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Dexter: New Blood

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Dexter: New Blood

| Pamela Jahn |
Vielversprechendes Serienrevival

Auch die versiertesten Serienmörder können gegen ein unmotiviertes Drehbuch nichts ausrichten. Das bekam auch Dexter Morgan (Michael C. Hall) zu spüren, als er sich 2013 nach sieben langen Fernsehjahren komplett ins Aus gespielt hatte. Bereits nach den ersten vier grandiosen Staffeln der Original-Krimi-Drama-Serie um den mordlustigen Forensiker und Blutspurenanalysten ließ die Qualität des Materials kontinuierlich nach. Aber es war vor allem die finale Episode der achten Staffel, die Fans und Kritiker gleichermaßen erschaudern ließ – und das nicht angesichts des mörderischen Settings, sondern vor der ultimativen Enttäuschung darüber, mit welcher Nachlässigkeit hier einer der spannendsten Serien-Charaktere der letzten fünfzehn Jahre verabschiedet wurde.

Kurzum: Ein Revival hatte auf Zuschauerseite keiner herbeigesehnt. Und doch beschloss man bei Showtime, dem amerikanische Pay-TV-Sender, bei dem Dexter 2006 erstmals an den Start ging, ein Sequel zu drehen. Darin kehrt neben Michael C. Hall in der Titelrolle nun auch der ursprüngliche Showrunner Clyde Phillips an den Ort des Geschehens zurück, was die Prämisse im Voraus zumindest ein Stück weit interessanter macht. Und noch eine gute Nachricht gibt es zu vermerken: Dexter, dessen Äußeres zum Schluss ebenfalls extrem zu wünschen übrig ließ, hat sich für sein großes Comeback rasiert – allein dafür möchte man ihm die neue Chance gerne gewähren.

Inwieweit Dexter: New Blood einen verzweifelten Wiedergutmachungsversuch seitens der Macher bezeichnet, sei dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass sich alte Leidenschaften und Obsessionen nur schwer abschalten lassen und man allein deshalb als Zuschauer so hoffnungsvoll auf die erste von zehn Episoden schaut, wie Dexter Morgan zu Beginn auf sein neues, geordnetes Leben in Iron Lake, New York. Hier hat es ihn hin verschlagen, nachdem er aus seiner langjährigen Heimat Miami fliehen musste. Und hier lebt er seither unter dem Decknamen Jim Lindsay, arbeitet tagsüber in einem Waffengeschäft und geht abends mit der örtlichen Polizeichefin Angela Bishop (Julia Jones), die zufällig auch seine Geliebte ist, ein Bier trinken.

Einen Mord, und darauf ist er beinahe richtig stolz, hat Dexter seit fast zehn Jahren nicht begangen. Zu verdanken hat er seine Blutnüchternheit nicht zuletzt den regelmäßigen Wahnvorstellungen, in denen ihm seine verstorbene Schwester Deb (Jennifer Carpenter) neuerdings immer wieder ins Gewissen redet, um Schlimmstes zu verhindern. Aber Dexter wäre nicht Dexter, wenn ihm nicht irgendwann im Laufe der ersten Episode doch der Geduldsfaden reißen würde, was ein Blutbad und anschließend eine umfangreiche polizeiliche Ermittlung zur Folge hat, für die sein einsames Haus tief im Wald als Basisstützpunkt dienen soll.

Man muss Hall zugute halten, dass er sich nach allem, was er mit seiner Figur in den letzten Staffeln durchmachen musste, jetzt noch einmal für die Rolle des überambivalenten aber stets sympathischen Antihelden zur Verfügung gestellt hat. Anders als Dexter Morgan beim Morden ist er nicht aus der Übung gekommen, wenn es darum geht, seiner Figur einen herrlich abgründigen, schwarzhumorigen Charme zu verleihen. Aber die überraschende Ankunft seines mittlerweile jugendlichen Sohnes Harrison (Jack Alcott) lässt ihn zugleich auch etwas gediegener und verantwortungsbewusster erscheinen. Er hatte Harrison einst aus seinem Leben verbannt, um keinen schlechten Einfluss auf ihn zu haben, und wie lange das gut gehen kann, wird sich zeigen.

Überhaupt muss man abwarten, wie sich dieses als Miniserie präsentiertes Dexter-Revival entwickeln wird. Noch ist es zu früh, darüber zu urteilen, ob New Blood tatsächlich das frische Blut wert ist, dass hier verspritzt wird. Aber die ersten Folgen zeugen zumindest von einer Kompetenz, die dem Original nach dem Weggang von Philips immer deutlicher abgegangen ist. Und auch die Zuschauer, die erst jetzt in das zwiespältige Dexter-Universum einsteigen, haben eine Chance, sich darin zurechtzufinden und ihren Spaß zu haben. „Das Leben ist kurz,“ sagt Dexter Morgan, als er seinem jüngsten Opfer das Messer in die Brust rammt – und beweist damit einmal mehr, dass er noch immer den längsten Atem von allen besitzt.