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Filmkritik

Die Boxtrolls / The Boxtrolls

| Jörg Schiffauer |
Von ängstlichen Monstern und bösen Menschen

Es liegt einiges im Argen in Cheesebridge, einem Städtchen irgendwo im viktorianischen England. Wie schon der Name andeutet, ist der Ort berühmt für seine Käseproduktion, was den Einwohnern, insbesondere Lord Portley-Rind und seinen Freunden aus der Upperclass, zu beträchtlichem Wohlstand verholfen hat. Doch unter der Stadt in einem weit verzweigten Stollensystem hausen die Boxtrolls, unheimliche Kreaturen, die nächtens aus ihrem unterirdischen Versteck kommen, um die Straßen von Cheesebridge unsicher zu machen und Käse und Kinder der braven Bürger zu rauben.

Das ist zumindest die seit Generationen verbreitete Geschichte, die in der Stadt die Runde macht und die Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Eine veritable Fehleinschätzung, denn die Boxtrolls sind ungeachtet ihrer ein wenig eigenwilligen Physiognomie gutmütige und gesellige Wesen, die sich bei ihren Streifzügen nur des Abfalls der Menschen bemächtigen, um daraus in ihrer unterirdischen Welt phantastische Maschinen zu bauen. Zudem sind sie eher ängstlicher Natur, was sich darin manifestiert, dass sie sich Kartonschachteln umhängen, in die sie sich bei Gefahr wie Schildkröten in ihren Panzer zurückziehen. Und das einzige Kind, das sie „geraubt“ haben, ist ein Bub, den sie als Baby aus einer bedrohlichen Situation gerettet und sich so gut um ihn gekümmert haben, dass der Knabe vermeint, selbst ein Boxtroll zu sein. Doch weil sich Feindbilder nun einmal gut pflegen lassen, gehen die Einwohner von Cheesebridge mit unerbittlicher Härte gegen die harmlosen Boxtrolls vor, insbesondere Archibald Snatcher (dem in der Originalfassung Ben Kingsley eine geradezu diabolische Stimme verleiht) macht gnadenlos Jagd auf sie.

Laika, jenes Studio, das sich im Fachbereich Animation auf die Stop-Motion-Technik spezialisiert hat und mit Coraline und
ParaNorman ebenso eigenwillige wie gelungene Arbeiten ablieferte, setzt mit The Boxtrolls seine Linie konsequent fort. Basierend auf Alan Snows Roman „Here Be Monsters!“ erweist sich die Geschichte um die missverstandenen „Monster“ als ewig gültige Parabel über Vorurteile und damit geschürte Ängste samt verhängnisvollen Reaktionen. Dabei entwirft The Boxtrolls eine ebenso phantastische wie düstere Welt, die in ihrer Detailgenauigkeit streckenweise wie ein bizarrer Albtraum zwischen Hieronymus Bosch und Tim Burton aussieht und sich grundlegend von den bunten Universen à la Pixar oder Blue Sky unterscheidet. Insbesondere die menschlichen Charaktere, angeführt von dem geltungssüchtigen Ekelpaket Snatcher, erweisen sich als die wahren Ungeheuer. Es bleibt den liebenswerten Boxtrolls und dem von ihnen sozialisierten Buben vorbehalten, Licht in die Finsternis zu bringen, die Cheesebridge und seine Bewohner zu lange verdunkelt hat.