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Der Schatten von Caravaggio / L’ombra di Caravaggio

Filmstart

Der Schatten von Caravaggio

| Oliver Stangl |
Ein Leben in Leidenschaft

Filme über Genies der Kunstgeschichte gab es schon einige – mal kamen sie als gewaltige, philosophische Epen daher (Tarkowskis Andrej Rubljow), mal als konventionell-spekulative Biopics (wir vermeiden Namedropping), mal als Avantgarde wie Derek Jarmans Caravaggio (1986), der auf unkonventionelle Weise Fakt, Fiktion und Anachronismen verband. Dem berühmten und wegen seiner Lebensweise berüchtigten Barockmeister aus Italien widmet sich nun auch der neue Film von Michele Placido – der Hauptdarsteller der legendären Achtziger-Jahre-Serie Allein gegen die Mafia (La piovra) hat ja mittlerweile eine umfangreiche Filmografie als Regisseur angesammelt und spielt hier zugleich die Rolle eines sündigen Kardinals und Caravaggio-Mäzens.

Vita und Werk von Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571–1610) haben im Wortsinn genügend Stoff für die Leinwand zu bieten: Seine Chiaroscuro-Technik löste den Manierismus ab, und als Modelle setzte er gern Arme und Prostituierte ein – auch für Heiligenbilder. Gerade Letzteres war skandalös war und brachte den Maler seitens der Kirche in Bedrängnis (und das, obwohl einige Würdenträger ihn schätzten). Jedenfalls ließ er, nachdem er zum Favoriten einiger Kardinäle geworden war, die Armut, nicht aber die Dämonen hinter sich: Ein Totschlag im Zuge einer Straßenrauferei brachte dem aufbrausenden Fleischeslustigen die Verbannung aus Rom ein, auf die Begnadigung wartete er im Süden Italiens. Im Film nimmt „Der Schatten“ (Louis Garrel), ein Mitglied des gefürchteten vatikanischen Geheimdiensts, Ermittlungen auf, die darüber entscheiden sollen, ob Caravaggio (wuchtig: Riccardo Scamarcio) einer Amnestie würdig ist. Die Besuche des „Schattens“ bei Modellen, Konkurrenten und Mäzenen lassen in Citizen Kane-Manier das Bild eines widersprüchlichen Mannes entstehen, wobei Placido nicht zum feinen Pinsel greift, sondern sich breiter Striche bedient. Mit Sex und Gewalt wird nicht gegeizt, und manche Sequenzen erinnern – etwa wenn Caravaggio als „schmutziges Genie“ gezeigt wird, das den arrivierten Konkurrenten überlegen ist – an Amadeus. Als Hauptthema schält sich aber künstlerische Wahrhaftigkeit heraus, die Caravaggio gegen die Kirche verteidigen will: „Das sind keine Laster, das ist Leben“, kontert er Blasphemievorwürfen. Gelungen die visuelle Ebene, die sich mit Sets, Kostüm und Licht an den Gemälden orientiert. Die deftig-dynamische Erzählweise steht einer Vertiefung der eher repetitiv daherkommenden Themen dabei teilweise im Weg, ein insgesamt sehenswerter Film um einen individualistischen Mann zwischen Wildheit und Sensibilität ist es dennoch geworden.