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Die Saat des heiligen Feigenbaums

Filmstart

Die Saat des heiligen Feigenbaums

| Pamela Jahn |
Intensiver Politthriller

Allein die Tatsache, dass Mohammad Rasoulof einen neuen Film gedreht hat, ist ein Wunder. Selbst wenn das Werk schlecht wäre, was es nicht ist. Der iranische Regisseur ist in seiner Heimat mehrfach zu Haftstrafen und Hausarrest verurteilt worden. Im April wurde ihm erneut der Prozess gemacht. Die Folge: Weitere acht Jahre Gefängnis mit Auspeitschungen, dazu eine Geldbuße und die Beschlagnahmung seines Eigentums. Kaum einen Monat später lief Die Saat des heiligen Feigenbaums im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes. Dort erhielt Rasoulof, der mittlerweile aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet ist, einen Sonderpreis für sein Werk. 

Es macht keinen großen Unterschied, diese Hintergründe zu kennen. Die Saat des heiligen Feigenbaums ist kein Film, der die fast unmöglichen Umstände seiner Entstehung nach außen trägt. Im Gegenteil. Aber es erklärt zumindest ein Stück weit die Unbedingtheit und, ja, auch Radikalität, die sich in diesem dichten, familiären Politthriller vom Regisseur unmittelbar auf seine Figuren überträgt. 

Iman (Missagh Zareh) ist gerade zum Untersuchungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran befördert worden, als der Tod einer kurdischen Studentin in iranischem Polizeigewahrsam eine Protestwelle im Land auslöst. Der strenggläubig Staatsdiener ist selbst Vater zweier bald erwachsener Töchter. Doch die Brutalität und Unterdrückung im eigenen Land will er nicht sehen. Lieber steht er sicher auf der Seite des Regimes. Allerdings stellt ihn der neue Job auf eine harte Probe: Im Zuge der andauernden Demonstrationen wird von Iman erwartet, Todesurteile abzusegnen, ohne die Beweislage zu kennen, was ihn  unter Druck setzt. Derweil versuchen seine Frau Najmeh (Soheila Golestani) und ihre beiden Kinder heimlich einer jungen Frau zu helfen, die bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Straße im Gesicht verletzt wurde. Aber damit nicht genug: Als gleichzeitig Imans Dienstwaffe aus dem Schrank verschwindet, gerät das belastete familiäre Gefüge vollends ins Wanken – und Imans Panik und Paranoia sickern immer tiefer in die langsam eskalierende Struktur des Films selbst ein.

Rasoulof nutzt in seiner packenden Erzählung alle künstlerischen Mittel, um mit ganzer Wucht und Wut gegen das autoritäre System und dessen patriarchale Wurzeln anzugehen. Vorangetrieben von einer ebenso klug verschlüsselten wie episch angelegten Bildsprache steuert Die Saat des heiligen Feigenbaums unmissverständlich auf ein erschreckendes Ende zu. Beim Zuschauen stockt einem da schon einmal der Atem. Der Effekt wirkt lange nach.