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Maila Nurmi in Plan 9 from Outer Space
Maila Nurmi in "Plan 9 from Outer Space"

Ed Wood (1924–1978)

Die Schönheit des Scheiterns

| Christian Genzel |
Am 10. Oktober hätte Ed Wood (1924–1978) seinen 100. Geburtstag gefeiert. Seine Filme wurden ebenso belächelt wie zum Kult, Wood gar als „schlechtester Regisseur aller Zeiten“ bezeichnet. Aber in seinem Scheitern schaffte er viel mehr, als es den Anschein hatte.

Als der Filmemacher Ronnie Ashcroft kurzfristig für einige Tage als Regieassistent beim Dreh des Horrorfilms Night of the Ghouls (1959) einsprang, konnte er über die minimalistische Produktion nur den Kopf schütteln. Das Team drehte nachts auf der winzigen Bühne eines Tonstudios, für deren Nutzung Regisseur und Produzent Ed Wood 20 Dollar zahlte. Auf den Hinweis, dass der Betrag ja kaum für den Strom reichen würde, meinte Wood nur, dass das kein Problem sei, weil die Elektrizitätswerke ihre Rechnung nur alle zwei Monate schicken würden. Ashcroft meinte: „Eddie, im Vergleich zu dir wirkt Roger Corman wie einer, der sein Geld zum Fenster rauswirft.“

Die Geschichte der Filme von Ed Wood ist die pure Low-Budget-Romantik. Geld war nie da, also wurde improvisiert, getrickst und geklaut, wo es nur ging. Für den Gruselfilm Bride of the Monster (1955) entwendeten die Filmemacher eine alte Krakenrequisite aus den Republic Studios und drehten nachts ohne Genehmigung im Griffith Park, wo sie mit kleinen Dämmen einen flachen, künstlichen See bauten – der anschließend einen nahegelegenen Golfplatz überschwemmte. Für eine andere Sequenz saß der Regisseur oben auf einem Auto, um für eine nächtliche Fahrszene den notwendigen Regen mit der Gießkanne zu simulieren. Und in Woods berühmtestem Film, Plan 9 from Outer Space (1957), kann ein Flugzeugcockpit auch einfach mal aus zwei Stühlen, einem an die Wand gehängten Clipboard und einem Duschvorhang bestehen. Die Filme selbst sind wundersame Reißer, eine Story-Sammlung über verrückte Wissenschaftler, Monster und Mutanten, Untote und Außerirdische, verdammte Seelen, zwielichtige Ganoven und ahnungslose Polizisten.

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Es ist diese romantische Seite von Ed Wood, die heute das Bild des Mannes prägt, der kurz nach seinem Tod als „schlechtester Regisseur aller Zeiten“ bezeichnet wurde: der Mann, der Trotz widriger Umstände immer weiter Filme gedreht hat. Diese Version des Filmemachers steht auch ganz im Zentrum von Tim Burtons Biopic Ed Wood (1994), in dem Wood als idealistischer Träumer mit einem Team aus Außenseitern erscheint. Der Ed Wood dieses Films, dargestellt von Johnny Depp – damals ein gefeierter Star mit einer Gabe für die Darstellung exzentrischer Figuren –, ist unverbesserlicher Optimist: Als ihm ein Studiochef mitteilt, dass Eds erster Film das Schlechteste sei, was er je gesehen habe, entgegnet Wood strahlend: „Na, mein nächster wird bestimmt besser!“ Aber natürlich ist die Geschichte von Ed Wood auch eine tragische, und diese Seite wird bei Burton, der sich sichtlich mit dem Traumtänzer identifiziert, fast ganz ausgespart. Der anhaltende Misserfolg sorgte dafür, dass sich Wood irgendwann vor allem als Autor und Regisseur von Sexgeschichten und Pornografie verdingte, um über die Runden zu kommen. Er drehte Filme mit herzhaften Titeln wie Nympho Cycler oder Necromania, versank dabei immer tiefer in der Alkoholabhängigkeit und starb 1978 mittellos im Alter von nur 54 Jahren – wenige Tage, nachdem er und seine Frau Kathy wegen Geldproblemen ihre Bleibe verloren hatten und bei einem Freund untergekommen waren. Es gab kaum Nachrufe auf ihn.

LANGSAME WIEDERENTDECKUNG

Nur zwei Jahre später erschien das Buch von Harry und Michael Medved, „Golden Turkey Awards“, in dem Wood dank einer Leserabstimmung den zweifelhaften Ruf als „Worst Director“ erhielt. Aber die Nennung sorgte für eine langsame Wiederentdeckung seiner Werke, und hinter dem Gelächter entdeckten immer mehr Zuseher auch noch eine weitere Seite an Ed Wood: die eines unkonventionellen Künstlers. So sehr ihm stets das Scheitern unterstellt wurde, so viel hat er doch geschafft. Er konnte idiosynkratische Filme aus dem Boden stampfen und darin von seinen Interessen erzählen – und wir erinnern uns immer noch an ihn! Film begeisterte den 1924 in Poughkeepsie, New York, geborenen Edward Davis Wood Jr. schon seit früher Kindheit. Mit nur zwölf Jahren erhielt er eine Kamera, zu seinen ersten Aufnahmen gehörte der Zeppelin „Hindenburg“ kurz vor der berühmten Katastrophe. Er interessierte sich für Comics und Groschenhefte, mochte Western, Gruselfilme und okkulte Geschichten, arbeitete in einem Kino als Kartenabreißer. Nach seinem Militärdienst brach er nach Hollywood auf, wo er Werbeclips drehte und eigene Projekte voranbringen wollte. Von Beginn an war es ein Kampf: Schon die Arbeiten an seinem stumm gedrehten Western The Streets of Loredo aus dem Jahr 1948 wurden abgebrochen.

Dafür war sein erster vollendeter Film eine höchst persönliche Angelegenheit. Der Low-Budget-Produzent George Weiss wollte einen Film aus der Geschlechtsumwandlung von Christine Jorgensen machen, die 1952 für Schlagzeilen gesorgt hatte. Wood sprach bei Weiss vor und bewarb sich mit kurioser Expertise: Er vertraute dem Produzenten an, dass er selbst gerne Frauenkleider trug. So wurde Glen or Glenda (1953) zu einem Film über Transvestitismus. Die Hauptrolle spielte (unter dem Namen Daniel Davies) Ed Wood selbst, der darin im vollen Drag-Outfit zu sehen ist und seiner Freundin – gespielt von Woods damaliger tatsächlicher Lebensgefährtin Dolores Fuller – von seiner Neigung beichtet. So ungelenk der Film inszeniert sein mag, für die fünfziger Jahre war das Thema ebenso gewagt wie der Ansatz, darüber aufzuklären bzw. Verständnis schaffen zu wollen. Und Wood, der auch später mitunter im Angorapullover Regie führte, wurde eine Art Vorreiter der Queer-Cinema-Bewegung, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte.
Merkwürdig an Glen or Glenda war auch die Mitwirkung des alternden Horrorstars Bela Lugosi, der in einem bizarren narrativen Überbau eine Schöpferfigur spielt. Im Ohrensessel, umgeben von Totenköpfen und Reagenzgläsern, fungiert er als Erzähler, der die Geschicke der Menschen leitet. Wood hatte Lugosi über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt und wollte unbedingt mit ihm zusammenarbeiten, da der gebürtige Ungar dank Dracula (1931, Regie: Tod Browning) zu seinen frühen Kindheitsidolen gehörte. Der Schauspieler, alt und von seiner Morphin- und Methadonabhängigkeit gezeichnet, war im Hollywood der Fünfziger nicht mehr gefragt und nahm die Arbeit gerne an. Daraus entwickelte sich schließlich eine Freundschaft, die dafür sorgte, dass Lugosi nach seinem Tod in Woods wohl berüchtigtstem Film mitspielte.

EIN LEGENDÄRER PLAN

Lugosi war zuvor im bereits erwähntem Bride of the Monster (1955) zu sehen, der unter dem Titel Die Rache des Würgers sogar in den deutschsprachigen Raum kam – hier spielt er einen wahnsinnigen Wissenschaftler, der in einem Spukhaus eine Rasse an Superwesen züchten möchte (aber, wohl aus Budgetgründen, bislang nur einen stummen Diener mit Angora-fetisch und einen per Archivmaterial gezeigten Kraken hervorgebracht hat). Es war Lugosis letzte Rolle zu Lebzeiten, und so wackelig der Film wirken mag, so anrührend ist es doch, den alten Mimen dabei zu sehen, wie er ganz in das Pathos von Woods theatralischen Monologen eintaucht.

Wood plante viele verschiedene Projekte mit Lugosi, und für eines davon hatte er schon ein paar Minuten Material gedreht. Als der Schauspieler dann verstarb, wurde er damit trotzdem zum nominellen Hauptdarsteller des Science-Fiction-Horrorfilms Plan 9 from Outer Space (1959). Den Rest des Films über wurde Lugosi von Woods Chiropraktiker Tom Mason gedoubelt, der dem Schauspieler in keiner Weise ähnlich sah und sich deswegen bei jedem Auftritt ein Cape vors Gesicht halten muss. Plan 9, Woods „Stolz und Freude“, wie er einmal sagte, wurde bald als Ausstellungsstück all seiner inszenatorischen Unzulänglichkeiten verlacht: Da fallen am Friedhof die Grabsteine um, zwischen den Szenen herrscht ständiger Tag-Nacht-Wechsel, die Polizei fährt mit einem Wagen los und kommt mit einem anderen an, der schwedische Wrestler Tor Johnson nuschelt als Kommissar schwer verständliche Texte, an den schwebenden Untertassen sind die Schnüre sichtbar – die Liste ließe sich durch das ganze Heft fortsetzen. Der Chef der Außerirdischen, der hier eine Invasion der Untoten startet (die immerhin drei Leute umfasst), sitzt wie ein Bürokrat am Schreibtisch, um diesen „Plan 9“ zu starten, und ärgert sich in einer Szene so theatralisch über die Dummheit der Menschen, dass eine Frau im Hintergrund kaum das Lachen unterdrücken kann. Es gibt sogar einen Horrorshow-Host: Der TV-Wahrsager Criswell, der einst Mae West erklärte, dass sie Präsidentin werden und dann mit ihm und dem Bruder von Liberace in einer Rakete zum Mond fliegen würde, donnert hier dramatische Worte über die Frage, ob „unser Herz die schockierenden Fakten ertragen kann“.

DER UNSCHULDIGE TRÄUMER

Jenseits der Heiterkeit merkt man aber beim Ansehen von Woods Filmen auch schnell die persönliche Note, die dahintersteckt. Quer durch die Filmgeschichte gab es viele notdürftig zusammengeflickte Low-Budget-Streifen, und Plan 9 ist nicht unendlich weit von beispielsweise dem Billig-Außerirdischen aus Robot Monster (1953, Regie: Phil Tucker) entfernt, der von einem Mann im Gorillakostüm mit Taucherhelm dargestellt wird. Aber Wood zieht einen in eine eigene Welt – eine Welt, die geprägt ist von seiner Persönlichkeit und seinen Interessen, von seinen Ängsten und Träumen. Seine Filme sind aufrichtig und ohne Ironie gedreht, und das Naive, das Dilettantische hat trotz der reißerischen Storys auch etwas Unschuldiges: Man merkt eine großäugige Liebe zum Geschichtenerzählen und zum Medium Film darin.

Vielleicht war Ed Wood auf gewisse Weise seiner Zeit voraus. Heute gibt es einen Markt für das, was oft abfällig „Trash“ genannt wird, es gibt eine Wertschätzung für die Ideen in solchen Geschichten, die als „trivial“ gelten. Andererseits: Wenn es Ed Wood heute gäbe, würden wir nicht über ihn reden. Er ist mit seiner Zeit verbunden, und es macht ihn zu etwas Besonderem, damals ein Außenseiter gewesen zu sein. In seinem vermeintlichen Scheitern liegt alle Schönheit, liegt alle Vielfalt des Kinos: Ed Wood scheiterte auf interessante, einzigartige Weise, und sein anhaltender Sehnsuchtstraum vom Kino wurde zu einer jener essenziellen Legenden, ohne die das Medium
ärmer wäre.