Filmkritik

Dil Leyla

| Alexandra Seitz |
Eine Frau auf verlorenem Posten? Eine Heldin der Gegenwart!

Bäume will sie pflanzen. Und die Markthalle sanieren. Sie will die Stadt wieder zu einem lebenswerten und lebendigen Ort machen, die einstige Schönheit wiederherstellen. Die da durch die Straßen geht und von den Menschen freundlich gegrüßt wird, heißt Leyla Imret und ist Bürgermeisterin von Cizre. Cizre liegt in Südostanatolien an der Grenze zu Syrien und Irak, im Kurdengebiet, und ist eine ehemaligen PKK-Hochburg. Als solche hat sie viel Leid erlebt und Zerstörungen ertragen. Wie zum Beweis lässt Aslı Özarslan Dil Leyla, ihr Porträt von Bürgermeisterin Imret, das zugleich die innenpolitischen Veränderungen der vergangenen zwei Jahre in der Region in den Blick nimmt, mit Archivaufnahmen aus dem Jahr 1993 beginnen. Sie zeigen, wie das türkische Militär die Newroz-Festlichkeiten in Cizre aufmischt, wie Panzer auf die feiernde Menge zurollen und Menschen panisch flüchten.

1993, als ihr Vater, ein kurdischer Freiheitskämpfer, bei einem Gefecht getötet wird, ist Leyla Imret fünf Jahre alt. Die Familie flieht nach Deutschland, Leyla wächst in Bremen auf und macht eine Friseurlehre. Dann geht sie zurück und wird 2014 mit 26 Jahren als Kandidatin der Barıs ve Demokrasi Partisi zur jüngsten Bürgermeisterin der Türkei gewählt. Es ist ein schwieriger, um nicht zu sagen gefährlicher Job, der noch kompliziert wird dadurch, dass Präsident Erdogan sich auf den Kriegspfad gegen die demokratischen Strukturen im eigenen Land begeben hat und der Kurdenkonflikt mit neuer Wucht wieder aufflammt. 2015 wird Leyla Imret vom türkischen Innenminister ihres Amtes enthoben, sie wird vorübergehend verhaftet, später dann der „Anstachelung zum bewaffneten Aufstand“ sowie der „Terrorpropaganda“ angeklagt. Inzwischen hat sich ihre Spur verloren.

Mit Dil Leyla legt die 1988 in Berlin geborene Özarslan ihren Diplomfilm an der Ludwigsburger Filmakademie vor; es ist eine mit einfachen Mitteln und unter riskanten Bedingungen entstandene Dokumentation, die ihre mutige, ruhige und standfeste Heldin beobachtend begleitet und ihr aufmerksam zuhört, solange das eben möglich ist. Dass es irgendwann nicht mehr möglich ist, ist jenen skandalösen totalitären Entwicklungen in der Türkei geschuldet, von denen dieser Film gleichermaßen Zeugnis ablegt. Das macht ihn nicht nur zu einem historischen Dokument, sondern auch zu einem Beweisstück der Anklage. In Dil Leyla zeigt sich eine schreckliche Gegenwart – und sie muss gesehen werden.