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Diane Keaton

Ich bin kein gutes Vorbild

| Thomas Abeltshauser |
Diane Keaton, nicht nur wegen ihrer Glanzrolle in Woody Allens "Annie Hall" eine Ikone des US-amerikanischen Kinos, ist auch kurz vor ihrem 70. Geburtstag noch in bester Form und Laune. Ein beschwingtes Gespräch über Leben und Karriere, Männer und Frauen, Twitter un Pinterest.

Diese Frau weiß, was ein Auftritt ist. Diane Keaton wartet im Nebenzimmer, bis man sich gesetzt hat, um dann in der Flügeltür zu erscheinen – schwarzer Hut, perlmuttfarbene Designerbluse und „ein Paar alte Ralph-Lauren-Hosen“, wie sie es nennt. Im Interview erweist sich die 68-jährige Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin (als Annie Hall in Woody Allens Der Stadtneurotiker, 1977) als frischer und neugieriger als die meisten ihrer weitaus jüngeren Kolleginnen.

Sie hegen eine Begeisterung für Fotografie. Nehmen Sie eigentlich Ihre Kamera mit auf Reisen?

Mein Smartphone ist meine Kamera. Ich bin keine richtige Fotografin. Aber ich sammle Fotokunst. Einige der Fotobücher, die ich herausgegeben habe, basieren auf Sammlungen, die ich gekauft habe. Ich habe zum Beispiel das Werk von Bill Woods Jr. erstanden, der den Alltag im texanischen Fort Worth der 1950er und 1960er festgehalten hat. Ich habe daraus einen Fotoband mit dem Titel „Bill Wood’s Business“ gemacht. Und ich habe die Arbeiten eines weiteren Fotografen gekauft, der vor allem Autounfälle fotografiert hat und ich plane gerade einen weiteren Band.

Aber Sie haben auch ein Buch mit eigenen Fotografien veröffentlicht…

Ach, das ist lange her, vor über 30 Jahren. 1980 habe ich den Band „Reservations“ mit Aufnahmen von Hotellobbys herausgebracht. Ich hatte damals eine Rolleiflex, eine dieser Mittelformatkameras, bei denen man von oben in den Sucher schaut. Ich kam mir beim Fotografieren sehr professionell vor. Aber ich musste mir irgendwann eingestehen, dass meine Aufnahmen nie besonders gut waren. Eine Weile bin ich noch am Hollywood Boulevard herumgelaufen und habe versucht, Diane Arbus oder so zu sein. Gerade vor ein paar Tagen habe ich mir diese alten Fotos wieder angeschaut und, nun ja, sie sind einfach ziemlich mittelmäßig. Ich muss da den Tatsachen ins Auge sehen. Sie zu machen hat riesigen Spaß gemacht, aber das Ergebnis ist nichts Dolles.

Fühlen Sie sich beim Singen sicherer? Voriges Jahr, in der Komödie And So It Goes (Das grenzt an Liebe) mit Michael Douglas, traten Sie sogar vor Publikum auf.

Als Jugendliche habe ich viel gesungen, ich war in etlichen High-School-Musicals und auch später noch im College. Ich war zum Beispiel Maria in „The Sound of Music“. Für eine Weile dachte ich, dass ich das beruflich mache, doch dann kam ich auf die Schauspielschule und dort habe ich außer „Hair“ nichts mehr in der Richtung gemacht. Ich liebe es noch immer zu singen, aber auch hier fehlt mir das letzte Quäntchen, um richtig gut zu sein.

Im Film zumindest klingt es sehr hübsch.

Oh, vielen Dank. Das ist ganz süß von Ihnen. Das schreib ich mir gleich auf.

Warum sind Sie so bescheiden mit Ihren Talenten? Sie haben darüber hinaus auch noch zwei autobiografische Bücher geschrieben. Finden Sie die auch nur so lala?

Ich kann nur meine Meinungen niederschreiben, ich würde mich nie als Autorin oder gar Schriftstellerin bezeichnen. Ich wurde mal gefragt, ob ich ein Buch mit Hundegeschichten schreiben will, weil ich auch im Tierschutz aktiv bin. Also dachte ich, ich interviewe Mitarbeiter von Tierschutzorganisationen. Eine von ihnen hat eine Abteilung mit Tieren, die für Therapien mit psychisch kranken Menschen eingesetzt werden und ich traf mich mit dem Leiter, interviewte ihn über eine Stunde und nahm alles auf, genauso wie Sie es jetzt tun. Danach hörte ich die Aufnahme an und lassen Sie mich dazu nur eins sagen: Es ging einfach nicht! Es fällt mir leicht zu sagen, was ich denke, was ich von diesem oder jenem halte, oder zu erzählen wie meine Mutter war oder über meine Beziehungen zu reden. Aber es ist wirklich schwierig, jemanden zu treffen und danach ein Porträt über ihn zu schreiben, als ob man alles wüsste. Ich kann nur festhalten, was ich kenne und erlebt habe. Und das tue ich sehr gerne.

Ist das Schreiben nicht eine sehr einsame Tätigkeit verglichen zur Arbeit als Schauspielerin vor der Kamera?

Aber eine höchst interessante. Ich liebe es, Dinge zusammenzustellen. Und ich spreche Sachen gerne laut aus. Ich bin schließlich nicht ohne Grund Schauspielerin! Also schreibe ich Absätze und lese sie dann laut vor, stelle sie immer wieder neu zusammen, lese noch mal. Erst danach entscheide ich, wie es am besten zusammenpasst. Im Grunde ist es also nur eine andere Art mich auszudrücken und mir Gehör zu verschaffen. Es ist im Grunde eine Einfraushow, mein persönliches Soloprogramm.

Was haben Sie im Laufe der Jahrzehnte, in denen Sie Beziehungen mit Männern wie Woody Allen, Warren Beatty und Al Pacino hatten, über die Liebe gelernt und was geben Sie davon an Ihre Kinder weiter?

Das ist wirklich schwer zu beantworten. Was kann man schon über die Liebe lehren? Mir hat darüber niemand etwas beigebracht, ob über die romantische Liebe oder die zu Geschwistern oder Freunden. Aber ich erinnere mich an meine erste tiefe Liebe und die war zu meiner Mutter Diane. Ich lernte mehr durch meine eigenen Gefühle, nicht durch das, was mir andere erklärten. Was also lernen meine Kinder? Sie haben es mir nicht verraten, aber ich bin mir sicher, sie machen ihre Erfahrungen. Und ich sage ihnen dauernd, dass ich sie liebe. Aber was habe ich ihnen beigebracht? Ich hoffe, ich hatte einen kleinen Einfluss darauf.

Vielleicht nicht durch das Lehren, sondern das Vorleben?

Als positives Beispiel? Ich bin mir nicht sicher, ob ich da besonders gut drin war!

Gibt es Situationen, in denen Sie im Rückblick gerne anders gehandelt hätten? Dinge, die Sie bereuen?

Oh ja, was glauben Sie denn! Ich hätte gerne eine zweite Chance was einige meiner Liebesbeziehungen angeht. Oft wollte ich das Verhältnis nur für mich selbst, ich wünschte, ich wäre großzügiger gewesen. Im Rückblick muss ich ganz klar erkennen: Ich bin eine bessere Freundin im freundschaftlichen Sinn als im romantischen. Oft ging es mir mehr darum, dass ich angehimmelt werde: Ich war zu keinen Kompromissen bereit. Am Ende geht es doch darum, ein guter Partner zu sein, das Leben zu teilen, zu geben und zu nehmen. Und das bereue ich am meisten: Ich hätte ein bisschen mehr geben können. Ich war zu sehr in einer romantischen Fantasie und zu wenig in der Wirklichkeit. Ich habe zu viel gefordert. Aber vielleicht habe ich ja noch mal die Chance, es besser zu machen. Hoffentlich.

Wie schaffen Sie es trotzdem, mit vielen Ihrer Ex-Männer so ein freundschaftliches Verhältnis zu bewahren?

Oh, nicht mit allen! Vor allem mit Woody verbindet mich eine sehr enge Freundschaft, aber ich versuche zu allen nett zu sein. Und die Bedeutung von Freundschaften ändert sich, wenn man älter wird. Freunde werden zur Familie, einige kenne ich seit 40 Jahren oder mehr und sie bedeuten mir sehr viel. Sie sind meine zweite Familie.

Bedeuten Sie Ihnen mehr als ein Liebhaber?

Sie begleiten mich seit langem, sie sind geblieben und sie kennen mich besser als alle anderen. Klar, vielleicht verliebe ich mich irgendwann in jemanden und schaffe es, auch ein guter Freund zu sein. Das wäre perfekt. Aber bis dahin…

Berühmt geworden sind Sie als Annie Hall in Woody Allens Der Stadtneurotiker. Ist Ihre Rolle in Das grenzt an Liebe, diese Leah mit all ihren Neurosen und Talenten, eine Art Annie Hall 40 Jahre später?

Oh! Darüber habe ich nie nachgedacht. Hm, interessant. Ist sie gereift und eine erwachsene Frau geworden? Eine schöne Vorstellung. Und mittlerweile kann sie sogar Sätze vollenden. Erinnern Sie sich an Annie Hall im Stadtneurotiker? ‚Oh ja, la di da…’ viel mehr kam da ja nicht.

Können wir mal kurz über Twitter sprechen? Sie sind mit Ihren 68 Jahren sicher nicht der typische Nutzer. Trotzdem gibt es nur wenige Prominente, die so aktiv nicht nur Nachrichten senden, sondern wirklich mit ihren Fans kommunizieren.

Da muss ich was gestehen. Ich habe nur begonnen, Twitter ernst zu nehmen, weil ich süchtig nach Pinterest bin. Kennen Sie das? Das ist ein soziales Netzwerk, in dem man seine Bildersammlung online stellen kann. Ich liebe das, aber ich brauche mehr Follower! Also bin ich zu Twitter und das hat einen doppelten Effekt. Ich kann Werbung für mein Profil machen und ich kann gleichzeitig meine Twitterfans um Fotos bitten, die ich dann wiederum bei Pinterest hochlade.

Mit Verlaub, warum tun Sie sich das mit 68 Jahren noch an?

Ich bin einfach bildersüchtig. Habt ihr Fotos von Clowns? Schickt sie mir! Abgefahrene Frisuren? Her damit! Aber ich bin nicht gaga, glauben Sie mir. So oft bin ich gar nicht auf Twitter, höchstens jede ein, zwei Wochen mal.

Die meisten Ihrer jüngeren Kollegen scheinen sich dagegen nur zu beschweren über das Internet und wie es ihre Privatsphäre zerstört. Sie sind da scheinbar viel cooler…

Ach, das ist ein zweischneidiges Schwert. Promis hassen es, aber sie müssen auch irgendwie mitspielen, um relevant zu bleiben. Soziale Medien verändern gerade alles, nicht nur irgendwelchen Klatsch über Stars, sondern auch, wie die Demonstrationen etwa in Hongkong wahrgenommen werden.

Gerade gibt es wieder eine Debatte über den Geschlechterunterschied in Hollywood, sowohl was die Bezahlung angeht als auch das Schönheitsideal. Wie erleben Sie das?

Es kommt wirklich auf den Regisseur an. Ich war nie die Nummer Eins an der Kinokasse, aber natürlich verdienen Männer noch immer mehr. Und warum nicht? Deren Filme spielen auch mehr ein.

Die junge Schauspielerin Emma Watson sprach vor der UN über Frauenrechte, immer wieder zerreißen sich Kommentatoren im Internet den Mund über das kaum wiedererkennbare Gesicht von Schauspielerinnen nach offensichtlichen Schönheitsoperationen. Etwas hat sich geändert seit den Zeiten des Studiosystems, oder?

Das gibt es ja in dem Sinn nicht mehr. Alle Filme, in denen ich mitspielte, wurden außerhalb des Systems produziert. Emma Watson hat viel größere Themen angesprochen als nur die Filmindustrie. Ich war so wahnsinnig beeindruckt von ihr. Wie kann sie so brillant sein mit was, 24 Jahren? Wahnsinn!

Sie sind sehr viel länger im Geschäft. Fühlten Sie sich jemals diskriminiert?

Klar, habe ich mich geärgert, weil meine Forderungen nicht erfüllt wurden. Oder weil ich mit einem Regisseur nicht so gut zurechtkam, aber das sind Kleinigkeiten, die in einer Arbeitssituation so oder so entstehen. Es läuft nicht immer nach deinen Regeln. Aber ich wurde nie falsch behandelt, wirklich nicht.