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Die bauliche Maßnahme

Filmkritik

Die bauliche Maßnahme

| Andreas Ungerböck |
Ein Dokumentarfilm mit Menschen, die die Politik beschämen

Nikolaus Geyrhalters aktueller Dokumentarfilm, im März ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Diagonale, widmet sich einem heiklen Thema, nämlich dem 2016 groß angekündigten Grenzzaun zwischen Österreich und Italien am Brenner. Um das Heilige Land Tirol vor den drohenden Flüchtlingshorden zu schützen, sollten insgesamt 370 Meter Zaun  – „Maschendrahtzaun, nicht Stacheldrahtzaun“, wie der zuständige Polizeikommandant bei der Pressekonferenz zweimal betont –, errichtet werden. Eingefallen war das aber nicht der Polizei, sondern der Politik, wie könnte es auch anders sein?

Dass ein Grenzzaun und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im vereinten Europa, noch dazu zwischen Nord- und Südtirol, keine gute Idee sein würden, daran dachte offenbar niemand, schließlich ging es um politisches Kleingeld, und das heiße Flüchtlingsthema und die sogenannte „innere Sicherheit“ wollten auch Innenminister Sobotka und Außenminister Kurz nicht den Rechtspopulisten überlassen – dann schon lieber selber auf den Tisch hauen und die Ängste schüren. Rund 11.000 illegale Einreisen gab es im Jahr 2016, 2017 waren es etwas mehr als 7.000 – so verkündet es lapidar ein Insert am Ende des Films. Die „bauliche Maßnahme“, so die behübschte Variante, harrt weiter ihrer Umsetzung, der Maschendraht ruht in einem Container und wird gelegentlich von der Polizei inspiziert. „Wir hoffen, dass er hier liegen bleibt“, sagt einer der Polizisten.

Wer Nikolaus Geyrhalter kennt, weiß, dass er sich auch bei einem so aufgeladenen Thema nicht mit einfachen Fragen und schon gar nicht mit simplen Antworten zufriedengibt. Er stellt seine bekannt sanft insistierenden Fragen und lässt nicht locker, bis seine Gesprächspartnerinnen und -partner tatsächlich das gesagt haben, was sie auch meinen. Und er hat, wieder einmal, eine erstaunliche Anzahl von interessanten Leuten gefunden, denen man gerne zuhört und die ein erfreulich positives Bild von Tirol bzw. Österreich vermitteln. Die Grenzziehung, die geografische, aber vor allem die in den Köpfen, lehnen die meisten von ihnen vehement ab. Auch die Polizisten wirken fast peinlich berührt, dass sie eine solche „Maßnahme“ umsetzen sollen. Ein Pflichtfilm für Politiker und -innen.