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Filmkritik

Der Moment der Wahrheit / Truth

| Jörg Schiffauer |
Chronik eines Skandals

Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen 2004 stößt Mary Mapes, Produzentin der Nachrichtensendung „60 Minutes Wednesday“, auf eine Geschichte, die der Traum jedes investigativen Journalisten zu sein scheint. Es tauchen Informationen auf, dass George W.Bush, der sich selbst gerne als „War President“ bezeichnet, sich vor dem Einsatz im Vietnamkrieg gedrückt hat, indem er alle Beziehungen seiner einflussreichen Familie hat spielen lassen, um so zu einem bequemen – und vor allem ungefährlichen – Posten in der Texas Air National Guard zu kommen. Eine brisante Angelegenheit, doch Mary Mapes, die mit Enthüllungen über die skandalösen Vorfälle die sich im Zuge des Irak-Kriegs in Abu Ghraib zugetragen haben, ihren Ruf als knallharte Aufdeckerin gefestigt hat, ist entschlossen, der Sache nachzugehen. Unterstützt von ihrem Mentor Dan Rather, dem legendären Anchorman von CBS, macht sich die Redaktion an die Recherche-Arbeit. Im September, wenige Wochen vor der Wahl, geht man schließlich mit der Geschichte auf Sendung und wirbelt erwartungsgemäß viel Staub auf. Der Gegenschlag lässt ebenso erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten, das konservative Lager lässt nichts unversucht, um die Geschichte mit wirklich allen Mitteln in Misskredit zu bringen – der große Scoop droht zum Alptraum zu werden.

Wie der in diesem Jahr mit dem Oscar ausgezeichnete Spotlight greift auch Truth reale Ereignisse auf, um die Bedeutung der Medien als „public watchdog“ in einem demokratischen System hervorzuheben. Betonte Spotlight mit seiner bewusst spröden, beinahe semidokumentarisch anmutenden Dramaturgie jedoch den investigativen Prozess an sich, konzentriert sich Truth zusehends auf das persönliche Drama, das sich um die Protagonisten im Zuge der als „Killian documents controversy“ bekannt gewordenen Affäre zu entspinnen beginnt. Besonders Mary Mapes geriet zusehends ins Kreuzfeuer der Anhänger von George W. Bush, die auch vor persönlichen Diffamierungen übelster Sorte nicht zurückschreckten. Dabei verschwand der inhaltliche Kern der Angelegenheit rasch zwischen gezielten Ablenkungsmanövern von professionellen Strategen der Macht und dem Irrsinn, den quartalsirre Verschwörungstheoretiker im Cyberspace en masse verbreiteten. Die Suche nach der Wahrheit blieb in der Flut aggressiver, hysteroider Angriffsrhetorik zusehends auf der Strecke. Dass James Vanderbilts Inszenierung gut funktioniert ist zu einem erheblichen Anteil seinen Hauptdarstellern geschuldet. Gewohnt beeindruckend, macht Cate Blanchett in einer nuancierten Darstellung deutlich, welch hohen Preis Mary Mapes für ihre Integrität als Journalistin letztendlich zahlen musste. Und Robert Redford verkörpert in einer feinen Altersrolle Dan Rather ebenso uneitel wie uneigennützig.