Eine wenig bekannte Seite von Franz Kafka
Mit seinem Namen verbinden wohl die meisten den abgrundtiefen Pessimisten, als den ihn seine düsteren, gespenstischen Erzählungen und Romane ausweisen. Und auch im eigenen Leben litt Franz Kafka unter starken Konflikten mit dem Vater, gescheiterten Beziehungen und seinem ungeliebten Beruf in einer Unfallversicherung. Aber dieser Leidende steht in der Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Michael Kumpfmüller hinter einem anderen Kafka zurück, der ein Jahr vor seinem Tod über eine späte Liebe immerhin eine Ahnung von den schönen Seiten des Lebens bekam.
Georg Maas und seine Ko-Regisseurin und Kamerafrau Judith Kaufmann schlagen dieses weniger bekannte Kapitel im Leben des berühmten Schriftstellers erfrischend zeitlos auf, als ereigne sich die Begegnung im Hier und Heute.
Die Romanze beginnt 1923, als der Literat wegen eines chronischen Lungenleidens an die Ostsee reist. Mit Blicken von großer Zärtlichkeit, sparsamen Dialogen und Poesie schildert der Film, wie er die Tänzerin Dora Diamant am Strand kennen und lieben lernt. Das Meer rauscht, die Sonne glitzert auf dem Wasser, durch die Dünen pfeift der Wind. Und Doras Bodenständigkeit tut dem introvertierten Intellektuellen sichtlich gut. Sie verleiht ihm die Kraft, endlich der Hölle seines Prager Elternhauses zu entkommen, mit ihr in Berlin Quartier zu beziehen. Allerdings sieht sich das Paar dort mit Armut konfrontiert, zudem verschlimmert sich Kafkas Gesundheitszustand dramatisch. Das aber zieht das subtile Kammerspiel mitnichten von einer kafkaesken Seite auf. Vielmehr richtet sich die leise Spannung mit warmen, weichen Farben darauf, was sich die Liebenden angesichts des bevorstehenden Endes ihrer Liebe gegenseitig geben können.
Geschickt balanciert der Film auf dem schmalen Grat zwischen Melodram und romantischer Komödie, und das auch dank einer trefflichen, typgerechten Besetzung: Henriette Confurius gibt authentisch die forsche, in sich ruhende Dora, Sabin Tambrea den kränkelnden, zurückhaltenden Schöngeist, der in seinem Tagebuch die im Filmtitel verankerte „Herrlichkeit des Lebens“ preist:
Es sei sehr gut denkbar, dass sie um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereitliege, schreibt er: „Ruft man sie beim richtigen Wort, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“ Wer weiß, was er noch über die Liebe und das Glück formuliert hätte, wenn ihm mit Dora Diamant eine längere Zeit vergönnt gewesen wäre.