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Rik Battaglia

Der Matrose, der ein Filmstar wurde

| Marc Hairapetian |

Von Menschen und Hunden: Letztes Interview mit Schauspielerlegende Rik Battaglia, der am 27 März verstorben ist.

Er spielte die Schurken so kalt und durchtrieben wie kein anderer. In Wirklichkeit war er die Liebenswürdigkeit in Person: Rik Battaglia, geboren als Caterino Bertaglia am 18. Februar 1927 im italienischen Corbola (Provinz Rovigo), gestorben am 27. März 2015 ebenda, wurde durch sein Mitwirken in gleich acht Karl-May-Filmen international bekannt, drehte aber mit Sergio Leone und Weltstars wie Charlton Heston oder Orson Welles auch anspruchsvollere Kinowerke. Das stattliche Mannsbild, das zahlreiche Affären nicht nur mit seinen Filmpartnerinnen hatte, nahm sich nie ein Blatt vor dem Mund. Auch nicht in seinem letzten Interview. Im Gespräch wirkte die Schauspielerlegende mit der supertiefen Bassstimme um Jahrzehnte verjüngt und war stets zu Scherzen aufgelegt. Obwohl Battaglia nur noch mit Stütze gehen konnte und sich meistens im Rollstuhl fortbewegte, deutete nichts auf seinen nahenden Tod hin. Doch das Herz machte nun plötzlich nicht mehr mit. Wer hätte gedacht, dass man Winnetous Filmmörder so lieb gewinnen konnte?

Sie haben in fast hundert Filmen mitgespielt: Edle Charaktere ebenso wie Bösewichte. Was hat Ihnen mehr Spaß gemacht?
Rik Battaglia: Eindeutig der Bösewicht. Du hast auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit, wenn  Dich alle hassen. Außerdem kann man als Filmschurke Dinge ausprobieren, die man sich im wirklichen Leben nicht traut. Und ich sage Ihnen etwas: Intelligenz macht einen Mann sexy, aber auch eine gewisse Skrupellosigkeit. Im Bett wollen Frauen keine Weicheier. Winnetou ist nobel, aber auch etwas langweilig. Und raten Sie mal, wer mehr Kolleginnen nach Drehschluss in seinen Wigwam bekommen hat, Pierre Brice oder ich?

Ich tippe mal auf Sie, Rik …
Richtig! Aber sagen Sie lieber Caterino zu mir. Das ist mein richtiger Vorname. Man muss einer Frau das Gefühl geben, Sie tausendprozentig zu begehren. Dann frisst sie dir förmlich aus der Hand.

Die Karl-May-Filme haben Sie in Deutschland berühmt-berüchtigt gemacht. Lange Zeit hat man Ihnen den Winnetou-Mörder Rollins nicht verziehen. Doch als Sie im letzten August zum Karl-May-Fest nach Berlin kamen, haben  die immer noch zahlreichen Fans Sie gefeiert wie keinen anderen Schauspieler zuvor.
Wir haben uns wunderbar miteinander ausgesöhnt. Früher bekam ich per Brief Morddrohungen: „Pass auf, wir knallen dich ab, wie du es als Rollins mit Winnetou gemacht hast!“ Jetzt heißt es auf einmal: „Rik, wir lieben dich!“ Die Wärme, die mir in Berlin  die Karl-May-Fans, die nicht nur nur aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz, sondern auch aus Serbien, Kroatien, Polen, den Niederlanden und der Tschechischen  Republik angereist waren, entgegenbrachten, wird mir immer unvergesslich bleiben.

Das Galadinner des Karl-May-Festes fand in Artur Brauners Hollywood-Media Hotel am Kurfürstendamm statt. Haben Sie sich inzwischen mit dem mittlerweile 96-jährigen Produzenten ausgesöhnt?
Ich habe ihm einiges zu verdanken, da er mir 1964 die Titelrolle des Schut, des wohl neben Santer berühmtesten Karl-May-Bösewichts anvertraute. Aber er ist auch indirekt mitverantwortlich dafür, dass ich jetzt im Rollstuhl sitze. 1968 bei den Dreharbeiten zu Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten erhielt ich durch Georg M. Reuther, der als sein Herstellungsleiter die Filmgeschäftsführung innehatte, eine verunreinigte Spritze und infizierte mich mit Hepatitis. Wochenlang war ich in Zagreb im Krankenhaus. Bei Artur Brauner musste alles immer möglichst schnell und billig abgedreht werden. Manche Schauspieler – nicht die Topstars – mussten ab und an auch auf die Gehälter warten. Beim Galadinner letztes Jahr hielt Artur Brauner eine Lobrede auf mich. Er sagte, ich wäre nicht nur der beste Schurkendarsteller der Karl-May-Filme, sondern weltweit in diesem Fach die Nummer 1. Sehr schmeichelhaft. Ich bin aber am Tisch trotzdem erst einmal sitzen geblieben und nicht auf ihn zugegangen. Er hätte ja mal öffentlich bedauern können, dass ich bei einem seiner Filme so schwer erkrankte, dass sogar die Dreharbeiten unterbrochen werden mussten.

Wie haben Sie sich mit den männlichen Kollegen am Set vertragen?
Professionell gut. Dieter Borsche, Ralf Wolter, Walter Giller, Chris Howland und Eddi Arent beispielsweise waren sehr nett und kameradschaftlich. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen. Lex Barker war auch ok. Man konnte gut mit ihm mal ein Glas zusammen heben. Pierre Brice war für meinen Geschmack etwas zu eitel. Er hat die Rolle des edlen Apachen zu ernst genommen, dabei hatte er damals noch kaum ein Karl-May-Buch im Original gelesen. William Rothlein, der bei Das Vermächtnis des Inka den „Sohn der Sonne“ Haukarapora spielte, war schwul. Nachdem ich ihm klar gemacht hatte, dass er mich nicht anzumachen brauchte, kamen wir prächtig miteinander aus. Wissen Sie, wer mir besonders an Herz gewachsen  ist?

Erzählen Sie.
Freddy Quinn. Wir drehten 1964 das Western-Musical Freddy und das Lied der Prärie. Ich musste mich im Nadelstreifenanzug im Salon meistens nur herzeigen und eifersüchtig geben, weil ihm meine Filmflamme, US-Sexsymbol Mamie van Doren, schöne Augen machte. Freddy war zwar kein Schauspieler, aber ein guter Junge, der sogar Tipps von mir annahm. Wie ich hörte, lebt er jetzt leider sehr zurückgezogen. An dieser Stelle einen schönen Gruß an ihn. Vielleicht liest er ja irgendwo das Interview. (Während unseres Gesprächs klingelt Battaglias Handy. Er bittet um Entschuldigung und hebt ab: Es ist Marie Versini, mit der er abwechselnd Italienisch und Französisch spricht) Marie ist einfach zauberhaft! Ihr Mann, der Regisseur Pierre Viallet, ist leider vor kurzem gestorben. In den Sechzigern hatte ich auch eine Liaison mit ihr. Sie sieht engelhaft aus, doch wenn wir allein zusammen waren, wollte sie alles, nur keinen Blümchensex.

Wie sieht es jetzt mit Ihrem Liebesleben aus?
Naja, ich bin bald 90. So wild wie früher bin ich nicht mehr. Aber meine Freundin ist 45 Jahre jünger als ich. Das fordert mich heraus und hält mich jung – auch geistig!

Haben Sie Angst vor dem Tod?
Ja, aber nur, wenn ich allein bin. Aber das ist fast nie der Fall! (Er lacht sein berühmtes sonores Lachen.)

Sie haben mit zahlreichen internationalen Größen gedreht: Mit Regielegende Sergio Leone 1971 Giù la testa (Todesmelodie). Und 1972 mit Hollywood-Star  Charlton Heston The Call of the Wild. Im selben Jahr auch mit Orson Welles noch Treasure Island. Hatten Sie Federn vor diesen Weltstars?
Keineswegs. Ich bin selbstbewusst. Mit Leone zu drehen, war wirklich etwas ganz Besonderes. Er nahm schauspielerische Ratschläge an, obwohl er die Szenen immer schon zuvor durchkomponiert hatte. Doch wenn ihn ein Einfall verblüffte, baute er ihn noch ein. Die Musik von Ennio Morricone, der einer meiner besten Freunde ist, spielte er uns direkt am Set vom Tonband vor, und wir mussten dazu agieren! Wahnsinn! Das beflügelte einen regelrecht. Charlton Heston war ein guter Schauspieler, manchmal etwas steif, aber er wusste, wer Shakespeare ist und wie man Jack London spielt. „Seewolf“ Raimund Harmstorf war da viel lockerer. Dazu ebenfalls sehr belesen und – man glaubt es kaum bei seiner Statur – feinsinnig. Orson Welles war sich seines Genies auch sehr bewusst, aber wie Leone akzeptierte er Vorschläge von Kollegen, wenn sie gut waren.

Haben Sie einen eigenen Lieblingsfilm?
Ja, Zanna Bianca, auf Deutsch: Jack London: Wolfsblut, aus dem Jahr 1973. Lucio Fulci war ein toller Regisseur, der die Tiergeschichte realistisch und mit der ihr zugrunde liegenden Härte inszenieren wollte. Ich war zusammen mit John Steiner mal wieder auf der Schurkenseite und traf am Set auf großartige Kollegen wie Virna Lisi, Franco Nero, Daniel Martin und nochmals Raimund Harmstorf. Auch der Junge, der den kleinen Indianer spielte, Missaele hieß er wirklich, war aufgrund seiner Natürlichkeit ein absolutes Talent. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist … Es tat mir nur leid, dass ich so gemein zu Wolfsblut sein musste, der in Wirklichkeit ein Deutscher Schäferhund war. Hunde sind mir die liebsten Wesen. Absolut treu. Sie lieben dich, weil du sie liebst, egal, ob du nun hässlich oder schön, arm oder reich bist. Victor Hugo hat einmal gesagt: „Der Hund ist die Tugend, die sich nicht zum Menschen machen konnte.“ Wie wahr! Niemand konnte sich so gut in die animalische Seele versetzen und aus ihrer Sicht Geschichten schreiben wie Jack London. Deshalb habe ich 1991 zusammen mit John Savage noch einmal in einer weiteren „Ruf der Wildnis“-Adaption, Bucks größtes Abenteuer, mitgewirkt.

Ihr letzter Filmauftritt war 1999 in der TV-Serie Pumuckls Abenteuer. Hans Clarin sind Sie aber nicht begegnet, oder?
Nicht am Set. Da spielte ich als Küster mit der „Luft“ – moderne Zeiten! Doch wir haben uns später kennengelernt, und da erzählte er mir, was überhaupt ein Kobold ist. Die Episode hieß „Pumuckls Abschiedsfoto“. „Battaglias Abschiedsfilm“ wäre besser gewesen. Es war nichts Großes, aber herzerwärmend. Für die Kinder aber habe ich es gerne gemacht.

Sie tragen immer eine an einer Kette hängende Medaille um den Hals. Was hat es damit auf sich?
Ich wurde  in einer Bar von einem Talent-Scout entdeckt und dann gleich von Carlo Ponti für den Film Die Frau vom Fluss mit seiner Auserwählten,  Sophia Loren, verpflichtet. Vorher bin ich als Matrose zur See gefahren, deshalb meine Arbeiterhände. Nach dem Erfolg des Films hatte ich Blut geleckt und besuchte zwei Jahre das Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom und schloss mein Schauspielstudium als Jahrgangsbester ab. Das hier ist die Ehrenauszeichnung in Form einer Medaille. Nicht schlecht für jemanden, der seinen Vater nie kennenlernte, seine Mutter selten sah und bei seiner Oma in der Provinz Rovigo aufwuchs, oder?