Ein Stahlwerk in der steirischen Provinz wird bestreikt. Während das äußere Geschehen vorgibt, es ginge um ein besseres Lohnniveau, wird es tatsächlich vom Wunsch eines Arbeiters angetrieben, als gereifter Mensch seine Ex-Freundin zurückzugewinnen. Die „Werkstürmer“ ist so etwas wie die erste Arbeiterkomödie Österreichs.
Patrick Angerers großer Auftritt: Er und seine Kollegen bestreiken schon länger „ihr“ Stahlwerk, weil die Lohnverhandlungen stocken. Denn der Gewerkschaftsführer, der extra aus der Zentrale in Wien angereist ist, ist auch nicht mehr als ein Genosse der Bosse. Also übernimmt Patrick (Michael Ostrowski) das Kommando. Er setzt den Bolzenschneider an, um das Tor aufzubrechen, dann sollen die Kumpel die Fabrik im Handstreich besetzen. Dass es, obwohl der Titel Anderes verheißt, schließlich doch nicht so weit kommt und Patrick nicht vom Ortspolizisten verhaftet wird, hat zwei Gründe. Erstens handelt es sich bei Die Werkstürmer um eine Komödie, und zwar um die wahrscheinlich erste Arbeiterkomödie der österreichischen Filmgeschichte. Und im Komödienfach macht man nicht einfach so ernst. Und zweitens geht es in dem Film gar nicht wirklich um die Fabrik. Wie die Headline zum Film trefflich beschreibt, „Die romantische Sommerkomödie des Jahres“, soll das Herz einer Frau gestürmt werden. Und dazu reicht auch ein bisschen Maulheldentum. Die Szene wird nicht nur vom Kinopublikum beobachtet, sondern auch von Babs (Hilde Dalik), der Frau, die Patrick wieder zurückhaben will. Sie schaut sich das Geschehen wohlwollend auf einem Handy an, das hier mal nicht Revolutionsbilder in die Welt transportiert, sondern Gefühle zusammenführt. Am Ende des Films, da ist nicht zu viel verraten, klappt das dann auch.
Werkstürmer, der Erstlingsfilm des Steirers Andreas Schmied, der auch das Drehbuch verfasst hat, ist ein komisches Ding. Denn das, was sich im Vorspann in Glawogger’scher Ästhetik mit glühend roten Hochöfen und bleibeschürzten Arbeitern, die schmelzendes Eisen bergen, als Schwerarbeiter-Epos ankündigt, rückt schon bald in den Hintergrund. Gearbeitet wird im restlichen Film nicht mehr. Und das liegt nicht nur daran, dass hier – irgendwo in der steirischen Provinz – eben gestreikt wird, sondern auch daran, dass diese Hackler-Komödie in Camouflage auftritt. Die Arbeitskämpfe werden vor allem von dem Wunsch Patricks angetrieben, das Beziehungsende mit Babs rückgängig zu machen. Auch wenn es sich Patrick in dem kleinen Nest mit bescheidenen Ansprüchen und trinkfesten Freunden zwischen Fußball-Werksteam und Kantine scheinbar gut eingerichtet hat, nagt doch etwas an ihm. Seine ehemalige Freundin hatte offenbar größere Pläne: Sie kehrt aus Wien als Gewerkschaftsanwältin zurück. Der Gewerkschaftsprofi an ihrer Seite ist zugleich der zukünftige Ehemann. Für Autor Schmied erweist sich das als Gelegenheit, nicht ins Politische abzugleiten. Dass die Kritik an Gewerkschaftern, seien sie nun korrupt (Blue Collar, Paul Schrader, 1978) oder als durch die Lande ziehende Organizer einfach nur unsympathisch manipulativ (Norma Rae, Martin Ritt, 1979), dass diese Kritik an den „Unions“ ebenso spannend ist wie der Kampf zwischen den Arbeitern und den Chefs, das weiß man aus der Filmgeschichte. In einem Land, das historisch die Sozialpartnerschaft feiert und das Streikniveau auf einem Minimum hält, erscheint es aber auch legitim, eine emotional-private Ebene einzuziehen. Um nicht nach britischen Vorbildern wie den kitchen sink dramas, die Schmied beim Schreiben vielleicht vor Augen hatte, der österreichischen Realität einen zu hohen Fiktionalisierungsgrad zuzumuten.
Damit tun sich gleich mehrere Konfliktlinien auf: Patrick und der schnöde Rivale, der sich als Duckmäuser und Karrierist aber offenbar schon mit billigem Aktionismus besiegen lässt. Und natürlich das Problem mit den Chefs. Hier greift der Film auf Cartoon-Formate zurück. Ein feister, dummer Unternehmersohn, der gerne einen Schnaps hebt und aufgrund des Erbrechts nicht so recht zu wissen scheint, wie ihm als Fabrikbesitzer geschieht. Selbst in der Zentrale des Investmentkonzerns, der sich hier offenbar als Notwendigkeit unserer Zeit ohne echten Auftrag in die Geschichte gemogelt hat, wirkt der Fabrikant wie ein Fremdkörper. Die Fondsmanager – sie erhalten mit Manuel Rubey das Gesicht distinguierter, aalglatter und eitler Anzugträger – logieren in einer Zentrale, in der die Kühle der Räumlichkeiten schon die Distanz zum erdigen Geschehen in der Fabrik bekundet. Schmied taucht den Ort durch Farb- und Lichtgebung in matte Grautöne, in denen der dumme Fabrikant sich als Provinz-Ei outen muss: „Alpha, Beta, Gamma, ang’soffen samma!“, ruft er in die pikierte Bankerrunde und findet das sogar noch lustig. Klar ist: Was den Burschen in diesem Film nur retten kann, ist – auch hier dominiert dramaturgisch die emotional-persönliche Ebene – maximal eine Bauernschläue, womit Schmied einmal mehr den Klassenkampf überlagert, hier durch einen Stadt-Land-Gegensatz. Dennoch trifft Schmied die Grundkonstellationen, die er sich für seine Geschichte ausgedacht hat, in Momenten wie diesen atmosphärisch ganz gut. Zwischen diesen Schlaglichtern mangelt es aber ein bisschen an einer Idee, wer die Protagonisten dieser Geschehnisse sein könnten. Besonders im Fall der Werksarbeiter wäre es übertrieben, von der Beschreibung eines Arbeitermilieus zu sprechen. Da geht es eher um Stimmungslagen und Gags. Da gibt es ein paar Figuren, die stärker in der Tradition kabarettistischer Typen erkennbar werden – einer scheint sogar ein Düringer-Double zu sein –, als dass sie mit Lebenssituationen verbunden wären. Im Grund sind sie alle große Buben, denen es immer noch Spaß macht, ihre Spielchen zu treiben. Etwa das Fußballspiel, das Patrick und der Banker Rubey als Klassengegner vereinbaren, um ihren Konflikt „sportlich“ auszutragen. Ostrowski foult Rubey, der landet schon nach zwei Sekunden auf dem harten Kiesboden des Werks-Fußballplatzes. Das nennt man wohl Heimvorteil, Rubey, der Mann im Anzug, wird sogleich mit der Rettung abtransportiert. Einzig Hilde Dalik erhält als Babs den Vorzug, „erwachsen“ aufzutreten und den Buben, die trotz der Situation allesamt keine existenziellen Sorgen zu kennen scheinen, so etwas wie eine ausgereifte Persönlichkeit entgegenzuhalten. Komisch ist die Rolle, wie Dalik sie anlegt, dennoch.
Für eine vollständige Geschichte, wie sie etwa zuletzt die britische Arbeiterkomödie Made in Dagenham (Nigel Cole, 2010) erzählt hat, reicht dieser Spaßismus allerdings nicht. Im Gegensatz zum Streik der Frauen im Ford-Werk des Londoner Stadtteils Dagenheim (der infantile deutsche Synchrontitel: We Want Sex) findet Werkstürmer keine soziale Erdung: Familienzusammenhänge und Streik gibt es hier nicht, und auch ein typischer und manchmal mit viel Pathos erzählter Topos von Arbeiterfilmen, die Herausbildung eines gemeinsamen Willens unter den Arbeitern, blitzt nur auf, wenn es bestimmte Szenen verlangen. Dass Werkstürmer als Arbeiterkomödie so etwas wie Pionierarbeit leistet, soll aber auch nicht vergessen werden. Denn bislang gab es kaum eine Handvoll Filme in Österreich, die sich überhaupt für proletarische Lebensentwürfe interessierten.
Neben Mundl Sackbauer und der „Arbeitersaga“ von Dieter Berner fällt einem am ehesten Karin Brandauers Fernseharbeit Einstweilen wird es Mittag ein, in der das, was die österreichische Soziologin Maria Jahoda und Paul Lazarsfeld bei ihrer fundamentalen Studie „Die Arbeitslosen von Mariental“ 1933 erlebten, fiktional aufbereitet wird. Und dann natürlich „Charly Traktor“, der Roman von Michael Scharang, den Axel Corti 1975 für das Fernsehen verfilmte: Totstellen – Der Sohn eines Landarbeiters wird Bauarbeiter und baut sich ein Haus ist nahezu so einzigartig wie Werkstürmer. Klaus Rott (spielte in Ein echter Wiener Mundls Sohn) und Liliana Nelska (war dort Mundls Schwiegertochter) trifft man hier in einer Welt an, die man aus heutiger Sicht nur als exotisch beschreiben kann. Rott, der Landarbeitersohn, revoltiert gegen eine zutiefst autoritär-patriarchale Umwelt, bis er selbst resigniert. Nelska bietet als Kellnerin ihren Körper Männern an, die zwischen Schlägertum und Sexualangst vor dem Weiblichen hin- und hergerissen werden. Auf den Straßen in burgenländischen Dörfern gehen alte Frauen mit schwarzen Kopftüchern herum wie Krähen, und an den Peripherien Wiens ziehen die aus der Provinz Zugewanderten Plattenbauten hoch. Die hier beschriebene Ausweglosigkeit findet sich im heutigen Lebensgefühl selbstredend nicht mehr. Die derbe Körperlichkeit von Totstellen (trotz des Literaturverfilmungspathos, das Corti nicht verleugnen kann) präsentiert sich in Werkstürmer trotz Fußball- und Kantinenszenen in cleanen, bürgerlich anmutenden Bildern. Totstellen ist ein Zeitdokument, verfügbar in der Hoanzl-Edition. Viel mehr gibt es an proletarischem Kino gar nicht zu nennen: obskure Arbeiten aus der ersten Republik, als die SDAP, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, Propagandafilme in Auftrag gab. Oder auch der halbstündige Film Der Kampf der Gewalten, der kurz nach dem Zerfall der Monarchie 1919 und kurz nach der russischen Revolution eine strikt anti-marxistische Position einnahm, indem er seine Protagonisten, die Fabriksarbeiter, bei ihrem Versuch, sich selbst zu organisieren, am Ende scheitern lässt. Und eine österreichische Lösung, gemeinsam mit den Unternehmern erfolgreich zu sein, anbietet. Andere Wege schlägt Die Werkstürmer ein. So vereinzelt und kindlich die Burschen rund um Ostrowski (der seine Komik im übrigen wie gewohnt sehr sympathisch entfaltet) den Film lang agieren, so sicher ist ihnen ein Happy End beschieden.