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Die Känguru Chroniken

Filmkritik

Die Känguru-Chroniken

| Jakob Dibold |
Nicht ganz gelungene Übersetzung von Papier auf Leinwand

Man möchte gerne wissen, wie dem echten Marc-Uwe die Verfilmung seiner satirischen Kurzgeschichtensammlung selbst gefällt. Nachdem nämlich das Känguru kurzerhand und ungefragt in die Wohnung seines fiktiven, jedoch gleichnamigen Alter Egos einzieht, zieht sich die Filmversion zwar die grundlegenden Elemente aus Marc-Uwe Klings „Känguru-Chroniken“, wenn auch leicht verändert, heraus: Das Känguru wird nicht nur Marc-Uwes Weggefährte und einigermaßen unaufgeforderter Dating-Berater, sondern vor allem impulsiver Mitstreiter gegen die Feinde der Kiez-Geruhsamkeit. Politischer Rechtsextremismus und die superkapitalistische Gentrifizierung Berlins bilden in Gestalt einer übel gelaunten Schlägertruppe und eines solariumbraunen Baumoguls (ein Highlight des Films: Henry Hübchen) die Gegner, gegen die es sich zu behaupten gilt. Das Tempo ist dabei von Anfang an aber derart übertrieben rasant, dass die hektisch geschnittenen Komiksituationen einer Aneinanderreihung von Sketchen gleichen, die das gesamtsatirische Potenzial der Geschichte eher untergräbt als fördert.

Die sinnbildliche Figur des Kängurus birgt an und in sich ja durchaus Potenzial; es ist überzeugter wie tatkräftiger Kommunist, Quasi-Anarchist mit Moral und bildet so nicht nur einen witzigen, liebenswerten Gegenentwurf zu faschistoider Politik, sondern zeigt ebenso mit dem Finger auf den lethargischen Marc-Uwe und damit auch auf die indifferente Verdrossenheit, mit der sich so viele gemütlich aus dem gesellschaftspolitischen Tagesgeschehen raushalten. Mal wie eine Fight Club-Halluzination, mal wie der hedonistische Comedy-Bär Ted oder vielleicht als weniger düstere Version von Donnie Darkos Frank. Überhaupt könnten die unzähligen Anspielungen auf Hollywoodkino nicht nur, aber oft expliziter nicht sein – einzig als „Es“ gelesen verkörpert das aufdringliche Beuteltier jedoch eher Sigmund Freuds als Stephen Kings Idee davon.

Der überaus alkoholaffine Therapeut (schon auch gut: Paulus Manker) kann sich auf Marc-Uwes Sorgen und seine Känguru-Problematik trotzdem keinen Reim machen – das Filmpublikum wohl auch nicht so recht. Gefühlt soll wohl irgendetwas Kollektives psychologisiert, etwas Soziales diagnostiziert werden, tatsächlich aber ersticken diese Bemühungen zu schnell in unaufhörlichen Gagfeuerwerken und deren Rauchschwaden. So steht je nach Geschmack immerhin die ein oder andere witzige Einzelsequenz zu Buche, der Kinofilm als solcher jedoch als Schatten seiner Vorlage gleichwohl wie als eine Art überlanger Trailer seiner selbst.