25 Jahre Amour Fou

Die Zukunft

| Ines Ingerle |
Zwölf Projekte der Amour Fou befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Produktion beziehungsweise in Entwicklung. Eine Vorschau.

Die beiden aktuellen Leuchtturmprojekte sind ohne Zweifel Margarethe von Trottas Bachmann & Frisch und Hinterland, der neue Film von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky (siehe das Gespräch mit den beiden und mit Angela Christlieb, S. 22). Margarethe von Trotta, erst 2019 mit dem Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises bedacht, knüpft mit ihrem neuen Film an ihr großartiges historisches Porträt Hannah Arendt (2012) an. Im Zentrum von Bachmann & Frisch (CH/LU/AT/DE, Produktion: Tellfilm/Katrin Renz und Oliver Schütte, Amour Fou Luxembourg, Amour Fou Vienna) steht erneut eine große charismatische Frau: Ingeborg Bachmann, die radikale Schriftstellerin, kompromisslos Lebende und Liebende. Der Film erzählt von ihrem Leben in Berlin, Zürich und Rom, von ihrer leidenschaftlichen und schwierigen Beziehung zu Max Frisch, ihrer Reise nach Ägypten sowie ihren radikalen Texten und Lesungen, die das Motto ihrer Literatur und ihres Lebens umschreiben: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“

Stefan Ruzowitzky ist hingegen schon mitten in der Postproduktion seines neuen Films, dessen Drehbuch er gemeinsam mit Hanno Pinter und Robert Buchschwenter schrieb: Hinterland (AT/LU) spielt im Jahr 1922 in Wien. Nach sieben Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft kehrt der ehemalige Kriminalbeamte Peter Perg in seine Heimatstadt zurück. Den Kaiser und die Monarchie, für die er gekämpft hat, gibt es nicht mehr – wie so vieles andere. Fremd in einer düsteren Welt, wird er mit einem schrecklichen Mord konfrontiert. Die Identität des Opfers ist für Perg ein Schock, und seine Vergangenheit holt ihn ein. Produziert wird der Film von Freibeuter Film (Sabine Moser, Oliver Neumann) und Amour Fou Luxembourg in Ko-Produktion mit Scope Pictures und Lieblingsfilm. Den Weltvertrieb übernimmt Beta Cinema. Murathan Muslu ist als Perg zu sehen, weiters spielen unter anderem Babylon Berlin-Star Liv Lisa Fries, Maximilian von der Groeben, der aus Bad Banks bekannte Marc Limpach sowie Aaron Friesz und Stipe Erceg.

Ein weiteres historisches Porträt ist in Entwicklung: Pandoras Vermächtnis (AT, Produktion: Amour Fou Vienna) von Angela Christlieb erzählt die Geschichte von Georg Wilhelm Pabst – Filmregisseur, Patriarch, gleichzeitig „der große Unbekannte“. Der Gigant des deutschsprachigen Kinos wird hier privat und künstlerisch in seiner ganzen Widersprüchlichkeit erfasst, und zwar aus der Sicht seiner beiden Enkel und seiner Enkelin. Pabsts Stummfilme verweben sich mit Realgeschichten zu einer Reise von den 1920er Jahren bis heute. Ein Film über Traum und Traumata, über ein gewaltiges künstlerisches, filmhistorisches und persönliches Erbe und über den Wandel im (Ab-)Bild von männlicher Pose und weiblicher Kraft.

In Produktion ist Diamante, eine österreichisch-deutsche TV-Mockumentary von Georg Nonnenmacher, Ingo Haeb und Karin Berghammer, produziert von Corso Film (Erik Winker) und Amour Fou Vienna. Der fiktive Fußballer Rudi Varda startete in den siebziger Jahren eine Fußballkarriere in Deutschland und Österreich, doch sein Name wird heute statt mit Titeln und Pokalen eher mit zahlreichen kuriosen Anekdoten und Skandalen in Verbindung gebracht. Nach mehreren vergeblichen Anläufen in der Bundesliga verschwand Varda von der Bildfläche. Anlässlich der WM 2006 erfährt sein Bruder, dass Rudi unter dem Künstlernamen Diamante in Brasilien eine zweite und durchaus erfolgreiche Karriere gestartet hat. Kann es sein, dass Rudi ausgerechnet im wahren Mutterland des Fußballs noch einmal durchgestartet ist? Diamante ist die bewegende Geschichte einer wiedererwachenden Bruderliebe und ein nostalgisches Plädoyer für Fußball als spielerische Kunstform.

Ein Dokumentarfilm, der bereits in deutsch-österreichischer Ko-Produktion (Fruitmarket/Arne Birkenstock und Amour Fou Vienna) ist, widmet sich dem subkulturellen Herzen Wiens: Vienna Calling von Regisseur Philipp Jedicke (Shut Up and Play the Piano). Wiens musikalischen Puls bestimmen Künstler wie EsRap, Wanda, Der Nino aus Wien oder Voodoo Jürgens. Hedonistisch und nihilistisch zugleich, verkörpern sie den Gegenentwurf zum Selbstoptimierungswahn. Sie sind unangepasste Charaktere – und füllen Konzerthallen von Wien bis Hamburg. Eine Welt der liebevollen Gehässigkeit und des Schmähs, voller skurriler Geschichten und harter Gegensätze.

Zwei Welten kollidieren im neuen Werk der iranischen Autorin Nasim Ahmadpour und des Schweizer Regisseurs Romed Wyder: In Une Histoire provisoire (CH/LU), produziert von Paradigma Films (Romed Wyder), Amour Fou Luxembourg und Milan Film (Cyrill Gerber), trifft Sascha auf Marjan. Er ist ein junger Schweizer Werbefachmann, sie  eine iranische Frau, die Schleier trägt. Beide sind sie in derselben Airbnb-Wohnung und somit unweigerlich mit ihren Unterschiedlichkeiten konfrontiert.

Bald in Produktion geht der Kinderfilm Die Mucklas (DE/LU), produziert von Tradewind Pictures (Helmut Weber und Thomas Springer), Little Dream Entertainment (Ali Samadi Ahadi und Frank Geiger) und Amour Fou Luxembourg. Den Weltvertrieb übernimmt Wild Bunch. Für die Regie zeichnet Ali Samadi Ahadi verantwortlich, der 2009 mit der Culture-Clash-Komödie Salami Aleikum bekannt wurde. Mucklas sind kleine Wesen, die versteckt im Haus wohnen und Akteure aus der beliebten „Pettersson und Findus“-Reihe. Nun wird ihnen ein ganzer Film gewidmet. Seit Generationen leben sie in einem nostalgischen Kramladen und können alles stiebitzen, was sie brauchen. Eines Tages wird jedoch der Laden neu vermietet – ausgerechnet an einen Kammerjäger, der den Mucklas die Grundlage zum Leben nimmt. So müssen sich Svunja, Tjorben und Smartö auf eine abenteuerliche Reise begeben, um ein neues Zuhause zu finden.

Im August 2020 begannen die Dreharbeiten zum Jugendfilm Himbeeren mit Senf um die 13-jährige Tochter eines Bestatters, die zu fliegen beginnt, wenn sie verliebt ist. Ruth Olshan inszeniert und schrieb auch das Drehbuch gemeinsam mit Heike Fink. Der Film wird produziert von zischlermann filmproduktion (Susanne Mann und Paul Zischler) und Amour Fou Luxembourg in Ko-Produktion mit Turnus Film (Anita Wasser und Michael Steiger), Neos Film (Christoph Menardi und Torben Struck) und Phanta Film (Petra Goedings und Marijn de Fries).

Demnächst produziert wird ein deutsch-luxemburgisches Projekt unter der Regie von Maggie Peren. Der Passfälscher erzählt vom 21-jährigen Schöngeist Cioma, der sich von niemandem die Lebensfreude nehmen lässt, auch nicht von den Nationalsozialisten. 1942 muss er als versteckt lebender Jude in Berlin neue Wege finden, um sich in seiner Heimatstadt durchzuschlagen und der Deportation zu entkommen. Er entdeckt sein Talent, nicht nur Pässe, sondern auch die eigene Identität zu fälschen. Es produzieren Dreifilm (Alexander Fritzemeyer und Martin Kosok), Amour Fou Luxembourg und Network Movies (Dietrich Kluge).

Parallel entwickelt Amour Fou die Verfilmung von Elfriede Jelineks bahnbrechendem ersten Roman „Die Liebhaberinnen“, und zwar gemeinsam mit der Kölner Coin Film (Christine Kiauk, Herbert Schwering). Regie führt Koxi, die mit Amour Fou 2016 den Kurzfilm Casting a Woman gemacht hat. Die beiden Luxemburger Regisseure Jacques Schmitz und Chris Poulles bereiten einen brisanten Dokumentarfilm vor, und mit Dante’s Emperor steht ein historisches Spielfilmprojekt von Amour-Fou-Mitbegründerin Bady Minck an, das auf dem Roma Film Festival die Special Mention des Eurimages Co-Development Award erhielt.