Spinner statt Spießer
Alles eine Frage des richtigen Timings – so laut Prolog eines der Lebensmottos von Mike, einem unangepassten Lebenskünstler mit einer Vorliebe für Berauschung. Nachdem sein Bruder plötzlich im Koma liegt, scheint ihm nach 17 Jahren das richtige Timing gekommen, sich wieder blicken zu lassen. Fortan hilft er tatkräftig mit, das Leben von Gloria, der Frau seines Bruders, und ihren beiden Kindern auf den Kopf zu stellen: Als ob Ehemann und Vater im Koma und Gloria immer stärker bedrängende Anwaltskanzlei-Kollegen des künstlich Tiefschlafenden nicht genug wären, bringt Onkel Mike nicht nur mindestens problematische Erziehungsvorstellungen mit ins Haus, sondern versucht auch, die lange vergangene Liebschaft zwischen ihm und der Frau, die dann seinen Bruder heiratete, wieder zum Leben zu erwecken. Umso chaotischer werden die Tage in der wohlhabenden Nachbarschaft mit Blick über Wien, nachdem Gloria erfahren muss, dass in der Kanzlei ihres Mannes nicht alles rechtens zugeht und der nebenan wohnende Polizist seinem Misstrauen gegenüber dem schrägen Vogel von Neuankömmling immer freieren Lauf lässt.
Stichwort Vogel: Der englische Zusatztitel „The Hawk“ stellt eine metaphorische Klammer dieser Komödie dar, eine kleine Habichtfabel des Intros kehrt wieder, der Vogel selbst wird farbenfroh eingeblendet. Überhaupt legt Ostrowski in seinem Familien-Film (ebenfalls unter seiner und Helmut Köppings Regie: seine Partnerin Hilde Dalik und zwei seiner Kinder) hohen Wert auf Style: Fetzige Zwischentitel der Unterkapitel, ein Soundtrack von Bilderbuch-Produzent Zebo Adam, Farbenlogik. Anders als in While You Were Sleeping (1995, Regie: Jon Turteltaub) dient die Trope eines im Koma liegenden Bruders und eines gemeinsamen Love-Interests keiner Romanze, sondern einer eigentlich eher tragikomischen Geschichte. Der kaputte Greifvogel macht sich selbst das Leben schwer und soll nicht unähnlich Matthew McConaughey als Beach Bum (2019, Regie: Harmony Korine) die große Kunde der Lebenslust und Freiheit in die biedere Gesellschaft tragen. Schlussendlich geht es trotzdem darum, dass sich die Frau zwischen den zwei Brüdern entscheiden „darf“. Der Onkel kämpft ziemlich sichtbar verbissen um Originalität, seine hauptsächlich abgedroschenen Zoten und Witzeleien verhindern aber jede Identifikation mit der angedeuteten Komplexität der Gefühlswelten seiner Figuren. Doch auch wenn die Inszenierung des wilden, zerrissenen Mannes in der Form filmisch schon hunderte Male durchgekaut wurde, wird man den Comedy-Geschmacksnerv einiger wohl treffen. (Jakob Dibold)