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Green Filming

Der Weg ins Grüne

| Andreas Ungerböck |
„ray“ lud vier bestens informierte Protagonistinnen der österreichischen Filmbranche zu einem Gespräch rund um das brandaktuelle Thema Green Filming.

Die Themen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung gehören neben der allgegenwärtigen Covid-19-Krise zu den großen Herausforderungen, denen sich (nicht nur) die heimische Filmszene aktuell und in Zukunft noch verstärkt gegenüber sieht. Das große Ziel einer (möglichst) klimaneutralen Filmwirtschaft ist noch in weiter Ferne, aber die Bestrebungen, es zu erreichen, machen erkennbare Fortschritte. Das wird auch in dem ausführlichen Gespräch deutlich, zu dem sich vier hoch
motivierte Expertinnen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der heimischen Filmwirtschaft einfanden: Nina Hauser, Green Film Consultant Austria, Beauftragte für Green Filming beim Österreichischen Filminstitut (ÖFI); Dietlind Rott, Leiterin der Lower Austrian Film Commission (LAFC), Film Commissioner, Green Film Consultant Austria; Barbara Weingartner, Filmgeschäftsführerin, Green Film Consultant Austria, und Lena Weiss von der Produktionsfirma Glitter & Doom, Produzentin der Filme Arche Nora und Heimsuchung (Arbeitstitel).

Zu Beginn eine kurze Vorstellungsrunde: Was tut sich für Sie in Sachen Green Filming, auf welchem Stand sind Sie persönlich?
Barbara Weingartner: Ich habe im Sommer das letzte Modul der Ausbildung zur Green Film Consultant Austria bei der LAFC abgeschlossen. Anschließend durfte ich die Spielfilm-Produktion Heimsuchung als Pilotprojekt für Green Filming im geförderten Bereich begleiten.

Lena Weiss: Ich habe letztes Jahr, nach der Teilnahme an einem Seminar der LAFC zu Green Filming im ersten Lockdown, meine Masterarbeit über Nachhaltigkeit in der österreichischen Filmbranche geschrieben, und zwar im Vergleich zu europaweiten Initiativen und Anreizmodellen. Zum Glück ist die Arbeit nicht mehr ganz aktuell, weil sich auch bei uns viel getan hat. Bei der Arbeit an Heimsuchung konnte ich mich dann endlich auch praktisch mit dem Thema auseinandersetzen.

Dietlind Rott: Die LAFC hat mit ihrem Evergreen Prisma die Ausbildung zur/zum Green Film Consultant nach Österreich gebracht, in Zusammenarbeit mit Philip Gassmann. Das zugrundeliegende Curriculum entspricht der deutschen Ausbildung Green Consultants Film & TV IHK von Philip Gassmann und wurde neben einem internationalen Fokus unter Einbindung des Evergreen Prisma für die österreichische Film- und TV- Branche adaptiert. Die Ausbildung zur/m Green Film Consultant für professionelle Filmschaffende durch Philip Gassmann wird von regionalen, nationalen und internationalen Förderstellen im Rahmen ihrer Förderungstätigkeit sowie von Sendern anerkannt. Weiters haben wir das Umweltzeichen UZ 76 im Curriculum, die Richtlinienerweiterung von ÖFI, FISA (Filmstandort Austria) und BMKOES, haben beim ÖFI an den Handlungsleitfäden mitgearbeitet und porträtieren die Green Film Consulants Austria auf unserer Website. Darüber hinaus stellen wir den filmspezifischen CO2-Rechner für Österreich und vermitteln natürlich auch seine Anwendung und Auswertung in unseren Seminaren. Die Integration des CO2-Rechners als Instrument für Green Film Consultants, um wirksame Daten zu sammeln und an Förderinstitutionen weitergeben zu können, ist sehr wichtig.
Wir haben auch noch weitere Vermittlungsprogramme gestartet, unter anderem für andere Film Commissions und Förderinstitutionen. Im Juni 2021 haben wir das Thema mit dem ÖFI bei der Länderförderungstagung im Rahmen der Diagonale präsentiert. Unter denen, die die Ausbildung absolvieren, sind inzwischen auch viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen Förderinstitutionen. Das ist sehr wichtig, um einen gemeinsamen Background zu haben, um auf einheitliches Wissen zurückzugreifen. Wir haben es auch geschafft, dass etwa die Filmakademie Wien ihr Curriculum erweitert, um in allen Bereichen nachhaltiges Filmschaffen zu integrieren. Es ist mir sehr wichtig, dass auch der Nachwuchs gleichzeitig mit den Filmschaffenden an das Thema herangeführt wird.

Nina Hauser: Es gibt für mich zwei Ebenen. Zum einen: Was mache ich als Nina Hauser, für mich und für das ÖFI, quasi als Auftrag, zum anderen: Was macht das ÖFI als Organisation? 2019 haben wir uns nach einem Vortrag von Dietlind Rott entschieden, das Thema Green Filming im ÖFI zu integrieren. Ich bin schnell draufgekommen: Ohne wirklichen Wissenstransfer werde ich nicht weiterkommen und kann auch gar nicht wissen, wie man das fördertechnisch umsetzen kann. Dann habe ich bei der LAFC den ersten Grundlagenkurs gemacht, das war Anfang 2020, und bei der Berlinale mit Dietlind zusammen viele Panels besucht. Mittlerweile habe ich zwei Handlungsleitfäden entwickelt, bin ausgebildete Green Film Consultant, bin dabei, beim Ökobusiness Wien das ÖFI als Firma zertifizieren zu lassen, gerade habe ich den Ökobonus-Bericht fertiggestellt. Dabei haben wir für das ÖFI ein sozio-ökologisches Leitbild erstellt. Wir integrieren neben einem Code of Ethics auch die Sustainable Development Goals der UNO. Ich habe fünf ausgewählt, die für uns sehr wichtig sind: Geschlechtergleichheit, menschenwürdige Arbeit, nachhaltiger Konsum, Maßnahmen zum Klimaschutz und weniger Ungleichheiten. Mit Gender Incentives, Gender Budgeting, Diversity und Green Filming etablieren wir damit wichtige Komponenten.

DR: Wir greifen mit unserer Arbeit ineinander, aus verschiedenen Perspektiven, können so besonders effektiv agieren und mit der gezielten Umstellung gut vorankommen.

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Wo gibt es denn die größten Widerstände oder Missverständnisse in Bezug auf Green Filming? Ein Punkt, der wohl immer wieder auftaucht, sind die Kosten, der größere Aufwand …
NH: Ganz wichtig sind die Ausbildung und der Informationstransfer der LAFC mit ihrem Evergreen Prisma. Wenn man auf einem gewissen Informationsstand ist, schwindet auch zunehmend die Angst davor, etwas im Sinne von Green Filming umzusetzen. Neue Dinge, die plötzlich herumschwirren, lösen zunächst solche Ängste aus, aber ich glaube, man kann das durch die Beschäftigung mit dem Thema bald entkräften, weil man sieht, dass alle etwas zur Verbesserung tun können.BW: Von Seiten der Produzentinnen und Produzenten sind Mehrkosten auf jeden Fall ein Grund für Skepsis, Green Filming zu implementieren. Wenn aber in Zukunft die Förderinstitutionen kalkulierte Mehrkosten aufgrund von Green Filming akzeptieren, entkräftet sich zumindest im geförderten Bereich das Argument „Kosten“. Im Falle von Heimsuchung war das insofern einfach, als Glitter & Doom von sich aus an mich herangetreten ist, da war also schon ein Commitment vorhanden, auch von den Departments, die sich gut damit identifizieren konnten. Wir haben uns in der Umsetzung sehr bemüht, künstlerische Entscheidungen auf keinen Fall einzuschränken. Idealerweise wird sich allmählich die Erkenntnis durchsetzen, dass Green Filming durchaus eine Bereicherung sein kann.NH: Wenn ich mit Filmschaffenden spreche, versuche ich herauszufinden, wo die Probleme liegen. Ich habe den Eindruck, dass es großes Interesse gibt und dass auch langsam klar wird, dass das nicht nur ein „Trend“ ist, sondern dass es darum geht, wie man Green Filming am besten umsetzen kann. Die Haltung „Wozu brauchen wir das überhaupt?“ ist am Verschwinden.

DR: Das stimmt. Wir machen mit unserem Evergreen Prisma fundiertes Wissen zu Green Filming ja nun seit Jahren zugänglich, wir bringen mehr und mehr Know-how in die Branche, damit ändern sich auch die Fragestellungen.

LW: Ich glaube, das Wichtigste sind Ausbildung und Bewusstseinsbildung. Alle am Set sollten wissen, was das für ihr Department und für die Produktion insgesamt bedeutet. In der Praxis hakt es derzeit bei gewissen Infrastrukturleistungen, ganz besonders bei den Themen Strom und Fuhrpark. Beides ist in Österreich noch schwierig umzusetzen, weil es noch kaum Anbieter gibt. Ein großes Thema, auf das man achten muss, ist Greenwashing. Das betrifft nicht nur den Filmbereich. Jeder große Konzern wirbt mittlerweile mit „Nachhaltigkeit“. Man muss darauf achten, dass die Maßnahmen, die man setzt, einen Unterschied machen. Der größte Punkt sind die Personalkosten, weil der Rechercheaufwand für entsprechende Dienstleistungen sehr hoch ist. Das kostet Zeit, das kostet Geld, und das ist derzeit der größte finanzielle Mehraufwand. Wir Produzentinnen und Produzenten hoffen sehr, dass das Steuermodell, auf das die Filmbranche seit Jahren wartet, tatsächlich kommt.

Können Sie ein bisschen über die Arbeit an „Heimsuchung“ erzählen? Wahrscheinlich gibt es auch praktische Hindernisse, wo man nicht so „green“ sein kann, wie man das ursprünglich wollte.
LW: Wir haben sehr viel kommuniziert, schon in einer frühen Phase, und die Heads of Department auf die LAFC-Kurse aufmerksam gemacht. Wir haben einen Fokus auf Mobilität gelegt, auch weil sich dieses Projekt dafür gut geeignet hat. Barbara hat zwei E-Busse als Produktionsbusse aufgetrieben, dadurch haben wir 2,3 Tonnen CO2 gespart. Wir haben versucht, den Fuhrpark klein zu halten, hatten kein Kostüm- oder Maskenmobil. Strom war schwierig. Wir haben kaum Aggregate verwendet, aber manchmal ging es nicht anders. Wir haben beim Szenenbild zu 99 Prozent gebrauchte Requisiten und Material verwendet, das wir zum Teil über Willhaben gekauft und auch wieder verkauft haben. Wir haben einen Anreiz für Teammitglieder geschaffen, die mit dem Fahrrad zum Set kommen, dafür gab es Kilometergeld. Wir haben „Green Filming“ bei praktisch jeder Teamsitzung thematisiert und angeboten, darüber zu sprechen, wenn jemand in seinem Department damit Probleme hat. Und wir haben immer wieder positive Informationen auf die Dispo geschrieben, wie viel CO2 wir schon eingespart haben usw.

BW: Ich würde in Zukunft, was die Kommunikation ans Team betrifft, sogar noch weiter gehen. Es ist ja so, dass die Departments immer wieder eher unabhängig voneinander arbeiten. Man könnte also intern noch mehr herausstreichen, was die anderen machen, wo die Kolleginnen und Kollegen „green“ arbeiten. Sichtbar sind Elektroautos, vegetarisches Catering und die Mehrweggebinde, aber andere ökologisch hochgradig wirkungsvolle Maßnahmen wie Kreislaufwirtschaft im Szenenbild oder Kostüm sind eigentlich unsichtbar. Es ist wichtig, dass klar erzählt wird, was umgesetzt werden konnte – übrigens auch nach außen.

NH: Da kommt die Förderinstitution wieder ins Spiel. Wenn man einen guten Abschlussbericht von der Produktion bekommt, wie viel CO2 eingespart wurde usw., dann sieht man auch: Welche Dinge waren ohne Probleme umsetzbar, welche mit Problemen, wo hakt es noch? Das ist wichtig, denn die Währung der Zukunft werden Zahlen und Fakten sein. Wenn man diese Zahlen nicht hat, ist es de facto nicht messbar. Deswegen ist es so wichtig, einen Abschlussbericht zu haben, um zu sehen, was gemacht wurde und ob etwas gemacht wurde.

DR: Wir können noch nicht voraussetzen, dass alle in der Branche wissen, was ein/e Green Film Consultant macht. Man muss wissen, dass ein grünes Projekt immer individuell betreut wird. In puncto Zeit und Personal besteht erhöhter Bedarf. Die Förderinstitution wiederum benötigt Informationen, um die Glaubwürdigkeit einer grünen Produktion zu sehen und bewerten zu können. Vor diesem komplexen Hintergrund habe ich mit dem Evergreen Prisma versucht, einerseits betont praxisorientiert zu arbeiten und anderseits auch zu vermitteln, was es braucht, um zum Beispiel fundierte Green Film Consultancy möglich machen zu können. Ein Projekt wird möglichst früh gemeinsam angesehen, nach den Gesichtspunkten, was möglich, was sinnvoll ist. Man sucht die sogenannten Hot Spots: Wo kann man am meisten CO2 einsparen, was sind die Softmarker? Das geht bis zum Drehbuch – was vermittelt es, wie sind die Figuren gezeichnet, was transportieren sie in Sachen Nachhaltigkeit, das ist nicht zu unterschätzen. Dabei fällt mir immer wieder auf: Green Filming ist eine Generationenfrage. Der Bedarf des Filmnachwuchses, hierfür aktiv zu werden, ist immens, wir bekommen viel Echo und viele Anfragen. Eine etablierte Struktur bei Filmproduktionen zu ändern, ist natürlich eine Herausforderung. Man sieht aber, wie die Wirtschaft langsam in Zugzwang kommt, die entsprechenden Dienstleistungssektoren zu fördern und auszubauen in Richtung Alternativen, Energiesparen, CO2-Reduktion und letztendlich CO2-Neutralität.

Stichwort Generationen: Mir scheint, dass es auch eine Geschlechterfrage ist. Die etablierte, alteingesessene Filmbranche ist aber bekanntlich eher nicht jung und weiblich – wie sieht es da aus?
BW: Es ist meiner Meinung nach eine persönliche Sache. Das ist eine Ausbildung, die ich nicht mache, wenn mich das Thema nicht interessiert. Ich zum Beispiel lebe seit Jahren privat so nachhaltig wie möglich. Nur so kann ich Nachhaltigkeit auch glaubwürdig im Beruf vermitteln. Neben dieser persönlichen Identifikation mit dem Thema ist übrigens Respekt anderen gegenüber extrem wichtig. Ich kann nicht einfach ein starres Konzept über ein Projekt drüberlegen. Ich habe deswegen auch Nachbesprechungen gemacht, um zu hören, ob das, was ich mir überlegt habe, auch funktioniert, ob das mit der alltäglichen Praxis der Leute vereinbar ist.

NH: Ich glaube, alle, die diese Ausbildung machen, wissen oder merken sehr schnell, dass es Diplomatie braucht und nicht jemanden, der zu einem Projekt dazukommt und sich wichtig macht. Man muss viel wissen, aber das auch in der Kommunikation mit anderen gut umsetzen können. Es geht um einen Austausch, aber nicht nur innerhalb einer Produktion, sondern auch zwischen allen Beteiligten, auch den Förderstellen.

DR: Das Thema ist im Fluss, in steter Bewegung. Wir wissen, die drohende Klimakatastrophe wird sich nicht morgen einfach „lösen“ lassen. Da muss man auch als Förderinstitution oder als Film Commission sagen: Wo können wir von unserer Seite aus ansetzen, um etwas anzuregen oder möglich zu machen? Das Dynamische des Themas ist ein wichtiger Faktor, daher
(re)agieren wir mit dem Evergreen Prisma inhaltlich auch flexibel, greifen Tendenzen auf, stellen der Branche aktuelle Informationen zur Verfügung und vieles mehr.

LW: Wir waren ein junges Team, aber mich haben auch sogenannte „alte Hasen“ überrascht mit ihrer Neugier, ihrer Bereitwilligkeit, mitzutun. Ich habe schon den Eindruck, dass es einen weiblichen Überhang gibt, auch deshalb, weil es in vielen Institutionen eben Frauen sind, die sich um Fragen wie Nachhaltigkeit stärker kümmern. Zu den aktuellen Bedingungen in Österreich und was da auf uns zukommt, etwa in puncto Förderrichtlinien des ÖFI: Ich habe das Gefühl, dass das ein guter Anfang ist, einigermaßen niederschwellig, so dass man niemanden ausschließt, auch nicht kleine Produktionsfirmen oder kleine Projekte. Das Commitment, dass man Fehler machen darf, dass eventuelle Mehrkosten abgedeckt werden können, das ist sehr wichtig. Wenn alle auf dem „nächsten Level“ sind, dann kann man durchaus auch anziehen und sagen: Okay, jetzt werden die Bestimmungen strenger angewandt.

NH: Das sehe ich genauso. Deutschland führt das verpflichtend ein, und wir sind auch auf diesem Weg. Wir sind vom Wissens-transfer und vom Praxis-Know-how her noch nicht so weit, ganz strenge Regeln anwenden zu können.

DR: Man kann das ja auch erst verlangen, wenn es gekonnt wird seitens der Filmbranche, und auch die zuarbeitenden Firmen müssen ihren Weg gehen können. Das geht nicht von heute auf morgen. Unsere Green-Filming-Initiative Evergreen haben wir seit 2018, mit dem Vermittlungsprogramm des Evergreen Prisma nimmt das Wissen seither stetig zu, und wir bewegen damit viel in der heimischen Szene. Die Zahl grün umgesetzter Projekte nimmt zu. Das Konzept ist aufgegangen, und ich entwickle es nun zusammen mit meinem Team und unseren Kooperationspartnerinnen und –partnern stark weiter.

Sie glauben also, dass Green Filming für alle machbar ist, auch anhand der neuen Förderrichtlinien?
NH: Ich glaube, dass es für alle machbar ist, auch mit dem Maßnahmenkatalog, den wir jetzt im ÖFI etabliert haben. Kurz zusammengefasst: Der Aufsichtsrat hat Ende 2020 eine Richtlinienänderung beschlossen. Dabei geht es um einen verpflichtenden Bericht bei Abschluss eines Projekts. Ich habe überlegt: Wie soll so ein Abschlussbericht aussehen, der dann auch umsetzbar ist? Im Zuge der Arbeit wurde klar, dass das Thema sehr viel umfassender ist und über den Abschlussbericht hinausgeht. Man muss viel früher beginnen, sich mit Green Filming auseinanderzusetzen. Deshalb gibt es jetzt die Möglichkeit, schon während der Projektentwicklung eine/n Green Film Consultant hinzuzuziehen und das auch zu kalkulieren. Vom letzten Einreichtermin her weiß ich, dass das Interesse, schon früh damit zu beginnen, sehr groß ist. Letztlich profitieren alle davon, auch die Produktionsfirma.

Ist es nicht so, dass am Ende auch evaluiert wird, ob das Ganze funktioniert hat?
NH: Ja, genau. Was hat funktioniert, was nicht? Was wurde umgesetzt, was nicht? Wir sind in einer Anfangsphase, in der es auch Zeit gibt, zu lernen und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ohne Angst haben zu müssen, dass man etwas falsch macht.

LW: Man muss wirklich jedes Projekt individuell analysieren. Ein bestimmter Film hat vielleicht einen großen Transportaufwand, weil man an verschiedenen Orten dreht und dauernd Team und Cast von A nach B bringen muss. Da könnte man sich dafür entscheiden, beim Catering verstärkt auf Regionalität, Bio und fleischlose Kost zu achten. Ein anderer Film kann vielleicht beim Szenenbild sehr nachhaltig agieren, dafür hat er in anderen Bereichen Elemente, die unvermeidbar sind. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass die Förderstellen darauf eingehen.

DR: Ja. Es geht darum, etwas möglich zu machen. Dass etwas nicht möglich ist, das soll zur Ausnahme werden. Daraus wird sich dann entwickeln, dass eben immer mehr möglich wird und letztlich immer weniger CO2 anfällt. Das Ziel ist die klimaneutrale Filmindustrie. Zusammen mit gesunden, fairen Arbeitsbedingungen.

LW: Die Arbeit der Green Consultants darf man wirklich nicht unterschätzen. Ohne Barbara wäre ich verloren gewesen, denn ich hatte mich zwar viel mit dem Thema auseinandergesetzt, aber letztlich fehlt einem einfach die Zeit, das in der Praxis umzusetzen. Es sind ja momentan drei Komponenten, die man unter einen Hut bringen muss: den Film an sich, Covid-19 und Green Filming. Das bedeutet großen Kommunikations- und Rechercheaufwand und viele Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Da ist es wichtig, eine Green Consultant zu haben, die Zeit hat, sich exklusiv damit zu beschäftigen und deren Personalkosten förderbar sind, damit man diese Person auch fair bezahlen kann. Was wir auch gelernt haben, ist, dass es wichtig ist, jemanden direkt am Set zu haben: eine/n „Green Runner“, der oder die am Set dafür sorgt, dass die Maßnahmen, die in der Vorbereitung festgelegt wurden, auch umgesetzt werden.

BW: Die Green-Runner-Position ist ganz wichtig. Ich könnte das als Green Consultant gar nicht leisten, dass ich jeden Tag das Set abklappere und schaue, ob alles funktioniert. Was ich gut am Konzept des ÖFI finde, ist, dass damit Bewusstseinsbildung für alle Filmschaffenden passiert. Das ist meiner Meinung nach derzeit alternativlos und schafft Bedingungen, in denen die Verantwortung nicht individuell bei einzelnen Personen liegt. Es wird ein institutioneller Rahmen vorgegeben, in dem man sich bewegen kann. Es ist wichtig, dieses Bewusstsein zu schaffen, dass jeder Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit wertvoll ist. Mit den neuen ÖFI-Richtlinien sind wir alle angehalten, jede Produktion, zwar mit verschiedenen Prioritäten, aber grundsätzlich nachhaltig auszurichten. Das wird sich auch in der Evaluierung darstellen lassen.

DR: Den „alten“ irrationalen Glauben daran, dass der Filmbereich nicht vom Thema Klima berührt wird, den müssen wir verabschieden. Es ist notwendig, dass genau über diese Dinge, die bisher bei Ko-Produktionen oder größeren heimischen Produktionen nicht funktionieren, ebenfalls Daten gesammelt werden. Damit man hier gezielt vorgehen und schauen kann, was es braucht, um eine grüne Umsetzung zu stärken, um auch wieder neue Maßnahmen setzen zu können, die dann wieder weitere Schritte ermöglichen. Dafür brauchen wir diese Erfahrungen. Wie beim Pilotprojekt Heimsuchung: Das Besondere daran ist ja, dass hier verschiedene Kräfte zusammenwirken – zum ersten Mal in dieser komplexen Form, würde ich sagen. Wir haben ein Netz der Ermöglichung gewebt. So, wie die Produktion umgesetzt wurde, ist nun eine Evaluierung möglich. Ausgehend davon kann man als Green Consultant Austria wieder ein Stückchen besser auf einer bestimmten Klaviatur spielen, man kennt bestimmte Prozesse und hat diese erste oder sogar zweite Erfahrung miteinander gemacht. Das sehe ich als eine unserer wichtigsten Aufgaben derzeit, unser Netzwerk von Green Film Consultants Austria auszubauen und zu pflegen und gleichzeitig gemeinsam mit den Förderstellen zu ermöglichen, dass mehr Austausch passiert und man voneinander lernt.

Können Sie vielleicht etwas zu dieser Ausbildung sagen?
BW: Ich bin schon seit 2019 bei den von der LAFC angebotenen Weiterbildungen von Philip Gassmann dabei. Die tatsächliche Ausbildung zur Green Film Consultant war die logische Konsequenz. Gerade die letzten Module sind inhaltlich sehr intensiv und umfassend und fordern auch einiges an Eigeninitiative und Recherche-Arbeit. Die Ergebnisse aus dieser Arbeit konnte ich dann direkt in das Pilotprojekt Heimsuchung einbringen.

DR: Die Ausbildung wird immer weiterentwickelt, wir haben jetzt die zweite Generation der auszubildenden Green Film Consultants, und ich merke: Die Recherche-Arbeit zwischen den drei Modulen ist jetzt wieder eine andere als vorher. Es geht ganz stark um den Praxis-Fokus, das Evergreen Prisma und sein CO2-Rechner ist dafür von vielseitigem Nutzen. Für 2022 ist wieder vieles geplant. Wir sehen nun deutlich, welche Impulse wir mit dem Evergreen Prisma bereits gesetzt haben und in welcher positiven Dynamik wir uns damit weiterbewegen wollen, um miteinander noch mehr zu schaffen.

BW: Philip Gassmanns Euphorie im Vortrag und seine Freude an technischen Innovationen und ökologischen Handlungsalternativen sind unglaublich mitreißend. Andererseits gab es Themen wie Umweltmanagementsysteme, die auf ersten Blick trocken erscheinen, aber wenn man sich darauf einlässt, merkt man, dass die Filmindustrie nicht das Rad neu erfinden muss. Nina hat die Sustainable Development Goals erwähnt: Es gibt bereits Kriterienkataloge, die man eigentlich über jeden Arbeitsprozess legen kann. Das fand ich spannend. Und die Verschränkung der Ausbildung mit dem Pilotprojekt bedeutet für mich, dass ich auch wieder etwas von dem gelernten Wissen durch LAFC und Philip Gassmann zurückgeben kann.

NH: Was für mich vor der Ausbildung ein Missing Link war, war das Elektrische, Stromtechnische. Es war für mich spannend, etwa verschiedene Arten von Steckern kennenzulernen. Und wie ich gewisse Dinge ausrechne. Deshalb finde ich diese Ausbildung so wichtig. Weil sie einem das Werkzeug in die Hand gibt, um auszurechnen, wie viel Strom ein Maskenmobil verbraucht. Wie viele Liter Benzin brauche ich für einen Dieselgenerator? Und wie viel CO2 verbrauche ich damit? Das geht dann auch in die private oder in die Büro-Ebene zurück, wo ich mir dann angesehen habe, wie viele kWh an Heizenergie wir eigentlich verbrauchen. Was das in Zahlen tatsächlich heißt.

DR: Wir hatten Gäste aus Berlin da, die große Produktionen betreuen, darunter einen Oberbeleuchter mit breitem Erfahrungsspektrum. So konnten wir lernen, dass wir als Green Film Consultants Austria Bescheid wissen müssen, worum es geht: Was sind die Werkzeuge, was sind die Formeln, um auch mit dem Bereich Beleuchtung sprechen zu können? Zu fragen, wie das in puncto Energiemanagement im jeweiligen Bereich aussieht, was man machen kann, ob es die notwendigen technischen Möglichkeiten in Österreich schon gibt. Bei den Green Film Consultants laufen diese Informationen zusammen, und dann wird berechnet, was das im CO2-Haushalt der Produktion bedeutet. Das ist ein wichtiger Faktor unserer Ausbildung: Welche Bausteine müssen bzw. können effektiv angewendet werden, auch in Bereichen, die einem bisher vielleicht eher verschlossen waren.

LW: Es gibt ja verschiedene Arten von Kursen, die die LAFC anbietet. Einerseits „Schnupperkurse“ für einzelne Departments, in denen man gewerkspezifisch etwas über Green Filming lernt, anderseits gibt es die Grundkurse, so wie ich einen gemacht habe, die vier bis fünf Tage dauern und einen groben Überblick geben. Und dann gibt es die Green-Film-Consultant-Ausbildung. Damit hat man dann wirklich das Instrument, als Green Film Consultant zu arbeiten.

DR: Gut ist sicher, dass unser Weiterbildungsprogramm auf Profis oder auch auf den Nachwuchs genau zugeschnitten wird – auf Kamera, Licht, Produktion oder Regie. Wir bieten verschiedene Formate an, etwa für Verbände oder Filmteams, die mit uns arbeiten oder eine Veranstaltung mit uns machen wollen. Uns geht es darum, nachhaltiges Filmschaffen zu ermöglichen. Wir schaffen den hohen Qualitätsstandard, der die notwendige Grundlage dafür bildet. Wir arbeiten vorausschauend. Mit Fokus auf die Vermittlung der Praxis, damit Filmschaffende etwas in die Hand bekommen, womit sie etwa als professionelle Green Film Consultants die notwendigen Effekte erzielen können. Das lässt sich noch weiter fördern, durch die Kooperation verschiedener Institutionen und durch Know-how, das gewisse Perspektivenwechsel mit einbeziehen kann. Über kurz oder lang wird es internationale Ko-Produktionen geben, die, weil manche Filmländer da schon weiter sind, verpflichtend nachhaltig ausgerichtet werden müssen.

Im November gab es bei der LAFC ein Webinar zum Thema „Green Storytelling“. Was kann man sich darunter vorstellen?
BW: Film bildet die Lebenswelt ab. Ich finde, es wird unumgänglich sein, dass in Geschichten praktisch subkutan gewisse Dinge anders, „grüner“ gemacht werden. In den Siebzigern haben alle geraucht, heute wird Rauchen im Film eher bewusst eingesetzt, zum Beispiel, um einer Figur eine gewisse Charakteristik zu verleihen. So kann auch nachhaltiges Handeln im Film zu einer Selbstverständlichkeit werden. Ich denke, dass Geschichtenerzählen eine verantwortungsvolle Rolle hat, die Sehgewohnheit wirkt ja wieder zurück darauf, wie ich meinen Alltag sehe. Natürlich passt Green Storytelling nicht in jeden Film. Aber ein Film, der das Alltagsleben abbildet, kann auf diese Dinge achten; banales Beispiel ist, dass die Protagonistin nicht die Plastikflasche fallen lässt, sondern aus einer Mehrwegflasche trinkt, aber da gibt es viel Raum für wirklich kreatives Storytelling. Man darf die Verantwortung nicht individualisieren, sie liegt natürlich vor allem bei der Politik. Aber Geschichtenerzählen kann auch ein Aspekt davon sein.

NH: Da wir als ÖFI Stoffentwicklung fördern, können wir als Förderinstitution eine gewisse Art von Awareness schaffen.

DR: Wie wird sich unsere Wahrnehmung über die nächsten Jahre verändern? In 20 Jahren denken wir vielleicht: Wahnsinn, damals ist man noch mit dem Flugzeug herumgereist, und die Crew von 250 Menschen flog für einen Dreh auf die Fidschi-Inseln! Viele halten das noch für selbstverständlich und unabänderlich, es ist Usus. Im Umdenken bzw. im „grünen Schreiben“ liegt immenses kreatives Potential. Wir können damit stark mitgestalten.

LW: Wenn es zur Geschichte passt, finde ich Green Storytelling eine gute Sache. Bei Heimsuchung hätte es aber künstlich gewirkt. Die Hauptfigur Michi ist in diesem Moment so kaputt. Wenn die dann anfinge, zu ihrer Tochter zu sagen: „Das gehört aber in den gelben Sack“ – das wäre seltsam. Deswegen haben wir es auch nicht umgesetzt. Es gibt ja bereits Beispiele, ein bekanntes ist der Fahrrad fahrende Tatort-Kommissar …

DR: Es gibt einen alternativen Generator, den man in einem James Bond sieht, es gibt diverse Platzierungen von innovativer Technik in Hollywood-Filmen. Green Storytelling zielt darauf ab, schon während oder vor der Projektentwicklung Bewusstsein für die Umwelt einfließen zu lassen und zu thematisieren. Es müssen dazu nicht alle regional und alternativ auftreten, man kann auch gegenentwerfen, um zu zeigen, worum es da geht, oder die Dinge zuspitzen. Mit unserem Evergreen Icon machen wir Projekte sichtbar, die nachhaltige Themenschwerpunkte haben, damit kann man in unserer Datenbank entsprechende Einträge filtern. Dabei geht es oft um alternatives Leben abseits des Mainstreams oder der Vereinbarung, die wir gesellschaftlich jetzt gerade haben. Mit den Seminaren zu Green Storytelling wollen wir spielerischere Ansätze schaffen, Figuren, Geschichten oder Settings neu zu denken.

LW: Ich glaube auch, dass man mit Statussymbolen viel arbeiten kann. Wenn der Held oder die Heldin nicht mit dem dicken SUV oder mit der Jacht vorfährt, sondern auch nachhaltigere Objekte oder Handlungsweisen einen Status bekommen, dann wäre man schon einen großen Schritt weiter.

 

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