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Filmkritik

Die dunkle Seite des Mondes

| Roman Scheiber |
Kein Werbefilm für „Magic Mushrooms“

Dr. Urs Blank ist ein erfolgreicher Anwalt, Aushängeschild einer auf Fusionen spezialisierten Großkanzlei. Ein Siegertyp. Nachdem er einen Verhandler zu einer ruinösen Haftungsklausel gezwungen hat, erschießt sich dieser vor seinen Augen – und das makellos geordnete Leben des Mittvierzigers geht den Bach runter. In einem Anfall posttraumatischen Eskapismus geht Blank in den Wald, trifft zufällig die attraktive Lucille (Nora von Waldstätten) und lässt sich wenig später von ihr zum Pilz-Trip in alternativer Späthippie-Runde animieren. D abei missachtet er aber erstens die Regel, dass man auf gar keinen Fall zu halluzinogenen Substanzen greifen sollte, wenn man schlecht drauf ist, und hat zweitens Pech: Unter die kollektiv verdrückten Spitzkegeligen Kahlköpfe, die auch als „narrische Schwammerl“ bekannt sind, dürfte sich ein sehr seltener Giftpilz gemischt haben. Woraufhin nicht weniger als ein bislang unterdrücktes Monster in Blank zum Vorschein kommt.

„Die dunkle Seite des Mondes“ (2000), der zweite Roman des früheren Werbefachmanns und „Business Class“-Kolumnisten Martin Suter, trug nicht wenig zum Ruhm des heute meistgelesenen Schweizer Autors bei. Die Adaption von Stephan Rick weicht nun stark von der Vorlage ab. Nicht nur in der nötigen Verknappung der Erzählstruktur, sondern auch in wichtigen Details und in der Grundessenz: Suter ging es um die vermeintliche Midlife-Crisis eines großstädtischen Geldvermehrers, die sich „under the influence“ zu einer existenzialistischen Identitätskrise auswächst, und um den immerdar drohenden Verlust der dünnen Zivilisationsschicht, darunter der Mensch dem Menschen ein Wolf sei. Man hätte Moritz Bleibtreu als Blank gern dabei zugesehen, wie er auf der obsessiven – im Roman ausgedehnt und ausgezeichnet beschriebenen – Suche nach dem Samthäubchen-Auslöser seiner Krise allmählich zum Waldmenschen mutiert, sich intuitiv in das Territorium des Hobbes’schen Naturzustands zurückzieht, wo er seinen offenbar gewordenen Raubtiercharakter schadlos ausleben kann. Darauf verzichtet der Film zugunsten der verlassenen Ehefrau (Doris Schretzmayer), die hier überflüssiges Gewicht bekommt, und der thrillerhaften Zuspitzung von Blanks Duell mit seiner Mentor-goes-Manhunter-Nemesis Pius Ott (Jürgen Prochnow, wer sonst?). Mit den Referenzen und Symbolen des Romans, allen voran Pink Floyds titelgebendes Album „The Dark Side of the Moon“ und ein Jagdmesser mit der Gravur „never hesitate“, spielt auch der Cello-lastig gestimmte Film, bleibt aber ohne zu zögern an der Oberfläche des Trips hängen.