So glanzvoll seine Schauspielkarriere verlief, so kontrovers agierte Charlton Heston zeitweilig abseits der Leinwand. Zeit also, das Bild eines der größten Hollywoodstars ein wenig genauer zu betrachten.
Es waren nur fünf Worte, die Charlton Heston zum Abschluss seiner Rede auf dem Jahrestreffen der National Rifle Association (NRA) im Mai 2000 in Charlotte, North Carolina sprach, die jedoch sein Image nachhaltig prägen sollten – und nicht zum Vorteil eines der größten Stars, die Hollywood je hervorgebracht hatte. „From my cold, dead hands!“, verkündete Heston den versammelten Mitgliedern der einflussreichen Waffenlobby-Organisation, während er demonstrativ eine Flinte aus Zeiten des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs in die Höhe reckte. Adressiert waren die markigen Worte an den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore, dem man angesichts der im Herbst besagten Jahres anstehenden Wahlen für das höchste Amt der Vereinigten Staaten klarmachen wollte, dass die einflussreiche NRA Beschränkungen beim Zugang zu Schusswaffen als Verletzung der Verfassung ansehen würde (dieser im Zweiten Zusatzartikel zur Verfassung verankerte Anspruch, der das Recht auf Erwerb und Besitz von Waffen garantiert, stammt aus dem Jahr 1791 und sorgt seit Jahrzehnten für heftige innenpolitische Kontroversen). Mit diesem Auftritt galt forthin Charlton Heston als prominentes Sprachrohr von Waffennarren aller Couleurs.
Aber wie so oft verhält es sich mit derartigen apodiktischen Zuordnungen nicht ganz so einfach, und besonders im Fall von Charlton Heston zeigt sich bei näherer Betrachtung seiner Karriere und seines Lebens, dass man ihm mit der Etikettierung als reaktionärer Finsterling keinesfalls gerecht wird.
Heldenfiguren
Der am 4. Oktober 1923 in Wilmette, einer Kleinstadt in Illinois, geborene Charlton Heston erhielt ein Stipendium der Northwestern University, wo er Schauspiel studierte. Nachdem er seinen Militärdienst bei der Air Force abgeleistet hatte, zog Heston 1946 mit seiner Frau Lydia – mit der er bis zu seinem Tod verheiratet bleiben sollte – nach New York City, wo beide eine Bühnenkarriere zu verfolgen beabsichtigten. Nach einigen Broadway- und Fernsehauftritten bekam Heston 1950 ein Angebot des Produzenten Hal B. Wallis für seine erste professionelle Filmrolle in William Dieterles Noir-Krimi Dark City. Ein Debüt, das zunächst auf wenig Resonanz stieß und durchaus geeignet gewesen wäre, dass Heston, der zu diesem Zeitpunkt noch eine Laufbahn am Theater präferierte, das Filmgeschäft hinter sich lassen würde. Doch eines schönen Tages – und hier wird es ein wenig anekdotisch – kreuzten sich auf einem Parkplatz zufällig die Wege von Charlton Heston und Cecil B. DeMille, worauf Heston dem großen Produzenten und Regisseur spontan freundlich zuwinkte. Es mag ein wenig Legendenbildung in sich tragen, dass DeMille so auf ihn aufmerksam wurde, doch offensichtlich hatte Heston ihn so weit – und das dürfte nicht nur an Hestons beeindruckender physischer Statur von mehr als 1,90 Meter Körpergröße gelegen sein – beeindruckt, dass er dem wenig bekannten Schauspieler eine Hauptrolle in The Greatest Show on Earth anvertraute, jener spektakulären Großproduktion, die – wie man seit The Fabelmans weiß – großen Eindruck bei dem jugendlichen Steven Spielberg hinterließ. The Greatest Show on Earth geriet zum veritablen Publikumserfolg, erzielte die höchsten Einspielergebnisse im Jahr 1952, gewann den Oscar als Bester Film, womit die Rolle des Direktors des Zirkusunternehmens für Charlton Heston den Durchbruch bedeutete.
Nach einigen weiteren Hauptrollen wie etwa in dem Western Arrowhead (Die Bestie der Wildnis, 1953) oder im historischen Melodrama The President’s Lady (Gefährtin seines Lebens, 1953), in dem er den US-Präsidenten Andrew Jackson verkörpert, folgte jene Rolle, die Charlton Hestons Image als Darsteller überlebensgroßer (Helden-)Figuren nachhaltig festigen sollte. In Cecil B. DeMilles Monumentalfilm The Ten Commandments (Die zehn Gebote, 1958) spielte er Moses, und die Rolle des biblischen Propheten, der nach Entdeckung seiner wahren Identität auf seine Privilegien als ägyptischer Prinz verzichtet, um sein Volk, die Israeliten, aus der Sklaverei zu befreien und ins Gelobte Land zu führen, verhalf Heston endgültig zum Aufstieg in die alleroberste Liga Hollywoods. Und es sollte eine jener Rollen sein, die auf gewisse Weise Karriere und Leben zu verschmelzen begannen. Nicht etwa, dass Charlton Heston sich in einem Anflug von Größenwahn als prophetische Gestalt gesehen hätte, doch sah er seinen Starstatus auch als Verpflichtung an, Position zu beziehen. Das Thema Gerechtigkeit auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene spielte etwa für Heston eine zentrale Rolle. So machte er sich bei Universal Pictures dafür stark, dass Orson Welles die Regie des Noir-Krimis Touch of Evil (Im Zeichen des Bösen, 1958) übernehmen konnte. Welles, der zunächst nur als Darsteller vorgesehen war, galt ungeachtet des Erfolgs von Citizen Kane in Hollywood aufgrund seiner Kompromisslosigkeit in künstlerischen Fragen als schwierig und hatte es bekanntermaßen nicht leicht, Projekte umzusetzen. Um seiner Intervention Nachdruck zu verleihen, übernahm Heston die Hauptrolle des mexikanischen Drogenfahnders. Touch of Evil gilt mittlerweile als Noir-Klassiker – die mehrminütige Plansequenz zu Beginn ist geradezu legendär – und sollte die letzte Regiearbeit von Orson Welles in Hollywood bleiben.
Die epischen Heldenfiguren mit klaren Haltungen blieben die bestimmenden Höhepunkte in der ersten Phase von Hestons Karriere. Herausragend dabei die Titelrolle in Ben-Hur (1959), wiederum vor biblischem Hintergrund spielend, angesiedelt zur Zeit Jesu. William Wyler, ein höchst vielseitiger Regisseur, der ein ausgeprägtes Gespür für Zwischentöne hatte und mit dem Heston bereits in dem Western The Big Country (1958) zusammengearbeitet hatte, setzte den Plot um den jüdischen Fürsten Judah Ben-Hur, dem von Seiten des römischen Tribuns Messala – mit dem Ben-Hur seit Kindertagen befreundet ist – aus machtpolitischen Gründen bitteres Unrecht zugefügt wird, mit monumentaler Wucht zwischen Rachedrama und Erlösungsgeschichte in Szene, was sich im Rekordgewinn von elf Oscars, darunter Heston als Bester Hauptdarsteller, niederschlug.
Im Historienepos El Cid (1961; Regie: Anthony Mann) verkörperte Heston Rodrigo Díaz de Vivar, einen zum spanischen Nationalhelden avancierten Heerführer aus der Zeit der Reconquista, in Nicholas Rays 55 Days at Peking agierte er – Ko-Stars waren so illustre Namen wie David Niven und Ava Gardner – als US-Offizier, der mit seiner kleinen Truppe das Diplomatenviertel zur Zeit des Boxeraufstands gegen eine Übermacht verteidigt. Die historische Figur des britischen Generals Gordon, den er in Khartoum (1966; R: Basil Dearden) spielt, reiht sich nahtlos in Hestons kompromisslose Heldengestalten ein. Und in The Agony and the Ecstasy (Michelangelo – Inferno und Ekstase, 1965; R: Carol Reed) übernahm er die Rolle einer der bekanntesten Figuren der Kunstgeschichte überhaupt: Michelangelo Buonarroti.
Richtungswechsel
Politisch etablierte sich Charlton Heston in diesen Jahren zu einem Aushängeschild des liberalen Hollywoods. Er unterstützte aktiv die Präsidentschaftskandidaturen der demokratischen Kandidaten Adlai Stevenson, Lyndon B. Johnson sowie Hubert Humphrey (als Wahlhelfer von John F. Kennedy fiel Heston aus, weil er zu der Zeit in Spanien mit den Dreharbeiten zu El Cid beschäftigt war) und engagierte sich stark für die Bürgerrechtsbewegung. Heston nahm nicht nur selbst an dem „Marsch auf Washington“, bei dem Martin Luther King seine berühmte „I have a dream“-Rede hielt, teil, er leistete auch Überzeugungsarbeit bei bekannten Hollywood-Kollegen, die sich daraufhin der Demonstration anschlossen. Auch bei der Auswahl seiner Rollen erkannte Heston, dass sich die Zeiten inmitten der gesellschaftlichen Umbrüche geändert hatten. Eine Figur wie jene General Gordons, der mit typisch britischer „stiff upperlip“ in den Tod geht, erschien angesichts der gegenkulturellen Wertvorstellungen ein wenig antiquiert zu sein. Heston wandte sich mit dem Sci-Fi-Fach einem neuen Genre zu und übernahm die Hauptrolle in Franklin Schaffners Planet of the Apes (Planet der Affen, 1968). Das Szenario um den von Heston gespielten Astronauten Taylor, der auf einem vermeintlich fernen Planeten landet, der von intelligenten Menschenaffen beherrscht wird, erweist sich in der Ära des Kalten Kriegs mit der damit einhergehenden Angst vor dem globalen Atomkrieg als grimmiges Menetekel, das die vorherrschende Stimmung auf den Punkt zu bringen versteht. Apokalyptische Szenarien herrschen auch in The Omega Man (1971; R: Boris Sagal) – eine der filmischen Adaptionen von Richard Mathesons Romanvorlage „I Am Legend“ – vor, in dem Heston einen der wenigen Überlebenden auf der nach einem mit biologischen Waffen geführten Krieg entvölkerten Erde verkörpert, der sich mit einer Gruppe feindseliger Mutanten herumschlagen muss. Geradezu prophetisch wirkt jenes dystopische Bild, das Richard Fleischer in Soylent Green (1973) vom Leben auf einer Erde, deren Ressourcen weitgehend aufgebraucht sind, zeichnet. Inmitten eines von Überbevölkerung und Umweltverschmutzung geprägten New York spielt Heston einen Polizisten, der bei einer seiner Ermittlungen entdecken muss, wie erschreckend weit der (moralische) Verfall bereits fortgeschritten ist.
Derartige Rollen trugen dazu bei, dass Charlton Heston als eine Art Ikone der Gegenkultur galt und es erscheint schon ein wenig kurios, dass er sich gerade zu dieser Zeit immer stärker von seinen bislang liberalen Ansichten verabschiedete. Was genau zu diesem weltanschaulichen Schwenk geführt hatte, lässt sich retrospektiv nur schwer genau festmachen. Die von ARTE produzierte Dokumentation Charlton Heston: Von Moses zum Waffennarr stellt die nicht unplausible These auf, dass ein Besuch, den Heston 1966 den US-Truppen in Vietnam abstattete, dafür verantwortlich war. Besonders den Umgang mit den jungen Soldaten von Seiten mancher Kriegsgegner in der aufgeheizten Atmosphäre der sechziger Jahre empfand Heston als dermaßen unangemessen, dass er schließlich das politische Lager komplett wechselte. In den achtziger Jahren unterstützte er offen die republikanische Partei und deren Kandidaten wie etwa Ronald Reagan, als Präsident der National Rifle Association – ein Amt, das er 1998 übernahm – driftete er endgültig zum verbissenen Kulturkämpfer ab.
Der Schauspielerei ging Charlton Heston jedoch stets mit gleichbleibender Leidenschaft nach. Er verstand es ebenso auf der Erfolgswelle der „Disaster-Movies“ mitzureiten (Airport 1975, Earthquake; 1974) wie in The Three Musketeers (1973) und The Four Musketeers (1974) – Richard Lesters sarkastische Adaptionen von Alexandre Dumas’ berühmter literarischer Vorlage – als Kardinal Richelieu Sinn für Selbstironie zu zeigen. Nach der Hauptrolle in einer in den achtziger Jahren populären TV-Seifenoper (The Colbys) ließ Charlton Heston seine Karriere mit einer Reihe von Gastauftritten bei Regisseuren wie etwa James Cameron (True Lies, 1994), John Carpenter (In the Mouth of Madness, 1994) oder Oliver Stone (Any Given Sunday, 1999) langsam ausklingen. Einen seiner letzten spektakulären Momente auf der Kinoleinwand hätte sich Charlton Heston wohl gern erspart: Für seinen Dokumentarfilm Bowling for Columbine (2002) konfrontiert Regisseur Michael Moore angesichts eines Amoklaufs an einer Schule Charlton Heston gewohnt bissig mit dessen Aktivitäten für die Waffenlobby. Der gesundheitlich sichtlich angeschlagene Heston reagiert zusehends erratisch und weiß sich schließlich nicht mehr anders zu helfen, als betroffen davonzuschlurfen – alles gnadenlos von der Kamera festgehalten. Nur wenig später machte Heston seine Alzheimer-Erkrankung öffentlich und spätestens da hätte man sich gewünscht, dass Michael Moore es im Fall des fast achtzig Jahre alten Herrn es einmal hätte gut sein lassen. Auch einige der bizarren Auftritte wie der eingangs erwähnte bei der NRA muss man eingedenk seiner Krankheit vielleicht ein wenig differenzierter und nachsichtiger betrachten. Seinen letzten öffentlichen Auftritt absolvierte Charlton Heston im Juli 2003, als er von Präsident George W. Bush im Weißen Haus die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten, überreicht bekam. Am 5. April 2008 verstarb Heston schließlich in seinem Haus in Beverly Hills.