortet. 1968 dagegen wären vor allem das Radio und das Fernsehen „voll auf Revolution“ gewesen, stattgefunden habe indes nur eine Revolte. Buñuel (radikal): „Wie aufregend und frei auch immer – aber wenn es nicht 50 Tote gibt, ist es keine Revolution!“ Malle (gemäßigt): „Gottlob leider! Leider gottlob!“ So ist Milou en Mai denn auch ein übermütig gemäßigter Film der sympathisierenden Erinnerung an einen kurzen Frühling der Anarchie.
Der Winter lag im Sterben, wir lebten immer noch
Die Ahnung eines anbrechenden Tauwetters oder gar politischen Frühlings war Kurt Barthels DEFA-Film Fräulein Schmetterling (1965-66) eingeschrieben – überliefert allerdings nur als Fragment: Das titelgebende Fräulein Schmetterling heißt Helene Raupe (Melania Jakubisková). Ein Teenager mit kurzer Bob-Frisur. Sie betritt den Film, indem sie in der von Mietshäusern gesäumten Straße auftaucht. Ihre kleine Schwester balgt dort mit Freunden, die mit herumstehendem Zeugs als Requisiten eine kleine Darbietung hinzaubern. Helene Raupe mischt sich unter die Zuschauer, greift einen alten Schirm, entfaltet ihn und zerlegt das Regenschutzdach in zwei Hälften, die ihr nun als Flügel dienen. Mit deren Hilfe hebt sie ab. Die Kinder johlen über die unerwartete Attraktion, die ihre Aufführung so unerwartet aufwertet. Fräulein Schmetterling schwebt märchenhaft über dem Pflaster, an Fenstern in den höheren Stockwerken vorbei bis zum Dachfirst und weiter hinaus in den frei scheinenden Himmel über Berlin – am Ende vielleicht sogar, wobei das aber nur der aufgeregten Fantasie der Zensoren entsprang, über die Mauer nach „drüben“.
Gedreht wurde Fräulein Schmetterling im Gefolge des sogenannten Jugendkommuniqués der SED (1963) nach einem Drehbuch von u. a. Christa Wolf, ist dann aber, noch während der Produktion, von einer Kaltfront aus Richtung der staatstragenden Eisheiligen angeweht worden und kam im Dezember 1965, zusammen mit Günter Stahnkes Der Frühling braucht Zeit sowie zehn weiteren DEFA-Spielfilmen, gründlich unter der Räder des berüchtigten „Verbotsplenums der Partei“.
Warum diesen Filmen so rabiat die Flügel gestutzt wurden? Unter anderem, weil sie zu sehr an die aus dem Prager Frühling erinnerten, der im Nachbarland u.a. mit Vojteˇch Jasnýs Wenn der Kater kommt (1963) oder Miloš Formans Der schwarze Peter (1964) tolle Blüten trieb, und weil die Macher, wie es offiziell hieß, „unter dem Mantel der Weltoffenheit“ einen kulturellen Weg propagierten, der „einem spießbürgerlichen Skeptizismus sowie uferlosem Nihilismus Tür und Tor öffnen sollte“.
Frühlingssonate
Könnte Rohmers Conte de printemps (1990), im Deutschen nüchtern als Frühlingserzählung tituliert, nicht auch als Märchen gelesen werden? Was im Französischen „un conte“ heißt, ließe jedenfalls sowohl das eine wie das andere zu. Unternehmen wir also kurz den Versuch, das Märchen mit der Erzählung zu verknüpfen, statt über der Erzählung das Märchen zu vergessen: Zwei Frauen schließen Freundschaft. Sie sind von unterschiedlichem Alter und auch sonst sehr verschieden. Auf einem Fest, bei dem beide niemanden kennen, begegnen sie einander. Die erste, Jeanne (Anne Teyssèdre), ist Lehrerin für Philosophie und hat eigentlich die Schlüssel zu zwei Wohnungen in der Tasche. Aber die eine ist voll. In die kann sie nicht. Und die andere ist leer. In die will sie nicht. Die zweite Frau, Natacha (Florence Darel), studiert Musik und hat das große Appartement ihres Vaters Igor (Hugues Quester) zur Verfügung. Der ist selten da, weil er nach der Scheidung der Eltern überwiegend bei seiner Freundin Eve (Éloïse Bennett) wohnt. Igor ist über 40, lebe aber wie ein Zwanzigjähriger, charakterisiert ihn Natacha. Und sie kann Eve, ungefähr so alt wie sie selbst, überhaupt nicht gut leiden, findet dagegen, dass ihre neue Freundin Jeanne eine gute Partie für ihren Vater wäre. In einem kleinen Anwesen, draußen vor der Stadt, dessen blühender Garten sich zwar endlos in die Tiefe des Bildes erstreckt, wo sich an den Seiten jedoch massive Mauern erheben, findet das Spiel aus Liebe und Zufall zu sich selbst. Begegnungen und Möglichkeiten, Konstellationen und Spielregeln in sehr störungsanfälligem Gleichgewicht. Außerdem durchziehen drei Wünsche den Film, die zugleich erfüllt wie vergeudet werden. Und am Ende fällt sogar eine gestohlen geglaubte Halskette, die viel Zank und Zwietracht stiftete, wie zufällig – oder eben märchenhaft – aus einem weg geräumten Schuh.
Wenn Kuppelei nach den Gesetzen der Mechanik funktioniert, ranken Emotionen in floraler Willkür: zwei Welten in märchenhaftem Widerstreit – aber immer auf dem Boden der Alltäglichkeit. Conte de printemps spielt nicht nur im Frühling, es ist eine Huldigung an das Frühjahr. In kurzen Einstellungen aus dem offenen Autofenster nistet eine Sehnsucht nach hellem Licht, neuen Farben, frischen Gerüchen. Beiläufige Blicke auf Blüten verschmelzen intensiv mit dem Stand der Dinge zwischen den Menschen. Und die Reproduktion eines späten Scherenschnitts von Matisse auf tonloser Wand erscheint plötzlich wie ein Echo der „Frühlingssonate“ von Beethoven, welche den Film eröffnet und beschließt.
Osterferien und Später Frühling
Zu Beginn des Schuljahres, damals noch nach den Osterferien, weht das Schicksal einen seltsamen Mitschüler vom anderen Ende der Welt in ein nobles Internat im bayerischen Hohenschwangau. Julien Duviviers Film Marianne (1955) – mit Horst Buchholz in seiner ersten Hauptrolle als Vincent, der Argentinier – erzählt in melancholischer Entrücktheit von Vorboten des Erwachsenwerdens und hormonellem Alarm in einem unschuldigen Schülerparadies. Alles flirrt, das Herz will zerspringen, der Frühling ist da. Bloß das Wetter schlug während der Dreharbeiten Kapriolen, weswegen sich auch der Autor der deutschen Vorlage, Peter de Mendelssohn, und der französische Regisseur Julien Duvivier nach Feierabend über die Verantwortung für diese Widrigkeit in die Haare gerieten. Warum er sich über die Möglichkeit schlechten Wetters keine Gedanken gemacht habe, als er das Buch schrieb, fragte der mürrische Regisseur angesichts einer erneuten Regenwand in greifbarer Nähe. Antwort des Schriftstellers (kleinlaut): „Als ich das Buch schrieb, vor zwanzig Jahren, regnete es nie. Damals schien immer die Sonne.“ Erwiderung des Regisseurs (nachdenklich und versöhnlich): „Nicht wahr, wie merkwürdig! Wenn man jung ist, scheint immer die Sonne. Es regnet nie. Es ist immer Frühling, ohne Unterlass, Jahr um Jahr. Erst wenn man seine erste enttäuschte Liebe hat, fängt es an zu regnen. Und dann hört es nicht mehr auf.“
Interessant der Gedanke, dass der Frühling vielleicht nur eine Schimäre ist, eine pure Erfindung. In Erinnerung an Banshun
(Später Frühling, 1949) von Ozu Yasujiro verbeugte sich Christoph Huber einmal mit folgenden Worten vor dem Film: „Aussparung dessen, was gemeinhin für Melodrama sorgt, stattdessen unauffällige virtuose Handhabung minimalster Mittel. Kontemplatives An- und Abschwellen der Szenenfolgen, gefüllt mit Schmerz und Schönheit des Lebens: Ein Witwer beschließt, dass es an der Zeit ist, seine älter werdende Tochter zu verheiraten. Behutsam ermutigt er sie, zu gehen, ohne ihre Gefühle zu verletzen. In einem der erhabensten Enden der Filmgeschichte bleibt er allein zurück. Die Folgenschwere des Einschnitts, ausgedrückt in wenigen Bildern: sorgfältiges Schälen einer Nashi-Frucht. Senken des väterlichen Haupts. Bild des Meeres.“ Die zeitliche Verortung, die im Titel des Films angedeutet ist, versteht sich weniger als Orientierungshilfe oder erzählerischer Hintergrund, denn als Bemühen, in einen Fluss vergehenden Lebens zu tauchen und dabei dessen Fließen, sowie sich selbst als dessen Teil, zu (be)greifen – vielleicht wie in einem Haiku von Basho Matsuo, dem Dichter, der im 17. Jahrhundert durch Japan wanderte und inspiriert von seiner Umgebung jeden Tag einen Haiku verfasste, darunter jenen: „Der Frühling scheidet: | Die Vögel weinen – selbst den Fischen | Kommen die Tränen.“
Hanami und Samurai
Kaum vermeidbar – aber warum sollte man auch –, beim Frühling an das berückende Schauspiel der Kirschblüte zu denken. Innerhalb weniger Tage, zwischen Anfang April und den ersten Maitagen, schweben die Blüten der japanischen Kirsche (Sakura) im kurzen Moment vollendeter Schönheit zu Boden. Neben Kawase Naomis An (Kirschblüten und rote Bohnen, 2015) widmete auch Doris Dörrie (Kirschblüten – Hanami, 2008) der Sakura-Season einen eigenen Filmtitel. Und in ihrer nachgereichten Making Of-Reportage „Über Kirschblüten, Butoh und das Filmen zwischen Ost und West“ schrieb sie: „Ein weißer Rausch hatte die Stadt überfallen, die Menschen blieben stehen, um die Kirschblüte zu betrachten, und lächelten. Hanami – „Blüten betrachten“ – heißt der Brauch, die Schönheit der in Blüte stehenden Kirschbäume zu feiern. (…) Es war ganz klar: die Kirschblüte musste in den Film. Sollte festgehalten werden in ihrer Vergänglichkeit. Als Widerspruch und Herausforderung.“ Auch im Kodex des Samurai wird die Kirschblüte bzw. ihr Ende hochgehalten, gilt sie doch als lauterstes Symbol für einen „würdigen Tod“, auch dafür, sein Leben wie eine Kirschblüte anzusehen – leichter wie eine Feder. Von der Ausbeutung respektive Abnutzung dieses Motivs handelt Ochiai Kens Uzumasa Limelight (2014), ein melancholischer Abgesang auf einen ehemals virtuosen Samurai-Darsteller (Fukumoto Seizo) und das ganze Genre von Samuraifilmen.
Mind the Gap
19-jährig und in der Uniform der Roten Armee kehrte der spätere DEFA-Regisseur Konrad Wolf 1945 in das Land seiner Geburt zurück – eine Heimkehr in die Fremde. Sein Tagebuch aus dieser Zeit, sowie einige, zwanzig Jahre später nachgetragene Erinnerungen, dienten ihm als Grundlage für einen Film über Deutschland im Jahr 1945: Ich war neunzehn (1968). Sein Held Gregor Hecker (Jaecki Schwarz), Mitglied einer Lautsprechergruppe, und dessen Mentor Wadim (Vasili Livanov), ein jüdischer Germanist aus Kiew, entdecken das Land zwischen dem 16. April und dem 3. Mai 1945 auf genau dem Weg, den die russischen Truppen über die Oder genommen hatten. Ende April durchquert Heckers Einheit den verlassenen Ortskern von Bernau – wo Konrad Wolf auch selbst als Erster Sowjetischer Stadtkommandant amtiert hatte. Weiße Fahnen hängen in den Fenstern, noch sind die Zweige kahl, wenige Tage später aber steht der Marktplatz in Blüte. Angesichts des zu Ende gehenden Zweiten Weltkriegs hatte Bertolt Brecht in einem als „Epistel an die Augsburger“ veröffentlichten Gedicht geschrieben: „Und als dann kam der Monat Mai | War ein tausendjähriges Reich vorbei. | Die Geschäfte blühten. Die Dinge schwiegen betroffen. | Die Türen waren geschlossen, die Dächer standen offen.“
Und in einem Porträtfilm über Heiner Müller trägt dieser ein anderes Gedicht des von ihm bewunderten Brecht vor. Müller moderiert sich selbst an und moderiert sich auch ab. Die kleine Sequenz beginnt groß auf Knie und einem aufgeschlagenen Buch. Kamera zieht auf, Müller sitzt auf Stuhl, helles Sonnenlicht von der Seite durch Fenster. Zwischen den Fingern die obligatorische Zigarre: „Ich lese aus den Kinderliedern von Brecht ein Mai-Lied. 1950: ‚Mai-Lied. Am Ersten Mai | Gehn Vater und Mutter in einer Reih‘ | Kämpfen für ein bessres Leben. | Fron und Armut darf’s nicht geben: | Da sind wir auch dabei. | Grün sind die Zweige | Die Fahne ist rot. | Nur der Feige | Duldet Not. || Es ist Monat Mai. || Im Acker die Hälmchen stehn Reih an Reih. | Das wird reiche Ernte geben | Lasst uns kämpfen | Lasst uns streben. | Dass es die unsere sei. | Grün sind die Fluren | Die Fahne ist rot. | Unser die Arbeit | Unser das Brot!‘“ Danach schlägt Müller den Gedichtband zu, bleibt noch sinnierend sitzen und sagt. „Sicher, das klingt heute wie ein Märchen, aber was spricht gegen Märchen! Vor allem wichtig ist, das fällt mir immer wieder auf bei solchen Sachen, und man kann drüber lachen jetzt, weil es so jenseits aller Realität oder aller Realisierungsmöglichkeit ist. Aber wichtig sind die Träume, die’s gegeben hat. Die sind nicht weg, nur weil sie nicht erfüllbar sind. Die werden immer wieder da sein. Ich glaube, jede Generation wird’s wieder versuchen. Oder jede zweite. Oder jede dritte.“